Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg) hat sich in einer Entscheidung vom 19.03.2024 (Az. 7 U 13/23) ausführlich mit der Anwendung von § 353d Nr. 3 StGB befasst. Diese Vorschrift behandelt das Verbot der öffentlichen Mitteilung amtlicher Dokumente aus einem Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren vor deren Erörterung in öffentlicher Verhandlung oder vor dem Abschluss des Verfahrens. Im vorliegenden Fall ging es um die Veröffentlichung von Zitaten aus einem Vernehmungsprotokoll eines Zeugen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens.
„§ 353d Nr. 3 StGB bei der Pressearbeit“ weiterlesenOLG Celle zur Auskunftspflicht des Betreibers einer Arbeitgeber-Bewertungsplattform
Am 2. April 2024 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle (Aktenzeichen 5 W 10/24) über die Voraussetzungen, unter denen ein Bewerteter Auskunft über die Identität eines Bewerters auf einer Bewertungsplattform verlangen kann.
Diese Entscheidung bezieht sich auf die Anwendung des § 21 Abs. 2 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetzes (TTDSG) und hat weitreichende Folgen für den Datenschutz und die Rechte der Betroffenen.
Hinweis: Die Entscheidung erging noch zum TTDSG, das heute TDDDG heisst. Inhaltlich hat sich dadurch nichts verändert!
„OLG Celle zur Auskunftspflicht des Betreibers einer Arbeitgeber-Bewertungsplattform“ weiterlesenWann darf man Mitarbeiter wegen rassistischer Äußerungen kündigen?
Rassistische Äußerungen am Arbeitsplatz oder durch Arbeitnehmer (in der Öffentlichkeit) sind ein ernstes Problem, das Arbeitgeber nicht tolerieren dürfen. Doch wann genau berechtigen solche Äußerungen zur Kündigung eines Mitarbeiters?
Im Folgenden gehe ich kurz auf die rechtlichen Rahmenbedingungen von Kündigungen nach rassistischen Äußerungen ein. In unserem Blog finden sich zudem Fallbeispiele zur Frage, wann eine Kündigung wegen rassistischer Beleidigungen gerechtfertigt ist.
„Wann darf man Mitarbeiter wegen rassistischer Äußerungen kündigen?“ weiterlesenMeinungsfreiheit und Kritik an der Bundesregierung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 11. April 2024 (Aktenzeichen 1 BvR 2290/23) eine Entscheidung des Kammergerichts aufgehoben, die es einem Journalisten und Produzenten untersagte, eine kritische Äußerung gegenüber der Bundesregierung zu tätigen.
Die kritische Äußerung des Journalisten bezog sich auf die Zahlung von Entwicklungshilfe an Afghanistan, die seiner Meinung nach indirekt den Taliban zugutekommen könnte. Diese Äußerung war von einer einstweiligen Verfügung betroffen, welche das Kammergericht in einem früheren Urteil erlassen hatte.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Entscheidung des Kammergerichts das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzte. Der Journalist hatte auf seinem YouTube-Kanal und über soziale Medien eine Kurznachricht verbreitet, die mit einem Artikel verlinkt war und somit einen Kontext herstellte, der bei der Beurteilung der Äußerung berücksichtigt werden muss. Das BVerfG kritisierte, dass das Kammergericht diesen Kontext nicht angemessen gewürdigt und die Äußerung fälschlicherweise nur als unwahre Tatsachenbehauptung eingestuft hatte.
Diese Entscheidung ist von besonderer Bedeutung für die Meinungsfreiheit in Deutschland, da sie verdeutlicht, dass auch kritische und polemische Äußerungen gegenüber der Regierung vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst sind, insbesondere wenn sie in einen sachlichen Kontext eingebettet sind. Das BVerfG betonte, dass der Staat auch scharfe Kritik aushalten muss und dass der Schutz staatlicher Einrichtungen nicht dazu führen darf, dass sachliche Kritik an der Amtstätigkeit abgeblockt wird.
Die aufgehobene Entscheidung des Kammergerichts wird nun zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.
Unterlassungserklärung und die Grenzen der Meinungsfreiheit
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit seinem Urteil vom 22. Februar 2024 (Aktenzeichen: 16 U 168/22) wichtige Leitlinien zur Reichweite der Meinungsfreiheit und zur Interpretation von Unterlassungsverpflichtungen aufgezeigt. In diesem Fall ging es um die Frage, inwieweit ein Individuum für die Wiederholung einer bereits veröffentlichten Äußerung haftet und wie weit die Verpflichtungen zur Unterlassung und Beseitigung reichen.
„Unterlassungserklärung und die Grenzen der Meinungsfreiheit“ weiterlesenDie Grenzen der Litigation-PR in der Strafverteidigung
In einem aufsehenerregenden Strafverfahren wegen sexueller Nötigung einer Polizistin, wurde der Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg freigesprochen – und zieht weitere juristische Kreise. Im Zentrum einer aktuellen Entscheidung des OLG Stuttgart (I-4 U 129/23) steht eine Presseerklärung der Verteidigung, genauer der Strafverteidigerin des Angeklagten, die wohl vor Beginn der Hauptverhandlung („Die Beklagte hat vor Beginn der Hauptverhandlung am 21. April 2023 eine Presseerklärung an Medienvertreter verteilen lassen“) an Medienvertreter verteilt wurde. Diese Erklärung enthält mehrere brisante Aussagen über das Tatopfer, darunter Behauptungen über dessen Aussageverhalten, Intimleben und Motive – und gibt nun Anlass, dass das Gericht sich zur Litigation-PR im Strafverfahren äußert.
„Die Grenzen der Litigation-PR in der Strafverteidigung“ weiterlesenDerbe Kritik an Gericht: Meinungsäußerung oder Beleidigung
Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Beschluss vom 11. Januar 2024 (Aktenzeichen: 1 ORs 163/23) ein bemerkenswertes Urteil des Amtsgerichts Bonn aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung zurückverwiesen. Die Entscheidung wirft interessante Fragen zum Verhältnis von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz auf.
Die Entscheidung verdeutlicht – wieder einmal – wie elementar die Defizite von Amtsgerichten im Bereich der Meinungsäußerungsfreiheit sind. Es ist ein ständiges Problem, dass gerade Amtsgerichte sich vollkommen verschätzen, wo die Meinungsäußerungsfreiheit endet. Insbesondere verwechselt man im Alltagsgeschäft allzu gerne eine geschmacklose Meinung mit einer rechtlich nicht gebilligten Meinung. Dabei lernen Juristen spätestens im zweiten Semester, dass die eigene Wertung, ob Inhalte wertvoll sind oder nicht, nichts mit der grundrechtlichen Prüfung zu tun haben. Dazu auch die früher von mir erstrittene Entscheidung beim OLG Köln beachten.
„Derbe Kritik an Gericht: Meinungsäußerung oder Beleidigung“ weiterlesenÜbergehen von Vortrag durch das Gericht
Der Fall VI ZR 213/22 des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23. Januar 2024 behandelt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Übergehen von Vortrag des Klägers. In diesem Fall ging es um eine ärztliche Behandlung und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche des Klägers.
„Übergehen von Vortrag durch das Gericht“ weiterlesenOLG Hamburg zur Benennung von Bewertern auf Bewertungsplattformen
Am 8. Februar 2024 entschied das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Aktenzeichen 7 W 11/24) über die Voraussetzungen, unter denen ein Bewerteter die Löschung von Bewertungen auf einem Arbeitgeber-Bewertungsportal verlangen kann. Diese Entscheidung hat beachtliche Implikationen für den Datenschutz und die Transparenz im Umgang mit Bewertungen – allerdings ist nicht garantiert, das andere Gerichte es genauso sehen.
„OLG Hamburg zur Benennung von Bewertern auf Bewertungsplattformen“ weiterlesenAnrufen der Gütestelle vor Klage im Persönlichkeitsrecht
Der BGH (VI ZR 258/21) konnte klarstellen, dass § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW nicht alle Ansprüche aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sondern nur Ansprüche wegen einer Ehrverletzung im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften der §§ 185 ff.
Hintergrund ist, dass nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem versucht worden ist, die Streitigkeit durch eine Gütestelle einvernehmlich beizulegen. 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW erfasst allerdings nicht alle Ansprüche, die sich aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben:
Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW, da dort nur von „Verletzungen der persönlichen Ehre“ die Rede ist. § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW lehnt sich eng an den Wortlaut der bundesgesetzlichen Öffnungsklausel des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO an (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, NRW LT-Drucks. 12/4614, S. 34). Mit diesem Wortlaut nicht vereinbar ist die Auffassung, es seien alle Ansprüche erfasst, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewähre (so aber Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 8). Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nicht nur die persönliche Ehre, sondern umfassend das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner individuellen Persönlichkeit (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2008 – VI ZR 221/07, NJW-RR 2008, 1662 Rn. 12). […]
Da der Anwendungsbereich der Öffnungsklausel des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO beschränkt ist, fallen auch unter § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW nur Ansprüche wegen einer Ehrverletzung im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften der §§ 185 ff. StGB, also solche, die sich auf herabwürdigende unwahre Tatsachenbehauptungen und herabsetzende Werturteile stützen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2008 – VI ZR 221/07, NJW-RR 2008, 1662 Rn. 12; MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 34; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 6; BeckOK GVG/van der Grinten, Stand: 15. Februar 2022, § 53 JustG NRW, Rn. 23; Serwe, Gütestellen- und Schlichtungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2002, Rn. 198 ff.; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, 2000, S. 50; LG Osnabrück, BeckRS 2018, 34801; LG Frankfurt, NJW-RR 2016, 302).