Rechtsstreit zwischen Kfz-Zulieferer und Vor-Zulieferer über Schadensersatzansprüche und Vertragskündigung.

Das Oberlandesgericht Dresden (10 U 2496/21) hat in einem Gerichtsurteil zum Rechtsverhältnis zwischen einem Kfz-Zulieferer (Modullieferanten) und seinem Vor-Zulieferer (Komponentenlieferanten) entschieden, dass bei Fehlen einer ausdrücklichen Preisanpassungsklausel in der Langzeitlieferantenvereinbarung kein Anspruch des Vor-Zulieferers gegen den Kfz-Zulieferer auf Zahlung eines Ausgleichs für Amortisations- und Deckungslücken sowie erhöhte Anlauf- und Auslaufkosten besteht.

Eine ergänzende Vertragsauslegung oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage können diesen Anspruch ebenfalls nicht begründen. Denn: Die Preiskalkulation liegt allein im Risikobereich des Vor-Zulieferers. Zudem wurde festgestellt, dass die Beschaffung der Produktionsmittel allein in der Verantwortung des Vor-Zulieferers liegt, auch wenn der Kfz-Zulieferer möglicherweise Vorgaben für den Herstellungsprozess gemacht hat.

Aus dieser Entscheidung können mehrere wichtige Punkte für die anwaltliche Beratung von Zulieferern abgeleitet werden:

  1. Klare Vertragsformulierungen: Es ist wichtig, dass Zuliefererverträge klar und eindeutig formuliert sind, um mögliche Streitigkeiten und Auslegungsfragen zu vermeiden. Die Verträge sollten alle relevanten Bedingungen, wie Preisanpassungen, Mengenabweichungen und Kündigungsrechte, klar regeln.
  2. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zielsetzungen: Bei der Auslegung von Zuliefererverträgen sollten die wirtschaftlichen Zielsetzungen der Vertragsparteien im Produktionsnetzwerk berücksichtigt werden. Es ist wichtig, den Sinn und Zweck der Vereinbarungen zu verstehen und die Vertragsbedingungen in diesen Kontext einzubetten.
  3. Geschäftsbesorgungsverhältnis: Zuliefererverträge können als Geschäftsbesorgungsverhältnisse angesehen werden, bei denen der Zulieferer die Interessen des Auftraggebers in weisungsgebundener Form wahren muss. Es ist wichtig, die Pflichten und Verantwortlichkeiten der Parteien klar zu definieren und sicherzustellen, dass der Zulieferer die Interessen des Auftraggebers angemessen berücksichtigt.
  4. Treuepflicht und faire Verhandlungen: Zulieferer haben eine Treuepflicht gegenüber ihren Geschäftspartnern und sollten faire Verhandlungen führen. Es ist wichtig, dass Vertragsbedingungen nicht einseitig zulasten des Zulieferers festgelegt werden und dass mögliche Preis- oder Vertragsanpassungen fair und angemessen sind.
  5. Überprüfung der rechtlichen Qualifizierung: Die rechtliche Qualifizierung von Zuliefererverträgen, insbesondere auf den nachgeordneten Ebenen, sollte überprüft und gegebenenfalls neu ausgerichtet werden. Es ist wichtig, die spezifischen Merkmale und Besonderheiten von Zuliefererverträgen zu berücksichtigen und diese angemessen zu bewerten.
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner