Urheberrechtsschutz bei Werken der angewandten Kunst

Der Bundesgerichtshof (I ZR 143/12) hat klargestellt, dass an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen sind, als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens.

Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass sie die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen:

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Soweit die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG auch Entwürfe solcher Werke schützt, entspricht sie dem allgemeinen Grundsatz, dass auch Vorstufen eines Werkes geschützt sind, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 1985 – I ZR 52/83, BGHZ 94, 276, 281 f. – Inkasso-Programm; Urteil vom 23. Juni 2005 – I ZR 227/02, GRUR 2005, 854, 856 = WRP 2005, 1173 – Karten-Grundsubstanz; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 2 UrhG Rn. 133; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 2 Rn. 187). Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (…)

 An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen (…)

Es ist auch nicht zu befürchten, dass damit in der angewandten Kunst die Nutzung eines weiten Bereichs freier Formen übermäßig eingeschränkt wird. Auch wenn bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, ist bei der Beurteilung, ob ein solches Werk die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht (vgl. BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 36 – Seilzirkus). Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 45 – Infopaq/DDF; GRUR 2011, 220 Rn. 48 bis 50 – BSA/Kulturministerium; GRUR 2012, 156 Rn. 98 – Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 166 Rn. 89 bis 93 – Painer/Standard u.a.; GRUR 2012, 386 Rn. 38 f. – Football Dataco u.a./Yahoo u.a.; GRUR 2012, 814 Rn. 67 – SAS Institute/WPL). Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen müssen, ist der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maß die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (vgl. BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 25 – Seilzirkus, mwN). Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1986 – I ZR 160/84, GRUR 1987, 360, 361 – Werbepläne; Urteil vom 28. Februar 1991 – I ZR 88/89, GRUR 1991, 529, 530 – Explosionszeichnungen, mwN; BGH, GRUR 2011, 803 Rn. 63 – Lernspiele).

Bei der Beurteilung, ob ein Werk der angewandten Kunst die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, ist mit dem BGH zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht. Weiterhin ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner