Urheberrecht: Online-Buchhändler haftet nicht für Rechtsverletzungen für vertriebene Bücher

Das OLG München (29 U 885/13) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Online-Buchhändler für Rechtsverletzungen haftet („abgemahnt werden kann“), die in von ihm vertriebenen eBooks aufgetreten sind. Im Ergebnis wurde eine anlasslose Haftung dann abgelehnt, wohl richtigerweise. Allerdings ist die Haftung nicht ausgeschlossen, sie steht nämlich dann im Raum, wenn der Buchhändler auf die (klare) Rechtsverletzung hingewiesen wurde und gleichwohl nicht reagiert.

Dabei setzt sich das OLG mit allen drei Haftungsmöglichkeiten auseinander:

Eine Haftung als Täter scheidet für das OLG München im Rahmen einer grundrechtlichen Abwägung aus. Das Gericht sieht ganz korrekt eine enorme Gefahr:

Diese verschuldensunabhängige Unterlassungshaftung hätte zur Folge, dass Buchhändler in unabsehbarer Weise der Gefahr von Abmahnungen wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen und der damit verbundenen Kostenbelastung ausgesetzt wären, die sich wegen des damit verbundenen immensen Aufwands – anders als etwa bei der Prüfung auf eine Verletzung fremder Werktitel i. S. d. § 5 Abs. 3 MarkenG – nicht in zumutbarer Weise durch eine Prüfung der angebotenen Bücher eingrenzen ließe und deshalb das Geschäftsmodell des breitgefächerten Angebots von Büchern jeder Art in Frage stellen könnte.

Im Hinblick auf die Rolle, die Buchhändler spielen, sieht das Gericht die Pressefreiheit (Art.5 GG) berührt. Daneben muss natürlich auch die Garantie des Eigentums (Art.14 GG) gesehen werden, wenn Urheberrechtsinhaber mit Rechtsverletzungen konfrontiert werden. Das Gericht sieht hier im Ergebnis ein „Haftungsregime“ das zur Sicherung aller Positionen etabliert werden muss. Dies gestaltet sich dann wie folgt:

Einem allgemeinen Interesse an der Tätigkeit eines Anbieters von Dienstleistungen im Internet kann – auch bei eigenen Rechtsverletzungen des Anbieters – dadurch Rechnung getragen werden, dass dessen Haftung auf solche Verstöße beschränkt wird, die begangen werden, nachdem er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist […] Wirtschaftlich gesehen beschränkt sich die Privilegierung deshalb darauf, dass Buchhändler die Kosten für einen abmahnungsähnlichen ersten Hinweis auf die Rechtsverletzung nicht zu tragen haben, es ihnen aber im Anschluss daran obliegt, dem Hinweis entsprechende Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden.

Damit sind Urheberrechtsinhaber nicht schutzlos, müssen aber damit leben, dass nicht vor Kenntnis des Buchhändlers ein Unterlassungsanspruch zusteht.

Eine Haftung als Gehilfe scheidet bereits mangels des notwendigen Vorsatzes aus.

Zur Störerhaftung meint das Gericht:

Die Beklagte ist auch nicht als Störerin zur Unterlassung verpflichtet. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, a.a.O. , – File-Hosting-Dienst Tz. 30 m. w. N.). Der Beklagten ist es erst recht insoweit, als sie als Störerin in Anspruch genommen wird, nicht zuzumuten, jede von den Verlagen auf ihren Servern hochgeladene Datei auf rechtsverletzende Inhalte zu untersuchen; denn das würde wegen des damit verbundenen immensen Aufwands ihr Geschäftsmodell gefährden, das nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Verlage angelegt ist (vgl. BGH, a.a.O. , – File-Hosting-Dienst Tz. 44 m. w. N.).

Im Ergebnis steht eine ausgewogene Lösung: Weder ein Freibrief für Buchhändler, noch eine Überlastung.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner