Ein Beschluss des Oberlandesgerichts Köln (15 W 40/24) vom 21. Mai 2024 befasst sich mit der Frage der Vollstreckung einer einstweiligen Verfügung, die eine Löschungsverpflichtung bezüglich einer Online-Rezension zum Gegenstand hat.
Das Gericht musste entscheiden, ob die Verpflichtung zur Löschung einer negativen Rezension auch das Gebot umfasst, künftig ähnliche Rezensionen zu unterlassen und ob ein Ordnungsgeld verhängt werden kann, wenn der Schuldner dieser Verpflichtung nicht nachkommt.
Sachverhalt
Ein Schuldner hatte auf verschiedenen Internetplattformen negative Rezensionen über die Kanzlei des Gläubigers veröffentlicht. Das Landgericht Essen hatte den Schuldner mit Beschluss vom 5. Oktober 2023 verpflichtet, die Rezension auf Google zu löschen und drohte ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft für den Fall der Zuwiderhandlung an. Nachdem Google die ursprüngliche Rezension gelöscht hatte, veröffentlichte der Schuldner erneut ähnliche Rezensionen auf Google und anwalt.de.
Der Gläubiger beantragte daraufhin die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von mindestens 10.000 EUR wegen der wiederholten Veröffentlichung der Rezensionen. Das Landgericht Essen lehnte diesen Antrag ab, da der ursprüngliche Beschluss nur die Löschung und nicht das künftige Unterlassen ähnlicher Äußerungen beinhaltete. Gegen diese Entscheidung legte der Gläubiger Beschwerde ein.
Rechtliche Analyse
Handlungs- vs. Unterlassungspflicht
Das OLG Köln musste prüfen, ob die Löschungsverpflichtung aus dem Beschluss des Landgerichts Essen auch eine zukünftige Unterlassungspflicht umfasst. Das Gericht stellte fest, dass eine Löschungsverpflichtung nicht automatisch eine Unterlassungspflicht beinhaltet. Für die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 ZPO ist ein klarer und eindeutiger Titel erforderlich, der eine spezifische Verhaltenspflicht festlegt. Da der ursprüngliche Titel nur die Löschung der Rezension verlangte, konnte der Schuldner nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass auch eine zukünftige Unterlassungspflicht bestand.
Verschuldensvorwurf
Das Gericht betonte, dass Ordnungsmittel nach § 890 ZPO nur bei einem Verschulden des Schuldners verhängt werden können. Im vorliegenden Fall konnte dem Schuldner kein Verschulden vorgeworfen werden, da die Verpflichtung zur Unterlassung nicht eindeutig aus dem Titel hervorging. Die missverständliche Fassung des ursprünglichen Beschlusses sowie die Tatsache, dass auch das Landgericht Essen keine Unterlassungspflicht erkannt hatte, rechtfertigten die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums.
Vollstreckungsmöglichkeiten nach § 887 und § 888 ZPO
Das OLG Köln diskutierte zudem die Möglichkeit der Vollstreckung nach § 887 und § 888 ZPO. Da die ursprüngliche Rezension bereits von Google gelöscht worden war, war eine erneute Löschung objektiv unmöglich. Eine Anwendung der Beugevorschriften des § 888 ZPO, die auf die objektive Erfüllung einer Handlungspflicht abzielen, war daher ausgeschlossen.
Fazit
Der Beschluss des OLG Köln verdeutlicht die Notwendigkeit klarer und eindeutiger gerichtlicher Titel, um die Vollstreckung von Handlungs- oder Unterlassungspflichten zu ermöglichen. Eine Löschungsverpflichtung umfasst nicht automatisch das Gebot, künftige ähnliche Äußerungen zu unterlassen. Ordnungsmittel können nur bei eindeutigem Verschulden verhängt werden, was im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Der Schuldner konnte aufgrund der unklaren Formulierung des ursprünglichen Beschlusses und der fehlenden Unterlassungspflicht nicht für die erneute Veröffentlichung der Rezensionen bestraft werden.
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