Das OLG München (20 U 3236/22 e) hatte Gelegenheit, sich anlässlich der fristlosen Kündigung eines Software- und Lizenzabonnements zu den Pflichten eines Anbieters von Standardsoftware zu äußern.
Dabei betont das OLG, dass eine zeitlich begrenzte entgeltliche Überlassung von Standardsoftware als Mietvertrag zu beurteilen ist und verweist insoweit auf die Rechtsprechung des BGH. Dabei ging es um eine Software zur Verwaltung von Vermietungen im Hotel- und Gaststättengewerbe, die eklatante Mängel aufwies, die auch zur Kündigung berechtigten:
Aufgrund der bei der Beklagten im Vordergrund stehenden langfristigen Vermietungen stellt es einen wesentlichen Mangel der angebotenen Software dar, dass in der zur Verfügung gestellten Version kein Pauschalpreis für monatsweise Vermietung (unabhängig von der Länge des konkreten Monats) eingestellt werden kann. Diesen Punkt hatte die Beklagte bereits kurz nach Installation der Software und Eröffnung des Hotels… gerügt … Ob … eine entsprechende Anpassung der Software möglich wäre, kann offenbleiben, da auf die Rüge der Beklagten eine solche Anpassung nicht stattgefunden hat …
Weitere wesentliche Mängel liegen lt. Sachverständigengutachten darin, dass vor dem Check-In eines Gastes keine steuerlich anerkannte Rechnung (mit Mehrwertsteuer) erstellt werden kann, dass eine kalendarische Übersicht über die Buchungen lediglich wochenweise möglich ist, so dass bei typischerweise monatelangen Buchungen entsprechend viele Bildschirmseiten nacheinander aufgerufen werden müssen, und dass zwingend täglich ein Tagesabschluss durchzuführen ist, auch wenn es keine tagweisen Buchungen gab.
Es konnte aus Sicht des Gerichts offenbleiben, ob die Hotelbetreiberin als Auftraggeberin vor Vertragsschluss darauf hingewiesen hatte, dass sie ein Boardinghaus betreiben wolle, bei dem von der Software ein monatlicher Festpreis, steuerlich einwandfreie Vorabrechnungen sowie monatliche Kalenderübersichten erwartet werden. Hier wollte sich der Softwareanbieter damit verteidigen, dass er diese Anforderungen an die Softwarenutzung nicht kannte.
Aber: Sollte eine solche Aufklärung über die Erwartungen unterblieben sein, wäre dies der Softwareherstellerin zuzurechnen, wie das OLG ausführt. Denn als Fachmann hätte es ihr angesichts der von ihr selbst erkannten Unerfahrenheit der Hotelbetreiberin mit einem Reservierungsprogramm oblegen, zu klären, welcher Art der Betrieb der Beklagten ist und welche Anforderungen er an eine hierfür zu verwendende Reservierungssoftware stellt. Dies ist insoweit nicht neu, das OLG München zitiert hier das OLG Köln mit einer Entscheidung aus den 90er Jahren.
Fazit: Auch in Zeiten agiler Softwareentwicklung und neuer Modelle des Softwarevertriebs sollte man sich als Entwickler oder Vertriebler von Softwareprodukten vor Augen halten, dass erhebliche Beratungs- und Aufklärungspflichten bestehen können. Wenn hier nicht sorgfältig gearbeitet wird – und dazu gehört auch die Dokumentation der Beratung – kann dies am Ende teuer werden.
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