Presserecht: Kein Unterlassungsanspruch gegen Auskünfte der Staatsanwaltschaft zu laufenden Ermittlungsverfahren

Das Verwaltungsgericht Hamburg (17 E 4858/16) konnte sich zur Frage staatsanwaltschaftlicher Presseauskünfte äussern. Wie so häufig hatte sich die Presse an die Staatsanwaltschaft gewandt, um zu einem Ermittlungsverfahren Auskunft zu erhalten, die auch gegeben wurde. Ein Betroffener wollte sich dagegen wehren und insbesondere einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch durchsetzen – damit aber scheiterte er. Das Gericht sah eine objektiv richtige und persönlichkeitsrechtlich vertretbare Presseauskunft, die hinzunehmen war.

Dabei sind solche Entscheidungen in letzter Konsequenz vor allem Einzelfallentscheidungen, da es um eine Grundrechte-Abwägung geht, wobei ein gewichtiges Argument der Frage des Umfangs des öffentlichen Interesses zu kommt. Interessant dabei ist als weiterer Aspekt die Frage der Unschuldsvermutung. Diese führt dazu, dass aus Sicht des Gerichts – und wohl zu Recht – darauf verwiesen wird, dass diese nicht gegen Auskünfte per se steht, sondern im Einzelfall zu prüfen ist welches Gewicht den potentiellen Straftaten zukommt. Jedenfalls ist selbst eine namentliche Nennung für das Gericht denkbar.

Die Entscheidung darf nicht überbewertet werden, grundsätzlich kommt durchaus rechtlicher Schutz in Betracht, gleichwohl muss eine sorgfältige Abwägung und Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Die Erfahrung zeigt dabei, dass von der Presse wohl keine rechtsstaatliche Fairness zu erwarten ist – man fragt bei der Staatsanwaltschaft an und übernimmt dortige Presseverlautbarungen. Betroffene müssen sich daher selber darum bemühen, im Kampf um die Öffentlichkeit nicht vergessen zu werden und sich eine eigene Stimme verschaffen.

Auswirkung der Unschuldsvermutung im Presserecht

Die Unschuldsvermutung stellt eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips dar und ist in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich verbürgt. Sie schützt den Beschuldigten auch vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist, und verlangt den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor dem Verurteilten diese im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (BVerfG, Beschl. v. 3.9.2009, 2 BvR 2540/08, Rn. 4). Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Antragsteller jedoch gerade nicht als schuldig dargestellt, sondern im Gegenteil ausdrücklich auf den anfänglichen Stand der Ermittlungen hingewiesen. Ob die Unschuldsvermutung – wie dies Teile der Rechtsprechung annehmen (vgl. VG Saarlouis, Urt. v. 21. August 2008, 1 K 920/07, juris Rn. 25; OLG Hamm, Beschl. v. 31.1.2000, 2 Ws 282/99; juris Rn. 14 f.; OLG Hamm, Urt. v. 14.11.2014, 11 U 129/13 u.a., juris Rn. 36) – schon gegen jede Verdachtsberichterstattung mit Namensnennung spricht, kann dahinstehen, da auch diese Rechtsprechung eine Verdachtsberichterstattung mit Namensnennung als zulässig erachtet, wenn sie Fälle schwerer Kriminalität oder Straftaten von besonderem öffentlichen Interesse, insbesondere Geschehnisse oder Personen der Zeitgeschichte, betrifft.

Abwägung der Interessen

Schließlich verletzte die Auskunftserteilung kein überwiegendes schutzwürdiges privates Interesse (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 HmbPresseG).

Zwar berührte die Auskunft der Antraggegnerin über die Existenz von Strafanzeigen und eines Ermittlungsverfahrens den Schutzbereich des gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des – als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützten – Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Antragstellers. Diese Rechte sichern jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, der die Befugnis einschließt, selbst darüber zu entscheiden, ob und wann sowie innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., juris Rn. 146, 149; BVerfG, Beschl. v. 9.3.1988, 1 BvL 49/86, juris Rn. 26). Weiterhin betraf die Auskunft die gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers. Der Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit ist grundsätzlich auch dann berührt, wenn die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Grundrechtsträgers durch öffentliche Äußerungen staatlicher Stellen eingeschränkt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.10.1990, 3 C 2/88, juris Rn. 62). Die Auskunft der Antragsgegnerin beeinträchtigte diese Rechte, da mit ihr Informationen über ein den Antragsteller persönlich betreffendes Ermittlungsverfahren ohne bzw. gegen dessen Willen an am Ermittlungsverfahren nicht beteiligte Personen weitergegeben wurden und die weitergegebenen Informationen geeignet waren, das Vertrauen in die beruflichen Fähigkeiten des Antragstellers zu beschädigen und damit dessen Berufstätigkeit zu erschweren.

Indes überwogen die dargelegten Interessen des Antragstellers nicht das Interesse der Pressevertreter und der Öffentlichkeit an einer Auskunftserteilung.

Den Rechten und Interessen des Antragstellers stand insbesondere die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Pressefreiheit entgegen. Die Pressefreiheit umfasst das grundsätzliche Recht der Presse auf ungehinderten Zugang zu Informationen, da erst dieses die Presse in den Stand versetzt, die ihr in einer freiheitlichen Demokratie zukommenden Funktionen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.2.1979, 2 BvR 154/78, juris Rn. 32). Der Presse kommt neben einer Informations- auch eine Kontrollfunktion zu (BVerfG, Beschl. v. 25.6.2009, 1 BvR 134/03, juris Rn. 62). Im Rahmen der Prüfung eines Auskunftsverweigerungsgrundes gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 HmbPresseG ist zu berücksichtigen, dass weder die Persönlichkeitsrechte des von einer Berichterstattung Betroffenen noch die Pressefreiheit schrankenlos gewährleistet sind. Welche Interessen überwiegen, ist im Wege einer umfassenden Abwägung zu ermitteln, in deren Rahmen die widerstreitenden Rechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Entscheidend ist dabei, wie hoch das öffentliche Interesse an der begehrten Auskunft zu bewerten und wie stark der Eingriff in private Rechte durch die Offenlegung der begehrten Informationen im Einzelfall zu gewichten ist (vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 29.1.2014, Au 7 E 13.2018, Rn. 83, mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 28.8.2000, 1 BvR 1307/91, juris Rn. 25).

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner