In einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (12 U 127/22) wurde die Problematik der Schwarzarbeit und deren rechtliche Konsequenzen umfassend thematisiert. Das Gericht setzte sich intensiv mit den Auswirkungen einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ auseinander, also einer Vereinbarung zwischen den Parteien, keine Rechnung für erbrachte Leistungen auszustellen und somit keine Umsatzsteuer abzuführen.
Sachverhalt
Im Kern des Falles stand ein Streit über Gartenbauarbeiten, bei denen der Unternehmer eine Schwarzgeldabrede verneinte, aber keinen Nachweis für die ordnungsgemäße Steuerabführung erbringen konnte. Dies führte zu einer gründlichen gerichtlichen Untersuchung, bei der zahlreiche Indizien die Existenz einer Schwarzarbeit nahelegten.
Rechtliche Analyse
Das OLG Hamm führte aus, dass gemäß § 134 BGB in Verbindung mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz ein Vertrag automatisch nichtig ist, wenn er zum Zweck der Umgehung von steuerlichen Pflichten geschlossen wird. Diese Regelung wurde angewandt, nachdem das Gericht überzeugt war, dass beide Parteien vorsätzlich gegen das Verbot der Schwarzarbeit verstoßen hatten, indem keine Umsatzsteuer für die vereinbarten Arbeiten abgeführt wurde.
Die rechtlichen Konsequenzen einer solchen Nichtigkeit sind weitreichend:
- Es besteht kein Anspruch auf Bezahlung der durchgeführten Arbeiten.
- Bereits geleistete Zahlungen können aufgrund der Mitwirkung an der illegalen Vereinbarung nicht zurückgefordert werden.
- Der Unternehmer kann keine Entschädigung für aufgewendete Materialien oder geleistete Arbeit fordern.
Wirkung des Parteienvortrags
Zivilgerichte sind an das, was Parteien vortragen, grundsätzlich gebunden. Das OLG geht auch darauf ein, warum das in so einem Fall nicht gilt:
Die Schaffung des Schwarzarbeitstatbestandes des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG führt dazu, dass die Verstöße gegen steuerrechtliche Pflichten bereits ohne Weiteres zur Nichtigkeit des gesamten zugrundeliegenden Werkvertrages führen; eine isolierte Prüfung nur der Ohne-Rechnung-Abrede erfolgt nicht (BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, juris Rn. 29). Die Nichtigkeit des Vertrages ist grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 4, Rn. 30a m.w.N.). Ein Verstoß gegen das SchwarzArbG muss nicht immer ausdrücklich vorgetragen werden (KG Berlin, Urteil vom 08.08.2017 – 21 U 34/15, juris Rn. 42). Eine Häufung von Indizien kann dazu Anlass geben, einen Verstoß gegen das Schwarzarbeitsverbot auch dann anzunehmen, wenn sich – wie hier – keine Partei auf eine solche Abrede beruft (OLG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2016 – 7 U 49/16, juris Rn. 9; OLG Brandenburg, Urteil vom 31.08.2023 – 10 U 207/22, juris Rn. 29 m.w.N.).
Vorliegend haben die Parteien jedoch übereinstimmend vorgetragen, sie hätten keine Ohne-Rechnung-Abrede getroffen, womit die Voraussetzungen einer Nichtigkeit gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht mehr vorlägen. Die Frage, ob ein Zivilgericht an eine solche unstreitige Behauptung gebunden ist, selbst wenn Indizien gegen ihre Richtigkeit sprechen, ist streitig.
Nach einer Auffassung ist ein Zivilgericht unter der Geltung des Beibringungsgrundsatzes an die Behauptung der Parteien gebunden (KG Berlin, Urteil vom 08.08.2017 – 21 U 34/15, juris Rn. 52; Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, a.a.O., Teil 4, Rn. 30a; Voit, NJW 2017, 3795; Eimler, NZBau 2018, 155; Rehbein, IBR 2017, 717; Selle, IBR 2022, 301). Die vom SchwarzArbG zu Recht erwünschte Sanktionierung von Schwarzarbeit erfordere es nicht, hier von den Grundsätzen des Zivilprozesses abzurücken. Denn das Zivilgericht sei verpflichtet, die Anhaltspunkte für den Verstoß gegen das SchwarzArbG den Steuerbehörden oder der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Eine zivilrechtliche Sanktionierung durch die Nichtigkeitsfolge gemäß § 134 BGB sei aber weder möglich noch erforderlich, wenn sich die hiervon ggf. profitierende Partei nicht darauf berufe. Denn auch im Geltungsbereich von § 134 BGB werde im Zivilprozess nicht die Amtsermittlung eingeführt, sondern bleibe es bei der Geltung des Beibringungsgrundsatzes (KG Berlin, a.a.O., Rn. 53).
Nach anderer Auffassung ist ein Zivilgericht trotz des übereinstimmenden gegenteiligen Vorbringens der Parteien, es sei keine Absprache zum Zweck der Steuerverkürzung getroffen worden, nicht an dermaßen „unstreitiges“ Vorbringen gebunden (OLG Oldenburg, Urteil vom 30.10.1996 – 2 U 151/96, juris Rn. 8 Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 138, Rn. 7). Es seien vornehmlich Ausnahmen zu machen für betrügerisches Zusammenwirken der Parteien und für das Geständnis solcher Tatsachen, die das Gericht als offenkundig unwahr erkenne (OLG Oldenburg, a.a.O. unter Berufung auf BGH, Urteil vom 24.05.1962 – VII ZR 46/61, juris). Die Parteien könnten nicht allein durch übereinstimmendes einfaches Leugnen einer Schwarzgeldabrede diese Überzeugungsbildung aufgrund von Anknüpfungstatsachen unterbinden, vielmehr müssten Umstände, Beweggründe und Herkunft der Gelder plausibel erklärt werden (LG Wuppertal, Urteil vom 04.04.2019 – 7 O 258/18, juris Rn. 43). Mit dem durch das Gesetz verfolgten Zweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit sei es unvereinbar, wenn die Parteien nichtige Verträge gleichwohl durchführen und vertragliche Streitigkeiten von den Gerichten entscheiden lassen könnten, wenn sie es nur verstünden, die Schwarzarbeit zu verheimlichen. Deshalb könne es in dem Fall, dass Indizien für Schwarzarbeit sprächen, nicht genügen, dass beide Parteien die Vereinbarung von Schwarzarbeit schlicht leugneten (LG Potsdam, Urteil vom 16.05.2023 – 6 O 341/21, juris Rn. 47).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Fazit und Auswirkungen
Diese Entscheidung verdeutlicht die strenge Haltung der deutschen Gerichte gegenüber der Schwarzarbeit. Sie betont, dass selbst wenn alle Parteien einer illegalen Vereinbarung zustimmen und dies so vor Gericht vortragen, dies nicht vor den rechtlichen Folgen schützt. Die Integrität des Rechtssystems und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften haben in der hiesgen Rechtsprechung insoweit oberste Priorität, um fairen Wettbewerb und die korrekte Abführung von Steuern zu gewährleisten.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Unternehmen und Einzelpersonen, die Verträge für Werkleistungen abschließen, peinlich genau auf die Einhaltung aller steuerlichen Pflichten achten müssen. Die Entscheidung des OLG Hamm dient als ernste Warnung, dass Unwissenheit oder die bewusste Ignoranz steuerlicher Vorschriften schwerwiegende finanzielle und rechtliche Folgen haben kann.
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