Das Thema Whistleblowing und der Schutz von Hinweisgebern ist in der Arbeitswelt derzeit von zentraler Bedeutung. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Arbeitsgerichts Hamm (2 Ca 1229/23) wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen Herausforderungen und Grenzen des Schutzes von Hinweisgebern. Dieser Fall zeigt deutlich auf, warum und unter welchen Umständen ein Schadenersatzanspruch nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) scheitern kann.
Hintergrund des Falles
Der Kläger, ein langjährig beschäftigter Krankenpfleger, hatte im Rahmen von Personalgesprächen auf Missstände im Klinikum hingewiesen. Nach seinen Angaben wurde ihm daraufhin die Verlängerung seines befristeten Arbeitsvertrages verweigert. Er behauptete, dass diese Entscheidung eine Repressalie für seine Hinweise sei, und forderte Schadenersatz in Höhe von 44.572,34 € gemäß §§ 36, 37 HinSchG.
Kernproblematik des Schadenersatzanspruchs
Der zentrale Punkt des Urteils lag in der Frage, ob der Kläger als „hinweisgebende Person“ im Sinne des HinSchG anzusehen war. Das Gericht stellte klar, dass das HinSchG strikte Voraussetzungen für den Schutz von Hinweisgebern setzt, insbesondere die Notwendigkeit der Meldung über etablierte interne oder externe Meldestellen gemäß §§ 17, 28 HinSchG.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger jedoch lediglich im Rahmen eines Personalgesprächs auf die Missstände hingewiesen, ohne formelle Meldekanäle zu nutzen. Dadurch wurde er nicht als „hinweisgebende Person“ im Sinne des Gesetzes anerkannt, was seinen Anspruch auf Schadenersatz ausschloss.
Das Gericht legt in seinem Urteil großen Wert auf die Nutzung interner oder externer Meldestellen als wesentliches Kriterium für den Schutz und die Anerkennung von Personen unter dem Hinweisgeberschutzgesetz. Es wurde betont, dass das Gesetz die Nutzung spezifisch eingerichteter Meldestellen vorsieht, um als „hinweisgebende Person“ anerkannt zu werden. Diese Regelung zielt darauf ab, einen strukturierten und sicheren Rahmen für die Meldung von Missständen zu schaffen, der den Schutz der Hinweisgeber gewährleistet:
Zwar sind gem. § 36 Absatz 1 Satz 1 HinSchG Repressalien gegen hinweisgebende 98 Personen verboten. Gem. § 36 Absatz 2 HinSchG wird auch vermutet, dass die erlittene Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung (§ 32 HinSchG) der hinweisgebenden Person ist.
Der Kläger ist aber keine „hinweisgebende Person“ im Sinne dieser Vorschrift und genießt somit auch nicht den Schutz der §§ 36, 37 HinSchG. Dies ergibt sich aus Sicht der Kammer bereits aus § 33 Absatz 1 Nr. 1 HinSchG, wonach die Vorschriften der §§ 35 bis 37 HinSchG nur auf hinweisgebende Personen anwendbar sind, die intern gemäß § 17 HinSchG oder extern gem. §28 HinSchG Meldung erstattet haben.
Dies ergibt sich aber auch aus § 1 Absatz 1 HinSchG, wonach natürliche Personen geschützt werden, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Gesetz vorgesehen Meldestellen gemeldet oder offengelegt haben.
Der Kläger hat weder die -damals noch nicht bestehende- interne Meldestelle des Beklagten (§ 17 HinSchG) informiert noch externe Meldestellen i.S.v. §§ 19 ff., 28 HinSchG. Dass der Beklagte nach Inkrafttreten des HinSchG noch keine interne Meldestelle eingerichtet hat und auch noch nicht musste (vgl. § 40 Absatz 2 Nr. 2 HinSchG i.V.m. § 42 Absatz 2 HinSchG), führt nach Ansicht der Kammer nicht dazu, den Anwendungsbereich des HinSchG -gegen den Gesetzeswortlaut- dahingehend zu erweitern, dass dieses auch gilt für Beschwerden bzw. Hinweise im Rahmen von Personalgesprächen.
Das Gericht erklärte damit, dass durch die formellen Anforderungen, wie die Notwendigkeit, Meldungen über etablierte Kanäle zu tätigen, ein höheres Maß an Sicherheit für die Hinweisgeber geschaffen wird. Dies soll verhindern, dass Mitarbeiter spontan und ohne ausreichende Überlegung handeln, was insbesondere in alltäglichen Kommunikationssituationen, wie z. B. während Personalgesprächen, auftreten könnte. Durch die Nutzung offizieller Kanäle wird eine fundierte und durchdachte Meldung gefördert, die dann entsprechend dem gesetzlichen Schutz unterliegt.
Die rechtliche Würdigung
Das Gericht betonte, dass die gesetzlichen Vorschriften des HinSchG darauf abzielen, sowohl die betroffenen Mitarbeiter als auch die hinweisgebenden Personen zu schützen. Die formalen Anforderungen, wie das Erfordernis der Nutzung bestimmter Meldekanäle, dienen dem Eigenschutz der Hinweisgeber und sollen unbedachte oder spontane Meldungen verhindern, die etwa im Rahmen alltäglicher Kommunikation wie Personalgesprächen entstehen könnten.
Fazit und Ausblick
Dieses Urteil verdeutlicht, dass der Schutz und die Rechte von Hinweisgebern an bestimmte formale Kriterien gebunden sind. Es zeigt, dass nicht jede Art von Meldung über Missstände automatisch unter das Hinweisgeberschutzgesetz fällt und damit nicht jeder Hinweisgeber mit Schadenersatzansprüchen rechnen kann.
Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie sich im Falle von Hinweisen auf Missstände genau über die richtigen Kanäle und Prozesse informieren müssen, um ihren Schutz sicherzustellen. Das Urteil ist zugleich ein wichtiger Hinweis für Arbeitgeber, entsprechende interne Meldestellen einzurichten und die Mitarbeiter über diese zu informieren, um den Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes gerecht zu werden.
So stärkt das Urteil das Verständnis dafür, dass der rechtlich gesicherte Rahmen für Whistleblowing sowohl der effektiven Aufdeckung von Missständen als auch dem Schutz der Hinweisgeber dient; zu Recht, denn das Hinweisgeberschutzgesetz sieht gerade einen klaren und sicheren Prozess für die Meldung von Missständen vor, um sowohl die Integrität des Meldungsprozesses als auch den Schutz der meldenden Person zu gewährleisten. Das würde mit solchen Sachverhalten unterlaufen werden.
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