Immer noch ist es der Regelfall, dass Pakete gerne mal beim Nachbarn abgegeben werden. Frage: Wann beginnt eigentlich die Widerrufsfrist zu laufen, wenn das Paket ausgeliefert wird? Etwa schon, wenn es an den Nachbarn übergeben wird? Das AG Winsen (22 C 1812/11) hat die m.E. richtige Antwort gegeben – es kommt drauf an. Nämlich darauf, ob der Nachbar zum Empfang berechtigt war oder nicht.
- Bei einem Nachbarn, der ausdrücklich zum Empfang bevollmächtigt wurde vom Besteller, beginnt die Frist zu laufen.
- Bei jedem anderen Nachbarn, der einfach nur nett ist (oder es sein will), läuft die Frist nicht.
Die Entscheidung ist inhaltlich im Ergebnis richtig, die Begründung dagegen hat mich mehrmals befremdet. Der Richter zieht Analogien zur Zustellung, die m.E. fehl am Platze sind. Spätestens am Ende der Entscheidung, beim Satz
Der Unterzeichner hält über Regelungen des Fernabsatzgesetzes immer mal wieder Vorträge und bringt Beispiele, die nach traditionellem kaufmännischem Denken als Überforderung des Kaufmanns eingestuft werden könnten.
frage ich mich, worum es in der Entscheidung überhaupt noch geht. Meines Erachtens kann das hier getroffene Ergebnis kurzerhand damit begründet werden, dass die Widerrufsfrist richtlinienkonform zu sehen ist dahingehend, dass der Verbraucher die Möglichkeit haben soll, die bestellte Ware angemessen zu prüfen. Bei Übergabe an einen Nichtberechtigten Empfänger wird diese Möglichkeit ausgehebelt, was mit Blick auf den Verbraucherschutz, auch EU-Konform, zu verhindern ist.
Der Verkäufer hat insofern zu Recht darauf verwiesen, dass hier eine gewisse Unsicherheit herrscht, wann dann letztlich die Frist zu laufen beginnt, aber auch das bekommt man in den Griff. Zum einen fordert das AG hier korrekt notfalls, dass man halt als Verkäufer sicherstellen muss, dass nur an den Besteller ausgeliefert wird. Darüber hinaus ist der Verbraucher im Widerrufsfall Beweisbelastet hinsichtlich der Einhaltung der Widerrufsfrist, er wird also die Übergabe durch den Nachbarn zu einem für ihn günstigen Zeitpunkt beweisen müssen. Dabei sehe ich es als realistisch an, üblicherweise eine Übergabe innerhalb von 3-5 Tagen durch den Nachbarn anzunehmen, so dass eine Verzögerung von wenigen tagen leicht glaubhaft zu machen sein wird. Wer aber eine Übergabe erst nach 14 Tagen vorgibt, wird diesbezüglich beweisbelastet sein. Der Verkäufer wird am Ende nicht alleine da stehen.
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