Urheberrecht versus Stadtplanung

In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Februar 2024 (Az.: 13 U 57/23) ging es um den Konflikt zwischen dem Erhaltungsinteresse des Urhebers einer Platzgestaltung und dem Interesse der Gemeinde an einer Umgestaltung des Platzes.

Der Fall drehte sich um eine Brunnenanlage auf dem Andreas-Hermes-Platz in Hannover, die Teil einer von Prof. Gustav Lange entworfenen Platzgestaltung ist. Diese Entscheidung bietet wertvolle Einblicke in die rechtlichen Abwägungen, die bei der Beurteilung solcher Konflikte erforderlich sind.

Sachverhalt

Der Andreas-Hermes-Platz wurde in den späten 1980er-Jahren von dem Landschaftsarchitekten Prof. Gustav Lange entworfen und 1990 fertiggestellt. Die Platzgestaltung umfasst mehrere charakteristische Elemente, darunter eine Brunnenanlage („Wasserspiegel“), eine Wasserwand sowie verschiedene Baum- und Stufeneinfassungen. Diese Elemente sollten eine harmonische Einheit bilden und das architektonische Gesamtbild des Platzes prägen.

Die Stadt Hannover beschloss im August 2023, den sanierungsbedürftigen Brunnen zu entfernen, um den Platz einer neuen Nutzung zuzuführen. Der Bezirksrat Mitte stimmte dieser Entscheidung im Oktober 2023 zu. Daraufhin beantragten die Erben von Prof. Lange eine einstweilige Verfügung zur Unterlassung der Beseitigung des Brunnens, welche vom Landgericht Hannover zunächst abgewiesen wurde.


Rechtliche Analyse

Im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung steht § 14 UrhG, der das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt. Dieses Recht umfasst auch den Schutz vor der Vernichtung eines Werkes, da dies das geistige Band zwischen dem Urheber und seinem Werk durchtrennt und das Fortwirken des Werkes als Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers beeinträchtigen kann.

Interessenabwägung

Das Gericht betonte, dass eine umfassende Abwägung zwischen dem Erhaltungsinteresse der Erben des Urhebers und dem Interesse der Stadt an der Umgestaltung des Platzes erforderlich ist. Aufseiten des Urhebers sei zu berücksichtigen, dass die Brunnenanlage ein wesentliches Element der Platzgestaltung darstellt und durch ihre Entfernung die künstlerische Gesamtkonzeption erheblich beeinträchtigt würde.

Auf Seiten der Stadt Hannover standen insbesondere die beabsichtigte Neugestaltung des Platzes und die damit verbundenen bautechnischen und finanziellen Erwägungen im Vordergrund. Das Landgericht Hannover argumentierte, dass die kommunale Selbstverwaltung und das Interesse an einer neuen Nutzung des Platzes grundsätzlich Vorrang vor den Interessen des Urhebers haben könnten, speziell wenn bautechnische Gründe oder eine veränderte Nutzung vorliegen.

Urteil des Oberlandesgerichts Celle

Das Oberlandesgericht Celle hob die Entscheidung des Landgerichts auf und stellte fest, dass das Erhaltungsinteresse der Erben von Prof. Lange derzeit überwiegt. Dies wurde damit begründet, dass die Stadt Hannover noch keine konkreten Planungen für die zukünftige Nutzung des Platzes vorgelegt hatte und dass die geplante Entfernung des Brunnens erhebliche und nicht hinreichend belegte Sanierungskosten verursachen würde.

Das Gericht erkannte an, dass der Brunnen als integraler Bestandteil der Platzgestaltung eine vergleichsweise hohe Gestaltungshöhe aufweist und somit ein bedeutendes Werk der Baukunst darstellt. Auch die Tatsache, dass der ursprüngliche Entwurf von Prof. Lange in einem Architektenwettbewerb ausgezeichnet wurde, unterstreicht die künstlerische und kulturelle Bedeutung des Werkes.

Fazit

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle betont die Bedeutung des Urheberpersönlichkeitsrechts und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung der beteiligten Interessen. Sie zeigt, dass das Erhaltungsinteresse des Urhebers und seiner Erben auch gegenüber den legitimen Interessen der öffentlichen Hand an einer Neugestaltung von öffentlichen Plätzen durchsetzbar sein kann – wenn keine hinreichend konkreten und nachvollziehbaren Planungen für eine zukünftige Nutzung vorliegen. Diese Entscheidung stärkt somit den Schutz von Kunstwerken im öffentlichen Raum und hebt die Bedeutung des kulturellen Erbes hervor.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner