Auch eine urheberrechtliche Abmahnung kann rechtsmissbräuchlich sein wie der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung mehrmals klargestellt hat. Dabei gilt, dass – dm Rechtsgedanken des §8 UWG folgend – eine urheberrechtliche Abmahnung insbesondere dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Verletzer einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen (BGH, I ZR 106/10 und I ZR 150/18).
Allerdings zeigt der BGH auch im Fall der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen urheberrechtlichen Abmahnungen klare Grenzen:
- Grundsätzlich nicht missbräuchlich ist die Vornahme gesonderter Abmahnungen gegenüber unterschiedlichen Adressaten wegen eigenständiger Rechtsverletzungen (BGH, I ZR 150/18)
- Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung führt im Urheberrecht nicht dazu, dass der Klageweg verwehrt bleibt. Vielmehr kann – anders als im Wettbewerbsrecht – auch nach einer rechtsmissbräuchlichen urheberrechtlichen Abmahnung weiterhin geklagt werden, etwa auf Unterlassung (BGH, I ZR 106/10).
Da es keine Regelungslücke im Urheberrecht gibt, kommt eine analoge Anwendung des §8 Abs.4 UWG nicht inBetracht – damit verbleibt es dabei, dass die Frage ob eine Rechtsverfolgung rechtsmissbräuchlich ist, sich im Urheberrecht nach dem allgemeinen Verbot unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB richtet.
Was hier so nüchtern von mir beschrieben ist, ist mitunter ein Paukenschlag: Ich erinnere mich noch gut, wie die für das Urheberrecht zuständige Kammer des Landgerichts Köln früher reagierte, wenn man in Massenverfahren einen Rechtsmissbrauch der Abmahnung im Urheberrecht thematisierte – das gab es schlichtweg nicht (was in dieser Absolutheit schon immer falsch war).
Gleichwohl muss gewarnt werden, Laien reagieren schnell überempfindlich wenn eine Vielzahl von Abmahnungen im Raum steht – das alleine ist halt noch kein Rechtsmissbrauch.
Jens Ferner
Fachanwalt für IT-RechtMit dem BGH gilt dann über den „Umweg“ des §242 BGB, dass die im Wettbewerbsrecht zur missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen entwickelten Rechtsgrundsätze, die ebenfalls auf dem Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung beruhen, unter Berücksichtigung der zwischen den beiden Rechtsgebieten bestehenden Unterschiede grundsätzlich auch für das Urheberrecht herangezogen werden können (zusammenfassend dazu BGH, I ZR 129/19):
Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein; vielmehr reicht es aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Missbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt. Ebenso stellt es ein Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen dar, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse dient, die Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten zu belasten. Das ist etwa der Fall, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ betreibt, allein um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu erzielen
Ausgehend von diesen Gedanken müssen sich zwingend im Urheberrecht eigene Indizien ergeben, die im konkreten Fall für einen Rechtsmissbrauch sprechen können. Dabei entwickelt der BGH insbesondere diese Aspekte:
- Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kann es im Einzelfall ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstellen, dass schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung nicht genutzt wurden, speziell wenn jeder einzelne Händler abgemahnt wird während man gegen die Zwischenhändler effektiver vorgehen könnte. Dabei ist nochmals daran zu erinnern, dass eine Aussprache gesonderter Abmahnungen gegenüber unterschiedlichen Adressaten wegen unterschiedlicher Rechtsverletzungen nicht grundsätzlich rechtsmissbräuchlich ist!
- Wenn der Rechteinhaber seine Ansprüche kurz nach der Abmahnung an seine Anwälte abtritt muss dies kritisch gewürdigt werden. Wenn dann die Anwälte nur noch die Anwaltsgebühren im eigenen Namen geltend machen, somit auf eigenes Risiko tätig sind, ist dies ein Indiz.
- Ebenso wenn eine größere Anzahl gleichlautender Abmahnungen am selben Tag ausgesprochen wird sowie
- ein vergleichbares Vorgehen in Parallelfällen vorgenommen wird
- Im gewerblichen Umfeld kann die singuläre Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Deutschland ein weiteres Indiz für ein Vorgehen sein, das überwiegend von der Erzielung von Vergütungsansprüchen der Anwälte motiviert ist. Die Verfolgung von Rechtsverletzungen nur auf dem deutschen Markt kann unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Streitfalls gegen ein überwiegendes, eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung ausschließendes Interesse an der Verteidigung seines Urheberrechts gegen rechtsverletzende Verwertungen sprechen (so erstmals ausdrücklich in BGH, I ZR 129/19).
Diese Umstände sprechen für den BGH dafür, dass die Anwälte das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ und in erster Linie betreiben, um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zu generieren.
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