Dass eine zustimmende Kommentierung von Inhalten, die den Nationalsozialismus verherrlichen oder sonst nationalsozialistisches, antisemitisches oder rassistisches Gedankengut enthalten, geeignet ist, Zweifel an der Bereitschaft eines Polizeivollzugsbeamten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, zu begründen und damit auch ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zu rechtfertigen, hat das VG Magdeburg (5 B 17/23 MD) deutlich gemacht.
Aus der Entscheidung:
Die Auswertung ergab, dass … über die Applikation WhatsApp ein sogenanntes Meme (Bild, das in sozialen Netzwerken schnell und weit verbreitet ist) sendete. Das Bild zeigte eine auf der Couch liegende Frau mit freiem Unterkörper und einen jungen Mann, der sich von der Frau abwendet und auf einen Fernsehbildschirm mit der Abbildung von Adolf Hitler schaut.
Das Bild war wie folgt untertitelt: „Es gibt Dinge, die einfach wichtiger sind…“. Am selben Tag um 19:30 Uhr kommentierte der Antragsteller den Inhalt des Bildes mit einem Emoji in Gestalt eines nach oben zeigenden Daumens. Diese Verhaltensweise begründet Zweifel an der Bereitschaft des Antragstellers, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.
Mit dem nach oben zeigenden Daumen als Symbol der Zustimmung bzw. des Gefallens sympathisiert der Antragsteller mit der Verherrlichung nationalsozialistischen Gedankenguts, der damit einhergehenden Gewaltherrschaft und einer allgemein menschenverachtenden Einstellung seines WhatsApp-Chatpartners.
Der Inhalt des streitbefangenen Memes ist gerade keine ironisch-kritische Auseinandersetzung mit der Thematik des Nationalsozialismus oder „nur“ ein (geschmackloser) sexistischer Witz, sondern intendiert bei objektiver Betrachtungsweise jedenfalls auch eine Glorifizierung der Person Adolf Hitlers. Das Bild bringt zum Ausdruck, dass Verlautbarungen Hitlers bzw. dass nationalsozialistischem Gedankengut ein bestimmendes Gewicht zukämen. Gegenstand des Spottes in dem Bild ist mithin nicht Hitler, sondern die Frau. Der Antragsteller ist dieser Verherrlichung nicht nur nicht aktiv entgegengetreten. Er hat mit seinem Kommentar, dem erhobenen Daumen, Sympathie für die mit dem Meme zum Ausdruck gebrachte Überhöhung der Person Hitlers bekundet und damit eine fehlende charakterliche Festigung zu erkennen gegeben. […]
Die in Art. 33 Abs. 5 GG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verankerte, jedem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten muss.
Damit einher geht nicht nur das Verbot einer gegen die Verfassung gerichteten Verhaltensweise, sondern eine Pflicht zum aktiven Handeln. Bekenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhaltung der demokratischen Grundordnung ermöglicht (BayVGH, Urteil vom16. Januar 2019 – 16a D 15.2672 –, juris, Rn. 25 m.w.N.). Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung umfasst eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition zu rechnen (BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 – 1 BvB 1/51 –, juris, Rn. 38). Die Verpflichtung zur Verfassungstreue verlangt, dass der Beamte sich zu dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt, aktiv für sie eintritt und sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 –, juris, Rn. 42). Das Versenden sowie das zustimmende Kommentieren von Inhalten, die den Nationalsozialismus verherrlichen oder sonst nationalsozialistisches, antisemitisches und rassistisches Gedankengut enthalten, ist daher geeignet, Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Beamten zu begründen und damit auch ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zu rechtfertigen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.März 2021 – 6 B 2055/20 –, juris, Rn. 26).
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