Das OLG Hamm (11 W 62/22) hat sich zur Frage des Rechtswegs für den Fall geäußert, dass bei einer Klage vor dem Landgericht als Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO auch ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommt:
Die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten ergibt sich für den Klageantrag zu 9.) aus Art. 34 S. 3 GG i.V.m. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO um einen, wie das Hessische Landsozialgericht (Beschluss vom 26.01.2022, L 6 SF7/21 DS – Rz. 22 juris) meint, Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung im Sinne von Art. 34 S. 3 GG handelt.
Wie das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 29.08.2022 zutreffend ausgeführt hat, kommt auf der Grundlage des Klagevortrages für den mit dem Klageantrag zu 9.) geltend gemachten Schadensersatzanspruch als konkurrierende Anspruchsgrundlage auch ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG zumindest in Betracht. Mit seinem Schriftsatz vom 02.05.2022 hat der Kläger die von der Beklagten mit der Klageerwiderung vorgetragenen (Entschuldigungs-)Gründe, weshalb sie das vorprozessuale Auskunftsbegehren nicht schon innerhalb der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 DSGVO erfüllt hat, zurückgewiesen und dabei u.a. ausdrücklich mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte wegen krankheitsbedingtem Ausfall von Mitarbeitern und des pandemiebedingten Arbeitens von Mitarbeitern im Home-Office zu einer zeitnahen Erteilung der von ihm begehrten Auskünfte nicht in der Lage gewesen sei. Weiter hat der Kläger vorgetragen, dass er tatsächlich davon ausgehe, dass die Beklagte den von ihm geltend gemachten Anspruch einfach ignoriert habe. Sollte dies zutreffend sein, wäre hierin zweifelsohne eine schuldhafte Verletzung der der Beklagten nach der DSGVO gegenüber dem Kläger obliegenden Amtspflichten zu sehen.
Die Entscheidung über den damit für den Zahlungsantrag zu 9.) ebenfalls in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG ist, wie sich auch aus § 17 Abs. 2 S. 2 GVG ergibt, gemäß Art. 34 S. 3 GG allein den ordentlichen Gerichten vorbehalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.03.21993, 7 B 5/93 – Rz. 3 juris). Wegen ihm kann nicht durch einfache gesetzliche Regelung die Zuständigkeit einer Sondergerichtsbarkeit begründet werden (Lückemann in: Zöller, ZPO 34. Auflage, § 17 GVG Rn. 9 m.w.Nw.).
Entsprechend wird die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für den Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG vorliegend auch nicht durch den für das Schadensersatzverlangen ebenfalls in Betracht kommenden, konkurrierenden Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO beseitigt. Vielmehr führt die sachliche Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Landgerichts Essen für den in Betracht kommenden Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG vorliegend dazu, dass vom Landgericht Essen gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 GVG auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO zu prüfen sein wird. Denn nach § 17 Abs. 2 S. 1 GVG hat das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. § 17 Abs. 2 GVG räumt damit dem Gericht des zulässig eröffneten Rechtswegs eine umfassende, auch rechtswegüberschreitende Sachkompetenz ein. Kommen danach – wie hier – für einen einheitlichen Streitgegenstand im Sinne eines prozessualen Anspruchs mehrere Anspruchsgrundlagen in Betracht, so hat das Gericht des zulässigen Rechtsweg den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, sofern der zu ihm beschrittene Rechtsweg für einen Klagegrund zulässig ist (Lückemann, a.a.O., § 17 GVG Rn. 4 und 5).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.06.2022 (II B 92/21), insbesondere dessen Ausführungen unter lit. II. 2. b) cc) der Entscheidungsgründe. Soweit der Bundesfinanzhof dort ausführt, dass der Schadensersatzanspruch nach der DSGVO in Anspruchskonkurrenz neben einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG treten könne, dies aber nicht bedeute, dass die Rechtswegzuweisung sich auf den jeweils konkurrierenden Anspruch erstrecke, sondern vielmehr nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG eine Rechtswegspaltung eintrete (BFH, a.a.O. – Rz. 19 f. juris), ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass in dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zugrunde liegenden Fall der dortige Kläger den Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO vor dem Finanzgericht geltend gemacht hatte. Damit musste es in dem dortigen Fall schon deshalb zu einer Rechtswegspaltung kommen, weil die Vorschrift des § 17 Abs. 2 S. 1 GVG gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 GVG auf den Amtshaftungsanspruch nicht anwendbar ist und deshalb das vom dortigen Kläger angerufene Finanzgericht zu einer Prüfung auch des Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht befugt war.
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