Unterlassungserklärung und die Grenzen der Meinungsfreiheit

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit seinem Urteil vom 22. Februar 2024 (Aktenzeichen: 16 U 168/22) wichtige Leitlinien zur Reichweite der Meinungsfreiheit und zur Interpretation von Unterlassungsverpflichtungen aufgezeigt. In diesem Fall ging es um die Frage, inwieweit ein Individuum für die Wiederholung einer bereits veröffentlichten Äußerung haftet und wie weit die Verpflichtungen zur Unterlassung und Beseitigung reichen.

Hintergrund des Falles

Der Kläger, ein Verein, der sich für die Interessen von Aktionären und Anlegern einsetzt, forderte vom Beklagten, einem ehemaligen Aufsichtsrat, Schadensersatz für eine Aussage in einem Interview. Der Beklagte hatte darin von einem „Komplott“ zwischen der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, zwei Börsenbrief-Herausgebern und Bankern im Zusammenhang mit dem Kursverlust eines Unternehmens gesprochen. Der Kläger sah darin seine Persönlichkeitsrechte verletzt.

Entscheidung des OLG

Das OLG wies die Berufung des Klägers zurück, bestätigte somit das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main. Zentrale Aspekte der Entscheidung umfassten:

  1. Meinungsfreiheit und Tatsachenbehauptungen: Das Gericht qualifizierte die strittige Äußerung des Beklagten als Meinungsäußerung, die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist. Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung war hier entscheidend. Da die Aussage des Beklagten als Werturteil und nicht als faktische Behauptung interpretiert wurde, fiel sie unter den Schutz der Meinungsfreiheit.
  2. Unterlassungsverpflichtung: Hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung stellte das Gericht fest, dass der Beklagte nicht für die fortgesetzte Veröffentlichung des Interviews durch Dritte verantwortlich war. Die Verpflichtung aus der Unterlassungserklärung bezog sich auf zukünftige Handlungen, nicht auf bereits vorher erfolgte Veröffentlichungen.

Bedeutung und Auswirkung

Diese Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht die Komplexität der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht. Sie zeigt, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstellt, insbesondere wenn Äußerungen im Kontext von Werturteilen und nicht als faktische Behauptungen zu verstehen sind. Gleichzeitig unterstreicht das Urteil die begrenzten Verpflichtungen eines Individuums in Bezug auf Handlungen Dritter und die Interpretation von Unterlassungserklärungen.

Fazit

Die Entscheidung liefert wichtige Erkenntnisse zur Handhabung äußerungsrechtlicher Ansprüche und zur Abgrenzung zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen. Sie betont die Bedeutung des Kontextes und der Gesamtbetrachtung von Äußerungen, um die zugrundeliegenden Rechte und Pflichten richtig einzuschätzen. Dieses Urteil ist somit wegweisend für ähnliche Fälle, in denen es um die Balance zwischen persönlichem Rechtsschutz und dem grundrechtlich verankerten Prinzip der Meinungsfreiheit geht.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner