Reichweite eines auf die konkrete Verletzungsform beschränkten gerichtlichen Unterlassungsgebots

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Mai 2024 (Aktenzeichen: VI ZR 307/22) befasst sich mit der Reichweite eines auf die konkrete Verletzungsform beschränkten gerichtlichen Unterlassungsgebots hinsichtlich einer Bildveröffentlichung. Der BGH klärt, unter welchen Umständen ein erneutes Veröffentlichungsverbot greift und wie der Kontext der begleitenden Wortberichterstattung dabei zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt

Der Kläger, Sohn des bekannten Tennisspielers B., klagte gegen die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Bildnisses und auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten. Die Beklagte hatte in der Zeitschrift „FREIZEIT REVUE“ einen Artikel veröffentlicht, der den Kläger und seine Brüder abbildete.

Zuvor hatte das Landgericht im Wege der einstweiligen Verfügung der Beklagten die erneute Verbreitung des Bildes verboten, wenn dies in der Zeitschrift „FREIZEIT SPASS“ vom 13. November 2019 geschah. Die Beklagte hatte die Verfügung im Wege einer Abschlusserklärung anerkannt. Dennoch veröffentlichte sie dasselbe Bild in der „FREIZEIT REVUE“, was zu der vorliegenden Klage führte.

Rechtliche Analyse

Konkrete Verletzungsform und Reichweite des Unterlassungsgebots

Der BGH stellte klar, dass das Unterlassungsgebot in der einstweiligen Verfügung auf die konkrete Verletzungsform beschränkt war, wie sie in der „FREIZEIT S.“ vom 13. November 2019 erfolgte. Dies bedeutet, dass die erneute Veröffentlichung des Bildes in einem anderen Kontext, wie in der „FREIZEIT R.“, nicht automatisch unter das ursprüngliche Verbot fällt.

Unterschiedliche Berichtsgegenstände

Das Berufungsgericht hatte festgestellt, dass der Artikel in der „FREIZEIT R.“ inhaltlich über den Bericht in der „FREIZEIT S.“ hinausging, indem er die Auswirkungen der Vorkommnisse auf die Mutter von B. und deren Sorgen und Ängste thematisierte. Diese zusätzlichen Inhalte rechtfertigten eine erneute materielle Prüfung der Zulässigkeit der Bildveröffentlichung, da die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten neu vorgenommen werden musste:

Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an
dem Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf.

Eine solche Interessenabwägung kann jedoch weder in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offenbleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden, noch in Bezug auf bereits veröffentlichte Bilder, deren Veröffentlichung sich in einem anderen Kontext als der zu beanstandenden Berichterstattung als zulässig erweisen könnte. Für die Zulässigkeit der Verbreitung von Bildnissen kann die Wortberichterstattung, zu der sie veröffentlicht werden, eine bedeutende Rolle spielen. Soweit ein Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist sein Informationswert im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln (…)

Abwägung der Interessen

Der BGH betonte, dass die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung immer im Kontext der begleitenden Wortberichterstattung zu beurteilen ist. Die Wortberichterstattung kann eine bedeutende Rolle für die Beurteilung des Informationswertes eines Bildes spielen. Daher muss bei einer erneuten Veröffentlichung, die sich in einem anderen Kontext als der ursprünglichen Berichterstattung befindet, eine erneute Abwägung erfolgen, um die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung zu beurteilen.


Fazit

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot nicht automatisch jede erneute Veröffentlichung eines Bildes verbietet, wenn die begleitende Wortberichterstattung sich erheblich unterscheidet. Die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung muss in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des neuen Kontexts und der damit verbundenen Wortberichterstattung neu geprüft werden. Diese Entscheidung stärkt die differenzierte Betrachtung und Abwägung der Rechte von Betroffenen und der Pressefreiheit.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner