Das LG Köln (28 S 12/08) hat wenig überraschend festgehalten, dass ein Musikstück, dass ohne Erlaubnis des Schöpfers auf einem Stadtfest abgespielt wird, zu bereicherungsrechtlichen Ansprüchen des Urhebers führt. Ob Eintritt verlangt wurde oder nicht, spielt keine Rolle. Hinsichtlich der Berechnungsgrundlage ist der Tarif für Unterhaltungs- und Tanzmusik mit Musikern zu veranschlagen. Die Entscheidung ist in der Sache wenig überraschend.
DIe Entscheidung des LG Köln, Urt. v. 27.12.2010 – 28 S 12/08
(Vorinstanz: AG Köln, 15.12.2008 – 137 C 317/08)
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 15.12.2008 (AZ: 137 C 317/08) abgeändert und insgesamt wie folgt neugefasst: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.715,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2008 und 6,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Wegen des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Die klageweise Verfolgung des Zahlungsanspruches ist nicht nach § 16 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 b) UrhWG ausgeschlossen, weil ein obligatorisches Schiedsverfahren zuvor nicht durchgeführt wurde.
Das Verfahren vor der Schiedsstelle dient in erster Linie dem Ziel eine einheitliche und sachkundige Beurteilung der von den Verwertungsgesellschaften aufzustellenden Tarife zu ermöglichen. Den Gerichten soll hierbei eine Hilfestellung gegeben werden. In der Verpflichtung der Schiedsstelle, auf eine gütliche Beilegung des Streits zu hinzuwirken, lässt sich kein selbständiger Grund für einen generellen Zwang zur Anrufung der Schiedsstelle herleiten (BGH GRUR 2000, 872, 873).
Vorliegend ist die Angemessenheit des Tarifs an sich unstreitig. Unstreitig ist auch die grundsätzliche Anwendbarkeit des Tarifs auf den Rechtsstreit. Der Beklagte geht selbst von einer grundsätzlichen Abgabepflichtigkeit aus, meint jedoch nicht passivlegitimiert zu sein und sieht die Dimensionen der Beschallung anders als die Klägerin. In diesem Fall ist jedoch der Tarif nicht streitig (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2008, § 16 UrhWG Rdnr. 7). Für das Bestreiten der Angemessenheit wäre erforderlich gewesen, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin konkret dargelegt hätte, welchen Betrag für den Tarif an sich er für angemessen hält, da ansonsten davon auszugehen ist, dass das einfache Bestreiten der Verfahrensverzögerung dient und rechtsmissbräuchlich ist (Dreier/Schulze, a. a. O., § 16 UhrWG RN 11).
Die Frage, welche Darstellung zu den Dimensionen der Beschallung richtig ist, die der Klägerin oder des Beklagten, ist eine rein tatsächliche, deren Beurteilung nicht von einer besonderen Sachkunde abhängt und keine Auslegung der Tarife der Klägerin erfordert. Strittig ist somit nicht die Anwendbarkeit und Auslegung des Tarifs an sich, sondern nur die Anknüpfungstatsachen, aus denen sich die jeweilige konkrete Einordnung und Höhe der Vergütung ergibt.
Die Klage ist bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung auch begründet, da der Klägerin aufgrund der Rechtsverletzungen ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Forderung aus § 812 Abs. 1, Satz 1, 2 Alt. BGB zusteht. Zu der Begründetheit und insbesondere den zwischen den Parteien strittigen Punkten im Einzelnen:
Der klageweise verfolgte Anspruch ist nicht verjährt. Nach §§ 137 i, 102 Satz 2 UrhG i. V. m. § 852 Satz 2 BGB verjähren Bereicherungsansprüche in 10 Jahren seit ihrer Entstehung. Die Klägerin macht Ansprüche aus Verletzungshandlungen seit dem Jahre 2002 geltend. Eine Verjährung ist daher weder für den reinen Zahlungsanspruch betreffend den Tarif U-VK noch betreffend den Kontrollzuschlag eingetreten. Dabei unterfällt der 10-jährigen Verjährungsfrist des § 852 Satz 2 BGB über den Verweis in §§ 137 i, 102 Satz 2 UrhG nicht nur der der reine Zahlungsanspruch sondern auch der Anspruch auf den Kontrollzuschlag. Dieser ist kein pauschalierter Schadensersatzanspruch, sondern ein bereicherungsrechtlicher Anspruch (Rspr. der Kammer, s. z. B. Urteil vom 18.03.2009 – 28 O 637/08). Da die Veranstaltungen ohne entsprechende vertragliche Grundlage durchgeführt wurden, ist der Kontrollzuschlag bei der Berechnung des „Erlangten“ einzubeziehen. Die doppelte Tarifgebühr ist nämlich dadurch berechtigt, dass für die rechtzeitig und ordnungsgemäß angemeldeten Aufführungen kein umfangreicher und kostspieliger Verwaltungsaufwand nötig ist, also aus diesem Grund ein niedriger Tarif gefordert werden kann (vgl. Wild in Schricker UrhG, 3. Auflage, § 97 Rn. 64). Hieraus folgt, dass bei nicht angemeldeten Nutzungen der Tarif zzgl. des Kontrollzuschlages als das im Rahmen des Bereicherungsrechts Erlangte anzusehen ist (z. B. LG Köln, 18.03.2009, a. a. O.).
Die 10-jährige Verjährungsfrist dauert an. Der Zahlungsanspruch für den Tarif U-VK kann erst mit Abspielen der Musik beim Stadtfest entstanden sein, also frühestens am 07.09.2002 und damit vor weniger als 10 Jahren. Gleiches gilt für den Kontrollzuschlag, welcher auch erst am 07.09.2002 entstehen konnte und nach dem vorgenannten der 10-jährigen Verjährungsfrist des § 852 Satz 2 BGB als Bereicherungsanspruch unterliegt.
Die Klägerin ist als die Verwertungsgesellschaft aktivlegitimiert.
Der Beklagte ist als Veranstalter des Stadtfests passivlegitimiert. Als Veranlasser ist derjenige passivlegitimiert, der als Veranstalter eine die Rechte verletzende Aufführung anordnet und für sie in organisatorischer Hinsicht verantwortlich ist (vgl. nur: BGH, Urt. v. 18.03.1960 – I ZR 75/58 – GRUR 1960, 606 „Eisrevue II“). Unstreitig ist auch nach der letzten mündlichen Verhandlung geblieben, dass der Beklagte die Sondernutzungsgenehmigung bei der Stadt einholte und Veranstalter des Fests war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass an dem Fest diverse kommerzielle Anbieter teilgenommen haben (Buden, Musik, etc.), so auch die N Musikveranstaltungs GmbH als Betreiberin der Musikbühne. Der Beklagte ist durch die Organisation des Festes und Inhaber der entsprechenden Sondernutzungsgenehmigung zumindest Mitveranstalter, da er die Veranstaltung organisiert, koordiniert und finanziert. Insoweit kann auch dahinstehen, ob neben ihm etwa auch die N Musikveranstaltungs GmbH als Betreiberin der Musikbühne als Mitveranstalterin in Betracht käme.
Der Beklagte verletzte die Nutzungsrechte der Klägerin, indem er ohne vertragliche Grundlage Musikstücke aus dem Repertoire der Klägerin vorführte. Durch die Musik auf der Musikbühne wurden urheberrechtlich geschützte Werke durch Darbietung im Sinne des § 19 Abs. 2 UrhG öffentlich zu Gehör gebracht. Denn es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es an den zwei in Rede stehenden Tagen des Festes zur Darbietung von Musik durch Live-Auftritte von Musikern gekommen ist. Die bestehende tatsächliche Vermutung, dass die aufgeführten Werke urheberrechtlichen Schutz genießen (sog. GEMA-Vermutung, z. B. BGH, 05.06.1985 – I ZR 53/83) hat der Beklagte nicht angegriffen.
Durch die Aufführung hat der Beklagte die entsprechenden Urheberrechte im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG widerrechtlich verletzt, da er nichts dafür vorgetragen hat, dass ihm die erforderlichen Rechte zur öffentlichen Darbietung eingeräumt worden waren.
Wer in fremde Immaterialgüterrechte eingreift, haftet unabhängig vom Verschulden nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Eingriffskondiktion aus ungerechtfertigter Bereicherung, da er in den Zuweisungsgehalt eines Rechts eingreift, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Rechtsinhaber vorbehalten ist (vgl. BGH GRUR 1995, 673, 676 – Mauerbilder). Durch den rechtswidrigen Eingriff in die fremde geschützte Rechtssphäre des Verletzten erlangt der Verletzer den Gebrauch des fremden urheberrechtlich geschützten Gegenstandes. Da dieser Gebrauch seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, hat der Bereicherte gem. § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu ersetzen. Diesen bestimmt die Rechtsprechung und die überwiegende Literatur nicht nach dessen konkret-individuellen Wert für den Verletzter, sondern nach dem objektiven Verkehrswert. Herauszugeben hat der Verletzer also im Rahmen der Bereicherungshaftung einen Betrag in Höhe der üblichen Lizenzgebühr (BGH, GRUR 1982, 301, 303 – Kunststoffprofil II; GRUR 1987, 524, 525 – Chanel No. 5 II). Soweit möglich, ist die Höhe hiervon anhand der üblichen Vergütungssätze zu bestimmen (Dreier/Schulze, a. a. O., RN 64). Die Höhe des im Rahmen des Bereicherungsanspruchs geschuldeten Betrages berechnet sich deshalb nach den Tarifen der Klägerin, die im Bundesanzeiger veröffentlich wurden, vorliegend nach dem Tarif für Unterhaltungs- und Tanzmusik mit Musikern, U-VK/A Nr. 13. Dies deshalb, weil das Stadtfest keinen Eintritt kostete (Gruppe A des Tarifs) und von einer beschalten Fläche von 6.587 qm auszugehen ist (Nr. 13 des Tarifes). Im Einzelnen:
Für die Anwendung des U-VK-A Tarif ist bestimmt, dass die Gesamtquadratmeterzahl des Veranstaltungsraums entscheidend und nicht wie groß die Fläche vor der Bühne ist, welche der Beklagte mit 20 x 30 m, also 600 m², angibt. Die Veranstaltung ist das Stadtfest. Veranstaltungsraum ist daher der Raum, den das Stadtfest umfasst als sogenannter Veranstaltungsplatz, Zif. III. 2. d) des Tarifes U-VK. Der Wortlaut des Tarifes U-VK nimmt nämlich nicht auf Bühnen oder Ähnliches Bezug, sondern immer nur auf die Veranstaltung und die Veranstaltungsräumlichkeit an sich, sodass es nicht auf das Volumen der Bühnenfläche für die Bemessung des Tarifs ankommen kann.
Vorliegend ist eine genaue Angabe der Veranstaltungsfläche durch die Klägerin erfolgt, sie hat substantiiert zur Berechnung dieser und damit ihrer Forderung im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast vorgetragen. Sie hat dazu die Fläche des Festes nachträglich im Jahre 2008 mit Lasern vermessen lassen und diese Daten auch mit Daten aus der Satzung der Stadt Bergisch Gladbach zu Sondernutzungsgebühren nebst Quadratmeterangaben der in Rede stehenden Straßen und Plätze, die das Fest beherbergten, abgeglichen. Diesem Vortrag ist der Beklagte mit dem oben geschilderten Sachvortrag der von der Klägerin angegebenen Gesamtveranstaltungsfläche nicht ausreichend entgegengetreten. Er behauptet lediglich, dass die I-Straße gar nicht beschallt werden könnte, was für die Tarifberechnung schon nicht erheblich ist. Außerdem behauptet er noch, die Lasergeräte wären ggf. nicht geeicht oder sonst wie fehlerhaft gewesen. Dies ist nicht ausreichend, um seiner sekundären Darlegungslast zu genügen. Denn der Beklagte gibt schon keine Quadratmeterzahl an, wie groß die Veranstaltungsfläche seiner Auffassung nach war. Diese Angabe wäre ihm als Inhaber der Sondernutzungserlaubnis und Organisator des Festes ohne weiteres möglich gewesen. Insoweit vermeidet er dennoch eine Erklärung zum Vortrag der Klägerin, entgegen seiner Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO.
Wenn der Beklagte schon seiner Erklärungslast nicht genügt und die Anknüpfungstatsachen für den Umfang der Veranstaltungsfläche des Stadtfestes nicht vorträgt, dann ist in seinem Vortrag zu der Lasermessung lediglich ein einfaches Bestreiten im weiteren Sinne zu sehen. Im Gegensatz zu der Klägerin, die jedoch außerhalb des Geschehensablaufes „Umfang der Veranstaltungsfläche im Jahre 2002“ steht und hierüber keine originäre Kenntnis haben kann, hat sie der Beklagte als Inhaber der Sondernutzungserlaubnis und Organisator des Festes. Daher war der Vortrag des Beklagten mangels ausreichendem substantiierten Vortrag sowie mangels ausreichend substantiiertem Bestreiten nicht geeignet, dem Vortrag der Klägerin zur Größe der Veranstaltungsfläche entgegenzutreten.
Die Höhe der Forderung wurde nach diesen Grundsätzen von der Klägerin zutreffend berechnet. Bei einer Fläche von 6.587 m² war Nr. 13 U-VK für den Vergütungssatz einschlägig und zwar, da die Veranstaltung ohne Eintritt erfolgte, in der Gruppe A. Für die ersten 3000 m² waren daher 350,40 € fällig und sodann für die weiteren nach der Berechnung des Personenfassungsmögens 3.587 m² nochmals 58,30 € je weitere 500 m². Weitere 500 m² bedeutet dabei angefangene 500 m², sodass 8 x 58,30 € in Ansatz zu bringen sind, also insg. 466,40 €. 466,40 € + 350,40 € ergibt 816,80 € jeweils für den Zahlungsanspruch nach U-VK/A als auch den Kontrollzuschlag, d. h. 1.633,60 €. Da die Klägerin auch den 10-prozentigen GVL-Zuschlag auf den Tarif U-VK/A in Rechnung stellen konnte, d. h. 81,68 €, ergibt sich sodann die in Höhe von 1.715,28 € verfolgte Klageforderung.
Eine Verwirkung des Anspruchs kommt nicht in Betracht. Zum einen ist dies bei noch laufender Verjährungsfrist ohnehin nur in Ausnahmefällen möglich. Zum anderen liegt außer dem Zeitablauf kein Anhaltspunkt vor, der die Annahme ermöglicht, dass die Klägerin von der Geltendmachung ihrer Ansprüche Abstand genommen hat.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 291 BGB. Da der Beklagte am 10.06.2008 die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragte, kommt es auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht an.
Die Nebenentscheidungen verhalten sich wie folgt: Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Da die Klägerin lediglich mit der Zinsforderung teilweise unterliegt und diese nicht streitwerterhöhend wirkt, waren dem Beklagten die Kosten des Rechtstreits vollumfänglich aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Die Anwendung dieser Rechtsfragen auf den vorliegenden Einzelfall hat nicht im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO grundsätzliche Bedeutung. Ebenso ist aus diesem Grunde eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Streitwert: 1.715,28 €
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