Prozesskostensicherheit bei Schiedssprüchen

Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines inländischen oder ausländischen Schiedsspruchs sind die Vorschriften der §§ 110 ff. ZPO über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung entsprechend. Der Antragsteller in einem solchen Verfahren steht einem Kläger im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO gleich, wie der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden hat (BGH, I ZB 33/22).

Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen

Nach § 110 Abs. 1 ZPO haben Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, auf Antrag des Beklagten wegen der Kosten des Rechtsstreits Sicherheit zu leisten. Wer Kläger ist, bestimmt sich nach der Parteistellung im ersten Rechtszug; dies gilt auch für ein Rechtsmittelverfahren, in dem der Kläger Rechtsmittelgegner ist,

Der Antragsteller eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung eines (ausländischen) Schiedsspruchs steht nunmehr einem Kläger im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO gleich:

Das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schieds- spruchs (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit den Vor- schriften des New Yorker Übereinkommens der Vereinten Nationen über die An- erkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl. II 1961 S.121 – UNÜ) wird nach §1025 Abs. 4, §1062 Abs.1 Nr.4 Fall2 ZPO durch einen Antrag eingeleitet. Die Beteiligten stehen sich daher nicht als Kläger und Beklagter, sondern als Antragsteller und Antragsgegner gegenüber.

b) Der Antragsteller steht im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs aber einem Kläger im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO gleich, wobei der BGH frühere Rechtsprechung hier aufgegeben hat:

Die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung der §§ 110 ff. ZPO im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von inländischen oder ausländischen Schiedssprüchen liegen vor.

Es ist von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, weil § 1063 ZPO (für ausländische Schiedssprüche in Verbindung mit § 1025 Abs. 4 ZPO) nur einzelne Verfahrensbestimmungen enthält. Die allgemeinen Vorschriften über das erstinstanzliche Erkenntnisverfahren finden deshalb ergänzend Anwen- dung (vgl. OLG München, SchiedsVZ 2022, 183 [juris Rn. 25]; BeckOK.ZPO/ Wilske/Markert aaO § 1063 Rn. 1 mwN; Niedermaier, SchiedsVZ 2022, 187). Hierzu gehören auch die in den allgemeinen Vorschriften des ersten Buchs der Zivilprozessordnung enthaltenen Bestimmungen der §§ 110 ff. ZPO.

Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs sprechen Sinn und Zweck für die analoge Anwendung der §§ 110 ff. ZPO. Das Institut der Prozesskostensicherheit dient dem Ziel, die beklagte Partei vor Vollstreckungsschwierigkeiten im Ausland bei der Durchsetzung eines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes, BT-Drucks. 13/10871, S. 17). Die Interessenlage des Antragsgegners im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs ist insoweit mit der eines Beklagten im Klageverfahren vergleichbar. Die Leistung einer Prozesskostensicherheit ist in gleicher Weise wie in einem Klageverfahren geeignet, die Durchsetzung eines etwaigen Kostenerstattungsanspruchs des Antragsgegners gegen einen Antragsteller mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum zu sichern.

Besonderheiten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens stehen einer entsprechenden Anwendung nicht entgegen. Weder die Zivilprozessordnung noch das New Yorker Übereinkommen enthalten besondere Vorschriften zur Beschleunigung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.

BGH, I ZB 33/22

Keine Verpflichtung Leistung einer Prozesskostensicherheit bei Widerklagen

Die Privilegierung des Widerklägers gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Erhebung einer Widerklage durch einen vorangegangenen Angriff des Klägers veranlasst ist (vgl. BT-Drucks. 13/10871, S. 18):

Ein Kläger, der durch seine Klage gegen einen Schuldner, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, bereits gezeigt hat, dass er eine erschwerte Vollstreckung in Kauf nimmt, ist hinsichtlich seines möglichen Kostenerstattungsanspruchs wegen der Widerklage nicht in gleicher Weise schutzwürdig wie ein Beklagter, der ohne sein Zutun von einem Kläger ohne gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verklagt wird.

Der Umstand, dass die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO möglicherweise nicht von Beginn an vorgelegen haben, sondern erst im Laufe des Verfahrens eingetreten sind, ändert daran nichts!

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner