Das sofortige Anerkenntnis ist eine wichtige Reaktionsmöglichkeit bei einer berechtigten Klage: Nach § 93 ZPO sind dem Kläger die Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt.
Schriftliches Vorverfahren?
Wenn das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnet, muss das Anerkenntnis nicht schon in der Verteidigungsanzeige erklärt werden. Es kann vielmehr, jedenfalls wenn die Verteidigungsanzeige weder einen Sachantrag ankündigt noch das Klagevorbringen bestreitet, noch in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung erklärt werden.
Sofortiges Anerkenntnis ist nicht sofortige Zahlung
Ein sofortiges Anerkenntnis erfordert bei einer Geldschuld nicht die rechtzeitige Erfüllung der Forderung:
Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die fehlende Erfüllung einer Geldschuld nicht daran hindert, ein Anerkenntnis als „sofort“ im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 01.04.2022 – 9 W 12/22, BeckRS 2022, 12990 Rn. 18 f. mwN; OLG Hamburg Beschl. v. 25.03.2008 – 11 W 61/06, BeckRS 2009, 8978 mwN; a.A. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 93 Rn. 6.22).
Hier hat der Beklagte in der Bestellungsanzeige „gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO“ zwar nicht ausdrücklich einen Klageabweisungsantrag angekündigt, aber sich „etwaige Sachantrage und deren Begründung“ vorbehalten. Ob dies bereits einer Kostenentscheidung nach § 93 ZPO entgegensteht, kann hier jedoch offen bleiben, denn die weitere Voraussetzung einer fehlenden Klageveranlassung ist jedenfalls nicht erfüllt.
Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 W 15/22
Veranlassung zur Klageerhebung?
Eine Partei gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Dieser Schluss ist durchaus gerechtfertigt, wenn der Beklagte eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt:
Ein in Verzug gesetzter Schuldner hat grundsätzlich Veranlassung zur Klage gegeben (OLG Bremen, Beschl. v. 24.11.2021 – 5 W 37/21, juris Rn. 6; OLG Köln, Beschl. v. 07.05.2018 – 24 W 1/18, BeckRS 2018, 8675 Rn. 7; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.05.2018 – 4 W 9/18, NJW-RR 2018, 1043 Rn. 10; BeckOK ZPO/Jaspersen, 44. Ed. 1.3.2022, ZPO § 93 Rn. 28; Zöller/Herget, a.a.O. Rn. 6.54; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 93 Rn. 2).
Dabei kann…auch dem Umstand indizielle Bedeutung zukommen, dass der Beklagte die Forderung nach dem Anerkenntnis nicht zeitnah erfüllt hat, weil dadurch die fortdauernde mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft zur Erfüllung belegt wird (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, a.a.O. Rn. 113; Musielak/Voit/Flockenhaus, a.a.O.; MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 93 Rn. 7; Prütting/Gehrlein/N. Schneider, ZPO, 13. Aufl. 2021, § 93 Rn. 4).
Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 W 15/22
Auch das Oberlandesgericht Köln (10 W 19/18) hatte bereits entschieden, dass wenn sich der Beklagte im Zahlungsverzug bedient, dieser grundsätzlich Veranlassung zur Klage gegeben im Sinne der ZPO gegeben hat, sodass ein sofortiges Anerkenntnis nicht mehr in Betracht kommt:
Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Urt. v. 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, NJW 1979, 2040; BGH, Beschl. v. 03.03.2004 – IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999; BGH, Beschl. v. 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005 (1006)). Wer schon im Zahlungsverzug ist, hat bereits Anlass zur Klageerhebung gegeben, so dass die Kostenfolge des § 93 ZPO nicht mehr in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 10.02.2011 – VII ZR 53/10, WM 2011, 541).
Oberlandesgericht Köln, 10 W 19/18
Gesamtwertung ist Ausschlaggebend
Die Frage, ob der Beklagte durch sein vorgerichtliches Verhalten aus Sicht des Klägers Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, ist das Ergebnis wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles! So vermag der erfolglose Ablauf einer gesetzten Frist im Einzelfall nicht die Annahme einer Klageveranlassung zu rechtfertigen, wenn etwa der Beklagte redlicherweise davon ausgehen durfte, dass eine von ihm erbetene Fristverlängerung stillschweigend gewährt wurde (OLG Hamburg, 10 W 4/10). Auch kommt es bei der Frage der Veranlassung zur Klageerhebung auf Verschulden nicht an.
Der Umstand, dass ein Schuldner eine Forderung mangels Zahlungsfähigkeit nicht erfüllen kann, führt zudem nicht unmittelbar zur Klageveranlassung. Denn bei der Frage, ob ein Schuldner Anlass zur Klage gegeben hat, geht es nur um das Interesse des Gläubigers an der Erlangung eines vollstreckbaren Schuldtitels und nicht um das davon zu unterscheidende Interesse an der Erfüllung seiner Forderung. Ein Titulierungsinteresse des Klägers besteht aber auch – und insbesondere – bei einem leistungsunfähigen Schuldner, wenn bereits die Verzugsvoraussetzungen vorliegen (Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 W 15/22).
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