Software als Medizinprodukt

Einstufung von Software als Medizinprodukt: In der Entscheidung des LG Hamburg (416 HKO 64/23) ging es hauptsächlich um die Klassifizierung und Zertifizierung der dort betroffenen Software als Medizinprodukt nach der Medical Device Regulation (MDR). Dabei geht es speziell um die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen für Medizinprodukte, die zur Diagnose und Therapie genutzt werden.

Medical Device Regulation (MDR – Medizinprodukteverordnung)

Die Medical Device Regulation (MDR), offiziell als Verordnung (EU) 2017/745 bekannt, ist eine EU-Verordnung, die die Anforderungen an das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Medizinprodukten innerhalb der Europäischen Union regelt. Diese Verordnung trat im Mai 2017 in Kraft und ersetzte die vorherigen Richtlinien für Medizinprodukte (93/42/EWG) und für aktive implantierbare medizinische Geräte (90/385/EWG).

Hier ist dann die Frage zu stellen, ob eine Software von der MDR erfasst sein kann, was im Ergebnis zu bejahen sein wird: Die MDR zielt darauf ab, ein hohes Sicherheits- und Gesundheitsschutzniveau für Patienten in der EU zu gewährleisten und das Vertrauen in die regulatorischen Rahmenbedingungen für Medizinprodukte zu stärken. Software, die hiervon erfasst ist, hat dann die entsprechenden Kriterien zu erfüllen! Zu den wichtigsten Aspekten der MDR gehören:

  1. Strengere klinische Anforderungen für die Zulassung von Medizinprodukten, um deren Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten.
  2. Verbesserte Transparenz durch das Europäische Datenbanksystem für Medizinprodukte (EUDAMED), das umfassende Informationen über Produkte und zugehörige klinische Prüfungen bereitstellt.
  3. Erweiterte Pflichten für Hersteller, einschließlich strengerer Kontrollen und Überwachung nach dem Inverkehrbringen.
  4. Einführung eines umfassenden Systems für die Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten, um schnelle und effektive Reaktionen auf Sicherheitsprobleme zu ermöglichen.
  5. Neue Klassifizierungsregeln für Medizinprodukte basierend auf ihrem Risiko und ihrer Anwendung.

Die MDR verfolgt das Ziel, die Regelungen für Medizinprodukte zu vereinheitlichen und die Patientensicherheit zu erhöhen, während sie gleichzeitig Innovation und den Zugang zu neuen medizinischen Technologien in der EU unterstützt.


Was sagt das Landgericht Hamburg nun zur Software als Medizinprodukt

1. Klassifizierung als Medizinprodukt:

  • Die Kernfrage war, ob die Software gemäß MDR als Medizinprodukt klassifiziert werden sollte. Dabei spielt die Zweckbestimmung der Software eine entscheidende Rolle, d.h. ob sie Informationen liefert, die zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken herangezogen werden.
  • Die Verfügungsbeklagte argumentierte, dass die Software lediglich Informationen vom Patienten zum Arzt übermittelt und keine eigenen diagnostischen oder therapeutischen Entscheidungen trifft oder Informationen generiert. Sie sei daher eher ein Kommunikationsmedium als ein Medizinprodukt.

2. Anforderungen der MDR:

  • Medizinprodukte, die in die Klassen IIa, IIb und III eingestuft sind, erfordern eine strengere Überwachung und ein Konformitätsbewertungsverfahren durch eine Benannte Stelle. Dies ist insbesondere relevant, wenn die Software als Klasse IIa oder höher eingestuft würde, was bedeutet, dass sie aktiv zur medizinischen Entscheidungsfindung beiträgt.

3. Konformitätsbewertungsverfahren:

  • Ein zentraler Streitpunkt war, ob für die Software ein solches Verfahren erforderlich ist. Die Verfügungsklägerin behauptete, dass die Software der Verfügungsbeklagten nicht den Vorschriften der MDR entspricht, da sie keine entsprechende Zertifizierung aufweist.

4. Rechtliche Konsequenzen einer Fehlklassifizierung:

  • Die rechtlichen Risiken einer Fehlklassifizierung beinhalten mögliche Gesundheitsgefahren für Patienten durch fehlerhafte Diagnosen oder Therapieempfehlungen, die durch die Software unterstützt werden könnten. Dies ist besonders kritisch, da telemedizinische Anwendungen häufig ohne direkten Arztkontakt funktionieren und eine genaue Diagnose erschweren können.

Fazit

Das Gericht entschied, dass die Software der Verfügungsbeklagten nicht als Medizinprodukt klassifiziert wird, da sie primär als Kommunikationsmittel dient und keine medizinischen Entscheidungen trifft oder beeinflusst. Diese Entscheidung hebt die Bedeutung der präzisen Definition der Zweckbestimmung und der funktionalen Kapazitäten einer Software in der medizinrechtlichen Klassifizierung hervor – und die Gefahr, wenn man hier schludert.

Zugleich werden die Herausforderungen deutlich, die mit der Regulierung von Softwareprodukten in der Gesundheitsbranche verbunden sind, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit und Wirksamkeit in der Telemedizin.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner