Was das Landgericht Stuttgart (17 O 303/12, hier im Volltext) da mit (Versäumnis-)Urteil entschieden hat, wird uns in den nächsten Tagen noch oft beschäftigen. Dabei ist es inhaltlich nicht einmal überraschend und letztlich wohl der „Taktik“ des Beklagten geschuldet, dass es so ausging. Es wird auch nicht lange dauern, bis jemand voller Inbrunst schreibt, dass man Facebook-Seiten nun nicht mehr rechtssicher betreiben kann. Das wird allerdings etwas hoch gestapelt sein.
Worum ging es
Auf einer Facebook-Seite hat ein Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Bild „geteilt“. Der Facebook-Seitenbetreiber entfernte dieses Bild nach erstem Hinweis nicht. Es folgte die Abmahnung, auf die auch (gar) nicht reagiert wurde. Sodann wurde das Gericht angerufen, wo man letztlich auch nicht reagierte bzw. verhandelte, weswegen ein Versäumnisurteil erging.
Rechtlicher Hintergrund
Das Vorgehen des Rechteinhabers begegnet bei mir keiner Kritik, sie entspricht dem Üblichen. Der Facebook-Seitenbetreiber war nicht selber Täter der Urheberrechtsverletzung. Insofern war er auf den Rechtsverstoss hinzuweisen. Hätte er dann reagiert, wäre eine Abmahnung ohne Grundlage gewesen. Da er nicht reagiert hat, konnte die Abmahnung folgen. Da hier wiederum nicht reagiert wurde, insbesondere keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, hat man gerichtlichen Schutz gesucht.
Problem: Die Vorgabe des Gerichts
Vom Gericht wurde nun aufgegeben, es zu unterlassen
auf der Internetseite des Beklagten innerhalb der Community Facebook unter der URL http://www.facebook.com/… das nachfolgend aufgezeigte Foto in der geschehenen Weise, nämlich in Form eines Nutzerbeitrages vom 08.05.2012 um 22.11 Uhr, ohne Zustimmung des Klägers zu vervielfältigen und/oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und/oder diese Handlungen durch Dritte ausführen zu lassen. (Hinweis: Das Bild war als Anlage beigefügt)
Das liest sich auf den ersten Blick zugänglich, auf den zweiten Blick ergeben sich Probleme. Zum einen macht der Tenor unzureichend klar, was nun zu unterlassen ist: Ist alleine das Posting „vom 08.05.2012 um 22.11 Uhr“ zu entfernen? Oder ist jegliches Posting zu unterbinden, dass das im Anhang beigefügte Foto aufweist? Letzteres wäre durchaus vertretbar, insbesondere wenn man weiter überlegt ob es als „kerngleicher Verstoss“ zu werten wäre. Das Ergebnis dieser Sichtweise: Dieser Facebook-Seitenbetreiber würde in Zukunft jedes Mal ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro zahlen müssen, wenn nur irgendein Nutzer dieses Bild auf seiner Seite postet.
Andererseits wird hier klar auf den konkreten Beitrag Bezug genommen, der alleine zu entfernen ist, wobei es aber schon wundert, dass der Post nicht konkreter Benannt ist, etwa unter Benennung des Usernamens, oder als Screenshot beigefügt ist. Ich sehe diese halbherzige Konkretisierung in diesem konkreten Fall durchaus als Problem.
Aber: Keine Verallgemeinerung
Tatsächlich geschuldet sein dürfte alleine das Entfernen des konkreten Beitrags. Eine pro-aktive Prüfungspflicht für die Zukunft wäre unvertretbar. Sauber wäre m.E. in solchen Fällen zudem die konkrete Benennung des Usernamens, nicht zuletzt, weil Seitenbetreiber einzelne User sperren können und damit relativ leicht ein Maximum an Vorsorgepflichten erfüllen können.
Nächstes Problem: Auskunftsanspruch
Befremdlich finde ich auch den Auskunftsanspruch, den das Gericht in dieser Form zuspricht:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger durch Vorlage einer geordneten und vollständigen Aufstellung Auskunft zu erteilen über Art, Umfang und Dauer der Nutzung des zu Ziffer 1 aufgezeigten Bildes in der geschehenen Verbreitungsweise.
natürlich steht ein Anspruch dieser Art zu, das sollte nicht zur Diskussion stehen. Umfassend in dieser Formulierung kann ihn der Beklagte aber gar nicht erfüllen, da er selber gar nicht weiss, was mit dem Bild etwa auf den Facebook-Servern passiert – das aber gehört zu einer „vollständigen Aufstellung hinsichtlich Umfang der Nutzung“.
Weniger Wert weil Versäumnisurteil?
Als letztes wird der ein oder andere darauf verweisen, dass dies doch „nur“ ein Versäumnisurteil ist. Tatsächlich wäre die Entscheidung mit guter Verteidigung des Beklagten noch Gehaltvoller. Tatsächlich aber prüft ein Gericht auch bei einem Versäumnisurteil, ob die rechtliche Grundlage für den Anspruch da ist. Der Jurist spricht hier von einem schlüssigen Vortrag des Klägers: Nur wenn der Kläger so vorträgt, dass der Anspruch sich auch ergibt, wird ein Urteil zu seinen Gunsten ergehen. Er muss halt z.B. zu beweisenden Vortrag einfach nur behaupten mangels Bestreiten des Gegners – da wird es halt einfach beim Versäumnisurteil.
Ergebnis
Die Entscheidung hätte sehr viel mehr Inhalt bieten können und beschränkt sich nun leider nur auf die – aus juristischer Hinsicht wenig überraschende Erkenntnis – dass ein Facebook-Seiten-Betreiber für Urheberrechtlsverletzungen durch Nutzerkommentare in Anspruch genommen werden kann. Eine sofortige Reaktion nach erstem Hinweis alleine hätte dieses Urteil bereits erspart und ist insofern jedem Seitenbetreiber zu empfehlen. Das bedeutet gerade bei privaten Seitenbetreibern, dass man für den Fall einer längeren Ortsabwesenheit für eine Urlaubsvertretung zu sorgen hat, die im Ernstfall zeitnah reagieren kann.
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