OLG Hamburg zur Benennung von Bewertern auf Bewertungsplattformen

Am 8. Februar 2024 entschied das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Aktenzeichen 7 W 11/24) über die Voraussetzungen, unter denen ein Bewerteter die Löschung von Bewertungen auf einem Arbeitgeber-Bewertungsportal verlangen kann. Diese Entscheidung hat beachtliche Implikationen für den Datenschutz und die Transparenz im Umgang mit Bewertungen – allerdings ist nicht garantiert, das andere Gerichte es genauso sehen.

Sachverhalt

Die Antragstellerin, ein Unternehmen mit rund 22 Mitarbeitern, forderte die Betreiberin eines großen Arbeitgeber-Bewertungsportals auf, zwei negative Bewertungen zu löschen. Die Antragsgegnerin verweigerte dies zunächst und verwies auf datenschutzrechtliche Bestimmungen, die eine Offenlegung der Identität der Bewerter ohne deren Zustimmung verhinderten. Das Landgericht Hamburg wies den Antrag der Antragstellerin ab, woraufhin diese Beschwerde beim OLG einlegte.

Rechtliche Analyse

Das OLG führt aus, dass Unternehmen einen Anspruch darauf haben, nachzuprüfen, ob wirklich ein Kontakt bestanden hat:

Auch für den hier gegebenen Fall kommen die nunmehr vom Bundesgerichtshof für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) vollen Umfangs zum Tragen: Die Antragstellerin ist als Portalbetreiberin mittelbare Störerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen und haftet als solche nur eingeschränkt.

Wird sie mit der Beanstandung eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein kann – konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich, unabhängig davon, ob die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache aufbaut, zu qualifizieren ist.

Als hinreichend konkrete Beanstandung des Bewerteten ist es dabei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich ausreichend, wenn dieser rügt, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit seiner Leistung zugrunde liege; diese Rüge darf der Bewertete grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewerter so individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann.

Man kommt damit im Kern zu folgenden Einschätzungen:

  1. Löschungsanspruch bei unzureichender Individualisierung des Bewerters: Das OLG Hamburg stellte klar, dass der Bewertete die Löschung der Bewertung verlangen kann, wenn der Portalbetreiber den Bewerter nicht so individualisiert, dass der Bewertete das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB analog und § 823 Abs. 1 BGB.
  2. Datenschutzrechtliche Einwände des Portalbetreibers: Das Gericht wies das Argument der Antragsgegnerin zurück, dass eine Individualisierung der Bewerter aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht möglich sei. Das OLG argumentierte, dass das Risiko, ob der Bewerter datenschutzrechtlich individualisiert werden darf, der Portalbetreiber tragen muss. Dies gehöre zu den typischen Geschäftsrisiken eines Bewertungsportals.
  3. Anwendung der BGH-Grundsätze auf Arbeitgeber-Bewertungsportale: Für die Zulässigkeit von Bewertungen in einem Arbeitgeber-Bewertungsportal kommen die vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Grundsätze für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals voll zur Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2022 – VI ZR 1244/20).
  4. Verdacht des Rechtsmissbrauchs bei Vielzahl von Rügen: Das OLG stellte fest, dass die Erhebung einer Vielzahl von Rügen gegen Bewertungen nicht den Verdacht des Rechtsmissbrauchs begründet. Selbst wenn der Bewertete eine Kanzlei beauftragt hat, die offensiv gegen Einträge in Bewertungsportalen vorgeht, lässt dies keinen Rückschluss darauf zu, ob das Bestreiten des geschäftlichen Kontaktes gerechtfertigt ist.
  5. Vertretung durch eine spezialisierte Kanzlei: Die Beauftragung einer Kanzlei, die gegen pauschalierte Festhonorare vorgeht, ändert nichts an der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rügen. Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, dass dies die Rügen unglaubwürdig mache.

Identifizierbarkeit des Bewerters

Das OLG Hamburg hat insgesamt klargestellt, dass der Bewertete die Löschung einer Bewertung verlangen kann, wenn der Portalbetreiber den Bewerter nicht so individualisiert, dass der Bewertete das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. Dies gilt auch, wenn der Portalbetreiber sich auf datenschutzrechtliche Bestimmungen beruft.

Individualisierung der Bewerter

Das Gericht hat klargestellt, dass die Möglichkeit, das Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts zu überprüfen, dem Bewerteten nicht genommen werden darf. Wenn der Portalbetreiber dem Bewerteten lediglich anonymisierte Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen die Identität der Bewerter nicht eindeutig hervorgeht, ist dies nicht ausreichend.

Die Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts darf nicht allein dem Portalbetreiber überlassen werden, der dem Bewerteten dann lediglich versichert, dass ein positiver Überprüfungsergebnis vorliegt. Der Bewertete muss vielmehr in der Lage sein, die Authentizität der Unterlagen und die Identität der Bewerter zu überprüfen:

Die Antragsgegnerin hat auf die Rüge der Antragstellerin dieser die Bewerter nicht so identifizierbar gemacht, dass die Antragstellerin in der Lage wäre, das tatsächliche Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes zu prüfen. Die der Antragstellerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens übermittelten Unterlagen mögen aus dem Geschäftsbereich der Antragstellerin stammen; wer die betreffenden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter gewesen sein mögen, auf die sie sich beziehen, vermag sie aus diesen Unterlagen aber nicht zu erkennen, so dass sie nicht überprüfen kann, ob die Urkunden wirklich die Urheber der Bewertungen betreffen und ob es sich dabei tatsächlich um Personen handelt, die einmal für sie gearbeitet haben oder noch für sie arbeiten.

Die Möglichkeit zu einer eigenen Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts darf dem von der Bewertung Betroffenen nicht in der Weise genommen werden, dass der Portalbetreiber die Überprüfung für sich vornimmt und dem Bewerteten dann versichert, sie habe ein positives Ergebnis erbracht; ansonsten stünde der Betroffene, der geltend macht, nicht zu wissen, ob er überhaupt Kontakt zu dem Bewerter hatte, der Behauptung des Portalbetreibers, dies sei der Fall gewesen, wehrlos gegenüber.

Datenschutzrechtliche Argumente

Der Einwand des Portalbetreibers, dass eine Individualisierung aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht möglich sei, wurde vom Gericht abgelehnt. Das OLG Hamburg entschied, dass das Risiko, ob der Bewerter datenschutzrechtlich individualisiert werden darf, der Portalbetreiber tragen muss. Dieses Risiko gehört zu den typischen Geschäftsrisiken eines Bewertungsportals.

Man stärkt in dieser Entscheidung die Rechte der Bewerteten und stellt klar, dass Portalbetreiber verpflichtet sind, die Identität der Bewerter so offenzulegen, dass die Bewerteten das Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts überprüfen können.

Datenschutzrechtliche Bestimmungen können nicht als Schutz vor der Offenlegung solcher Informationen verwendet werden.


Fazit

Die Entscheidung des OLG Hamburg stärkt die Rechte der Bewerteten, indem sie sicherstellt, dass diese Bewertungen auf ihre Berechtigung hin überprüfen können. Gleichzeitig verdeutlicht sie die Pflichten der Portalbetreiber, auch im Hinblick auf Datenschutzregelungen, und zeigt auf, dass diese Regelungen nicht als Schutz vor der Offenlegung gerechtfertigter Informationen verwendet werden können. Dies hat nicht nur für Arbeitgeber-Bewertungsportale, sondern für alle Arten von Bewertungsportalen Bedeutung.

Auswirkungen: Betroffene Unternehmen sollten sich der Möglichkeit bewusst sein, gegen unberechtigte Bewertungen vorzugehen, insbesondere wenn die Identität des Bewerters nicht offengelegt wird. Portalbetreiber müssen sicherstellen, dass sie in der Lage sind, die Identität der Bewerter offenzulegen, um rechtliche Ansprüche zu vermeiden. Diese Entscheidung bietet eine wichtige Orientierung für den Umgang mit Bewertungen und den Schutz der Persönlichkeitsrechte von Unternehmen.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner