Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2024 (Az. 6 W 37/24) klargestellt, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig ist, wenn der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung verschweigt. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis der einstweiligen Verfügungen im Wettbewerbsrecht.
Sachverhalt
Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind Wettbewerber im Bereich der Bestattungsdienstleistungen. Die Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin abgemahnt und gefordert, die Verwendung des Firmenbestandteils „Nachname1“ zu unterlassen. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit rechtlichen Erwägungen ab. Daraufhin stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, ohne die vorgerichtliche Erwiderung der Antragsgegnerin vorzulegen. Das Landgericht Hanau und später das Landgericht Frankfurt wiesen den Antrag als unzulässig zurück, was das OLG Frankfurt bestätigte.
Rechtliche Analyse
Rechtsmissbräuchlichkeit des Eilantrags
Das OLG Frankfurt stützte seine Entscheidung auf die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO). Das bewusste Vorenthalten der Reaktion der Antragsgegnerin auf die Abmahnung stellt einen Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht dar. Ein solches Verhalten ist treuwidrig, da es das Gericht daran hindert, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren, das in der Regel einseitig geführt wird, ist es von besonderer Bedeutung, dass der Antragsteller alle relevanten Informationen offenlegt.
Konkret individuelle Darlegung
Das Gericht betonte die Notwendigkeit einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Darstellung aller relevanten Umstände. Dies umfasst auch die Vorlage der vorgerichtlichen Erwiderung des Antragsgegners. Nur so kann das Gericht beurteilen, ob eine Entscheidung ohne Anhörung des Antragsgegners gerechtfertigt ist. Die unvollständige Darstellung des Sachverhalts durch die Antragstellerin führte daher zur Abweisung des Eilantrags wegen Rechtsmissbrauchs.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht die Bedeutung der prozessualen Wahrheitspflicht und der vollständigen Offenlegung aller relevanten Informationen in einstweiligen Verfügungsverfahren. Ein Eilantrag, der auf unvollständigen oder irreführenden Angaben basiert, ist rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig. Diese Entscheidung soll sicherstellen, dass Gerichte in der Lage sind, auf der Grundlage vollständiger und korrekter Informationen sachgerechte Entscheidungen zu treffen.
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