Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat am 25. April 2024 (Aktenzeichen: 20 UKI 1/24) ein Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil gefällt, welches wichtige Fragen zur Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in Telekommunikationsverträgen mit Verbrauchern behandelt. Diese Entscheidung klärt insbesondere, welche Anforderungen an die Einbeziehung von AGB in Verträge gestellt werden und wie Informationspflichten korrekt erfüllt werden müssen.
„Anforderungen an die Einbeziehung von AGB in Verträge“ weiterlesenNeue Tatsachen in der Revisionsinstanz?
Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ergibt. Neue Tatsachen sind im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dies zeigt schon die Zäsur des § 767 Abs. 2 ZPO (vgl. dazu Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/13948 S. 35).
„Neue Tatsachen in der Revisionsinstanz?“ weiterlesenFormfreiheit bei Unterlassungserklärung eines Kaufmanns
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass eine Unterlassungsverpflichtungserklärung, die ein Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgibt, formfrei ist (§ 343 Abs. 1, § 350 HGB):
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung keinem gesetzlichen Formzwang im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB unterliegt. Zwar ist die Vereinbarung, auf die die Unterlassungsverpflichtungserklärung abzielt, ein abstraktes Schuldanerkenntnis (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1995 – I ZR 176/93, BGHZ 130, 288 [juris Rn. 17] – Kurze Verjährungsfrist; Urteil vom 5. März 1998 – I ZR 202/95, GRUR 1998, 953 [juris Rn. 24] = WRP 1998, 743 – Altunterwerfung III), so dass sie grundsätzlich dem Schriftformerfordernis unterliegt (§ 780 Satz 1, § 781 Satz 1 BGB, vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 144). Das Schriftformerfordernis besteht allerdings gemäß § 343 Abs. 1, § 350 HGB nicht, wenn die Unterlassungsverpflichtungserklärung – wie im Streitfall – von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegeben wird (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 13 Rn. 145).
BGH, I ZR 49/22
Die Ernsthaftigkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung fehlt im Regelfall nicht, wenn der Unterlassungsschuldner der Aufforderung des Unterlassungsgläubigers, innerhalb der gesetzten Frist eine unterzeichnete Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, nicht nachkommt, sondern stattdessen fristgerecht eine unterzeichnete Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersendet.
Sofortiges Anerkenntnis: Veranlassung zur Klage bei Zahlungsverzug
Das sofortige Anerkenntnis ist eine wichtige Reaktionsmöglichkeit bei einer berechtigten Klage: Nach § 93 ZPO sind dem Kläger die Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt.
Schriftliches Vorverfahren?
Wenn das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnet, muss das Anerkenntnis nicht schon in der Verteidigungsanzeige erklärt werden. Es kann vielmehr, jedenfalls wenn die Verteidigungsanzeige weder einen Sachantrag ankündigt noch das Klagevorbringen bestreitet, noch in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung erklärt werden.
Sofortiges Anerkenntnis ist nicht sofortige Zahlung
Ein sofortiges Anerkenntnis erfordert bei einer Geldschuld nicht die rechtzeitige Erfüllung der Forderung:
Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die fehlende Erfüllung einer Geldschuld nicht daran hindert, ein Anerkenntnis als „sofort“ im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 01.04.2022 – 9 W 12/22, BeckRS 2022, 12990 Rn. 18 f. mwN; OLG Hamburg Beschl. v. 25.03.2008 – 11 W 61/06, BeckRS 2009, 8978 mwN; a.A. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 93 Rn. 6.22).
Hier hat der Beklagte in der Bestellungsanzeige „gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO“ zwar nicht ausdrücklich einen Klageabweisungsantrag angekündigt, aber sich „etwaige Sachantrage und deren Begründung“ vorbehalten. Ob dies bereits einer Kostenentscheidung nach § 93 ZPO entgegensteht, kann hier jedoch offen bleiben, denn die weitere Voraussetzung einer fehlenden Klageveranlassung ist jedenfalls nicht erfüllt.
Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 W 15/22
Veranlassung zur Klageerhebung?
Eine Partei gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Dieser Schluss ist durchaus gerechtfertigt, wenn der Beklagte eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt:
Ein in Verzug gesetzter Schuldner hat grundsätzlich Veranlassung zur Klage gegeben (OLG Bremen, Beschl. v. 24.11.2021 – 5 W 37/21, juris Rn. 6; OLG Köln, Beschl. v. 07.05.2018 – 24 W 1/18, BeckRS 2018, 8675 Rn. 7; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.05.2018 – 4 W 9/18, NJW-RR 2018, 1043 Rn. 10; BeckOK ZPO/Jaspersen, 44. Ed. 1.3.2022, ZPO § 93 Rn. 28; Zöller/Herget, a.a.O. Rn. 6.54; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 93 Rn. 2).
Dabei kann…auch dem Umstand indizielle Bedeutung zukommen, dass der Beklagte die Forderung nach dem Anerkenntnis nicht zeitnah erfüllt hat, weil dadurch die fortdauernde mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft zur Erfüllung belegt wird (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, a.a.O. Rn. 113; Musielak/Voit/Flockenhaus, a.a.O.; MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 93 Rn. 7; Prütting/Gehrlein/N. Schneider, ZPO, 13. Aufl. 2021, § 93 Rn. 4).
Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 W 15/22
Auch das Oberlandesgericht Köln (10 W 19/18) hatte bereits entschieden, dass wenn sich der Beklagte im Zahlungsverzug bedient, dieser grundsätzlich Veranlassung zur Klage gegeben im Sinne der ZPO gegeben hat, sodass ein sofortiges Anerkenntnis nicht mehr in Betracht kommt:
Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Urt. v. 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, NJW 1979, 2040; BGH, Beschl. v. 03.03.2004 – IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999; BGH, Beschl. v. 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005 (1006)). Wer schon im Zahlungsverzug ist, hat bereits Anlass zur Klageerhebung gegeben, so dass die Kostenfolge des § 93 ZPO nicht mehr in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 10.02.2011 – VII ZR 53/10, WM 2011, 541).
Oberlandesgericht Köln, 10 W 19/18
Gesamtwertung ist Ausschlaggebend
Die Frage, ob der Beklagte durch sein vorgerichtliches Verhalten aus Sicht des Klägers Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, ist das Ergebnis wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles! So vermag der erfolglose Ablauf einer gesetzten Frist im Einzelfall nicht die Annahme einer Klageveranlassung zu rechtfertigen, wenn etwa der Beklagte redlicherweise davon ausgehen durfte, dass eine von ihm erbetene Fristverlängerung stillschweigend gewährt wurde (OLG Hamburg, 10 W 4/10). Auch kommt es bei der Frage der Veranlassung zur Klageerhebung auf Verschulden nicht an.
Der Umstand, dass ein Schuldner eine Forderung mangels Zahlungsfähigkeit nicht erfüllen kann, führt zudem nicht unmittelbar zur Klageveranlassung. Denn bei der Frage, ob ein Schuldner Anlass zur Klage gegeben hat, geht es nur um das Interesse des Gläubigers an der Erlangung eines vollstreckbaren Schuldtitels und nicht um das davon zu unterscheidende Interesse an der Erfüllung seiner Forderung. Ein Titulierungsinteresse des Klägers besteht aber auch – und insbesondere – bei einem leistungsunfähigen Schuldner, wenn bereits die Verzugsvoraussetzungen vorliegen (Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 W 15/22).
Beweis für den Zugang einer E-Mail
Den Absender einer E-Mail trifft gem. § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zu Gute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln (4 Sa 315/21) am 11. Januar 2022 entschieden.
„Beweis für den Zugang einer E-Mail“ weiterlesenMarkenrecht: Unternehmenskennzeichen begründet für Arztpraxis nur regionalen Schutz
Beim OLG Frankfurt (6 U 39/14) ging es um einen Klassiker: Die Kollision zwischen Domain und Unternehmenskennzeichen bei lokal agierenden Unternehmen (hier: Arztpraxen). Dabei musste das OLG an den alten Grundsatz erinnern:
Unterlassungsansprüche aus dem Unternehmenskennzeichen gem. §§ 15 Abs. 4, 5 MarkenG sind ebenfalls nicht gegeben. Bei Unternehmen, deren Geschäftszweck und Zuschnitt nur lokal oder regional tätig sind, ist der Schutz auf ihr Wirkungsgebiet beschränkt (Ströbele-Hacker aaO., Rn 69 zu § 5 MarkenG m. w. N.). Zu diesen sog. „Platzgeschäften“ zählen auch Kliniken und Arztpraxen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Rn 14 zu § 5). Maßgeblich für den Umfang des Schutzbereichs ist der im Kollisionszeitpunkt durch die Benutzung des älteren Zeichens nach der Verkehrsauffassung abgedeckte Wirtschaftsraum (Ströbele-Hacker aaO.).
Dies wird auch nicht dadurch in Abrede gestellt, dass der Betroffene eine .com-Domain betrieben hat
Die Tatsache, dass der Beklagte im Internet unter der Domain www. ….com auftritt, begründet wegen seines des primär regionalen Wirkungskreises keinen überregionalen Schutz.
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Filesharing-Abmahnungen: Aktuelle Entwicklungen (2011)
Es gab in den letzten Wochen weitere Urteile in Sachen „Filesharing-Abmahnungen“, die hier kurz dargestellt werden sollen. Da ich weiterhin keine neuen allgemeinen Tendenzen sehe, beschränkte ich mich wieder einmal auf eine Übersicht und behalte mir längere Artikel für wirkliche Neu-Entwicklungen vor.
„Filesharing-Abmahnungen: Aktuelle Entwicklungen (2011)“ weiterlesen
Verjährung: Wann verjähren Forderungen – wie hemmt man die Verjährung?
Regelmässige Verjährung von Forderungen: Die Frage stellt sich Forderungsinhabern jedes Jahr aufs neue: Wann verjähren Forderungen? Alle Jahre wieder: In jedem Jahr steht zum 31.12. wieder die Frage der Verjährung von Forderungen an. Spätestens zum jeweiligen Jahresende sollte man als Unternehmer daher genau im Blick haben, welche Forderungen der Verjährung (möglicherweise) unterliegen.
Als Faustregel gilt mit dem BGB: Zur Berechnung der Verjährung immer 3 Jahre abziehen – Man sollte man speziell hinsichtlich von Geldforderungen aus Leistungsverträgen davon ausgehen, dass z.B. am 31.12.2019 verjährt, was im Jahr 2016 begründet wurde. Wenn also noch aus Kaufverträgen, Werkverträgen oder Dienstleistungsverträgen aus 2016 Forderungen wie das Entgelt offen steht, ist davon auszugehen, dass dies am 31.12.2019 verjähren wird.
Dabei steht die Verjährung grundsätzlich Immer zum 31.12. eines jeden Jahres steht an: Die Verjährung. In diesem Beitrag erfahren Sie die wichtigsten Grundsätze rund um die Verjährung und was hierbei zu beachten ist, sowohl für Schuldner wie auch für Gläubiger.
Zustimmung zur Verrechnung kann Schuldanerkenntnis sein
Stehen sich Honoraransprüche des Architekten einerseits und Schadenersatzansprüche des Bauherrn andererseits in aufrechenbarer Weise gegenüber und stimmt die Haftpflichtversicherung des Architekten einer Verrechnung zu, liegt darin ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (5 U 356/19) festgestellt.
„Zustimmung zur Verrechnung kann Schuldanerkenntnis sein“ weiterlesenUnterlassungserklärung muss rechtsverbindlich sein
Bekanntlich kann eine Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr ausräumen – doch muss diese auch ernst gemeint sein. Auch das Landgericht Frankenthal (6 O 145/20) betont insoweit, dass man aufpassen muss, wenn man eine Unterlassungserklärung ohne Anerkenntnis abgeben möchte:
Die Wiederholungsgefahr kann grds. durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden. Hierfür muss sich der Verfügungsbeklagte ernsthaft und vorbehaltlos zur Unterlassung der angemahnten Rechtsverletzung bereit erklären. Eine bloße Absichtserklärung, die Rechtsverletzung nicht mehr zu wiederholen, ist nicht ausreichend. Die Ernsthaftigkeit der ursprünglichen Unterlassungserklärung steht zwischen den Parteien in Streit, da der Verfügungsbeklagte diese ursprünglich vorgerichtlich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ abgegeben hat ohne das in der Praxis übliche Kürzel „gleichwohl rechtsverbindlich“ hinzuzufügen. Für die Reichweite von Unterlassungsvereinbarungen ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB) maßgebend, zu dessen Ermittlung im Wege der Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck sowie das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind. Es gilt der Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (…)
Zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr ist insoweit die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderlich (…) Die Erklärung genügte den vorgenannten Anforderungen dennoch nicht. Die Erklärung enthält den Vorbehalt, sie werde „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht abgegeben“, ohne gleichzeitig klarzustellen, dass sie „gleichwohl rechtsverbindlich“ abgegeben werde. Schon diese Formulierung begründet Zweifel an der Ernstlichkeit des Unterlassungsversprechens (…). Bereits geringe Zweifel an der Ernstlichkeit reichen aber gerade aus, um der Unterwerfungserklärung ihre die Wiederholungsgefahr ausräumende Wirkung zu nehmen (…)
Ein Klassiker, wenn man hinreichend Erfahrung im Umgang mit Unterlassungserklärungen hat.