Wem gehören die Kundendaten und Kontakte?

„Wem gehören die Kundendaten?“ – eine Frage, die gar nicht so modern ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Allerdings ist zu sehen, dass die Fragestellung sich in der heutigen Zeit massiv verschärft hat.

Wo früher vielleicht die Kundenkartei auf dem Schreibtisch stand oder in einer zentralen Registratur erfasst war, stehen heute unmittelbare Kontakte in persönlichen Netzwerken wie LinkedIN und Datenspeicherungen auf Smartphones. Theoretisch ist es denkbar, dass ein Arbeitnehmer oder Subunternehmer von heute auf morgen die Geschäftsbeziehung beendet – und ohne erneut das Büro zu betreten, Zugriff auf alle wichtigen Kundendaten hat.

Ein Problem, das immer noch unterschätzt wird – insbesondere auch strafrechtlich, wie unser Alltag zeigt. Denn zunehmend sind Arbeitnehmer mit dem Vorwurf konfrontiert, Kundendaten „gestohlen“ zu haben.

Schützen Sie Ihre Kundendaten

Das Positive vorweg: Die Unternehmen werden zunehmend sensibilisiert. Ich bin immer häufiger damit beauftragt, vertragliche Vereinbarungen zu entwerfen, die im Einzelfall dafür sorgen, dass man nicht mitansehen muss, wie die eigenen Kundendaten abgegraben werden bzw. zur Bürotür hinausspazieren. Es kann aber nur deutlich vorweggesagt werden: Schützen Sie Ihre Kundendaten! Unterschätzen Sie das Problem nicht, das nach meiner Erfahrung gerade nicht nur „größere Unternehmen“ trifft, sondern eben auch die kleinen mittelständischen Unternehmen.

Kundendaten sind Geschäftsgeheimnisse

Dass Kundendaten als Geschäftsgeheimnisse einzustufen sind sollte nicht überraschen. Das LG Köln (31 O 678/09) brachte es vor einigen Jahren in aller Kürze auf den Punkt:

Die (…) aufgeführten Daten stellen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Sinne des § 17 Abs. 2 UWG dar. Danach stellt jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis dar, wenn die Tatsache nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll. Kundendaten eines Unternehmens sind Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, wenn sie Kunden betreffen, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht und sie daher auch schon in Zukunft als Abnehmer des angebotenen Produkts in Frage kommen. (vgl. BGH, Urteil v. 26.02.2009, Az. I ZR 28/06)

Nun erging diese Entscheidung vor Schaffung des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes, welches weitere Anforderungen stellt. Instruktiv hat sich hierzu das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (12 SaGa 4/20, hier bei uns) geäußert, das die wesentlichen Prinzipien schön auf den Punkt bringt.

So stellte das LAG ebenfalls klar, dass es sich bei Kundendaten auch seit Geltung des GeschGehG (natürlich) ebenso um Geschäftsgeheimnisse handelt, wie bei Absatzmengen. Allerdings gilt nach Maßgabe des GeschGehG die Notwendigkeit angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen. Ohne diese liegt ein Geschäftsgeheimnis nicht vor – es konzentriert sich also seit Geltung des GeschGehG auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer auf die Frage, ob angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen anzunehmen sind.

Derartige Maßnahmen können durchaus auch vorliegen, wenn vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen wurden, sei es vor, während oder auch nach der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Hierbei nicht ausreichend ist eine Vereinbarung, die versucht, sämtliche Angelegenheiten und Vorgänge, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden, als geheimhaltungsbedürftig festzustellen.

Die Qualifizierung als Geschäftsgeheimnis hat handfeste juristische Folgen: Hier greift dann der Geheimnisschutz, der nicht nur Unterlassungsansprüche zur Seite stellt, sondern eine Strafbarkeit begründet, wenn derartige Daten entwendet werden.

Kundenklau: Erscheinungsformen

Wir kennen alle die Presseberichte über große Unternehmen, wo jemand mit einem USB-Stick Kundendaten kopiert hat. Kleinere Unternehmen denken über so etwas angesichts des geschilderten Szenarios nicht nach. Die folgenden willkürlich ausgewählten Beispiele aus meiner Praxis sollen verdeutlich wie immens das Problem inzwischen ist:

  • Beispiel Fitnessclub: Ein Arbeitnehmer auf Minijob-Basis, der im Bereich persönlicher Kundenbetreuung aktiv war, scheidet aus dem Unternehmen aus und wechselt zu einem konkurrierenden Unternehmen in der gleichen Region. Dieses bietet plötzlich für „Wechsler“ ein Sonderangebot, während der Mitarbeiter die Kunden anschreibt und auf seinen Wechsel hinweist. 
  • Beispiel Softwareersteller und Baubranche: Ein Generalunternehmer beschäftigt Subunternehmer. Der Generalunternehmer kümmert sich um die Abwecklung und gibt die Aufträge zur Ausführung an die Subunternehmer weiter, die Naturgemäß in unmittelbaren Kundenkontakt treten. Nun spricht der Subunternehmer die Kunden an, dass sie X Prozent sparen können, wenn sie den Subunternehmer direkt beauftragen.
  • Beispiel Werbeagentur I: Der bisherige Mitarbeiter geht – und mit ihm zwar nur 2 von 50 Kunden, die 2 Kunden machten aber 20% des Umsatzes aus.
  • Beispiel Werbeagentur II: Ein neuer Mitarbeiter kommt mit neuen Kundendaten, nach 1 Jahr trennt man sich – und der Mitarbeiter möchte seine Kunden wieder mitnehmen. Vertraglich wurde dazu natürlich nichts vereinbart, man mochte sich ja am Anfang bei der Einstellung.

Und dann natürlich der Klassiker, über den man viel liest, den ich in der Praxis aber noch nicht hatte: Ein Mitarbeiter hat in seinem LinkedIN-Profil sämtliche Kunden des Unternehmens als Kontakt und nach der Kündigung streitet man sich um das Profil.

Was ist generell erlaubt bei der Verwendung Kundendaten?

Kurzum: Wer unerlaubt mit Kundendaten hantiert, kann sich einmal strafbar machen nach §17 UWG oder ggfs. §§43 II Nr.1, 44 BDSG. Daneben kann die unerlaubte Verwendung von Kundendaten einen Wettbewerbsverstoß darstellen, ggfs. nicht nur hinsichtlich des ehemaligen Arbeitnehmers sondern auch des Unternehmers für den er arbeitet. Aber nicht jedes Mitnehmen ist ein Verstoß!

Der Bundesgerichtshof (I ZR 47/61, I ZR 2/97, I ZR 153/99 und I ZR 28/06) hat festgestellt, dass ein Mitarbeiter die während der Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden darf, sofern er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt – allerdings nur für Informationen, die

  • er in seinem Gedächtnis bewahrt oder,
  • auf die er aufgrund anderer Quellen zugreifen kann, zu denen er befugt Zugang hat.

Letzteres bezieht sich aber nicht auf die Informationen, die nur deswegen noch bekannt sind, weil auf (private) schriftliche Unterlagen zurückgreifen wird, die während der Beschäftigungszeit angefertigt wurden (BGH, I ZR 119/00). Dies gilt auch bei elektronischen Aufzeichnungen, etwa wenn eine Datei auf dem privaten Laptop vorhanden ist (BGH, I ZR 126/03). Mit dem BGH ist also zu sehen, dass gerade Kundenlisten einen besonderen Geheimnisgehalt haben (BGH, I ZR 126/03) und der Arbeitnehmer selbst auf private Aufzeichnungen nicht zurückgreifen darf, um hier zu Lasten seines früheren Arbeitgebers zu handeln.

Die Erkenntnis an dieser Stelle: Dem BGH ist es – zu Recht – herzlich egal, ob die Daten aus privaten Aufzeichnungen stammen, letztlich handelt es sich um Daten von solcher Wichtigkeit, dass darauf keine Rücksicht genommen wird. Zumal der Ursprung der Daten letztlich ohnehin die Geschäftsbeziehung zum Arbeitgeber ist, das wird nicht dadurch aufgeweicht, dass man es sich auf seinen privaten Notizblock schreibt. Die Diskussionen hinsichtlich der Frage, ob es sich um einen privaten oder geschäftlichen LinkedIN-Account gehandelt hat in dem die Daten gespeichert sind, sind damit für mich hinfällig, da der Betreffende in jedem Fall die Daten herauszugeben hat und nicht verwenden darf. Natürlich muss man nicht die Zugangsdaten zu seinem LinkedIN-Account herausgeben, aber dann eben eine (um nicht dazu gehörende Kontakten bereinigte) Export-Liste.

Beispiel: Einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln gegenüber einem Handelsvertreter

Beim Landgericht Köln (31 O 678/09) finden sich zu dieser Thematik ebenfalls Ausführungen – hier wurde erfolgreich eine einstweilige Verfügung beantragt:

Der Antragsgegner hat sich das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis auch unbefugt im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG beschafft. Der Bundesgerichtshof hat hierzu folgendes ausgeführt:

„Ein ausgeschiedener Mitarbeiter darf zwar die während der Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt (vgl. BGHZ 38, 391, 396 – Industrieböden; BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91, 92 = WRP 2001, 1174 – Spritzgießwerkzeuge). Dies gilt allerdings nur für Informationen, die er in seinem Gedächtnis bewahrt (BGH, Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, GRUR 1999, 934, 935 = WRP 1999, 912 – Weinberater) oder auf die er aufgrund anderer Quellen zugreifen kann, zu denen er befugtermaßen Zugang hat. Die Berechtigung, erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch bekannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat (BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, GRUR 2003, 453, 454 = WRP 2003, 642 – Verwertung von Kundenlisten). Liegen dem ausgeschiedenen Mitarbeiter derartige schriftliche Unterlagen – beispielsweise in Form privater Aufzeichnungen oder in Form einer auf dem privaten Notebook abgespeicherten Datei – vor und entnimmt er ihnen ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Arbeitgebers, verschafft er sich damit dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (BGH GRUR 2006, 1004 Tz. 14 – Kundendatenprogramm, m.w.N.).

Einem solchen Verwertungsverbot im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterliegen nicht nur angestellte Handelsvertreter i.S. von § 84 Abs. 2 HGB, sondern auch Handelsvertreter, die eine selbständige Tätigkeit ausüben (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Nach § 90 HGB darf der (selbständige) Handelsvertreter Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekannt geworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen würde. (…) Das Verwertungsverbot nach § 90 HGB betrifft grundsätzlich alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die dem ausgeschiedenen Handelsvertreter während des Vertragsverhältnisses bekannt geworden sind. (…)“

Nicht unterschätzen sollte man die Problematik der Beweislast, wie ein Beispiel aus dem Jahr 2002 zeigt: Gegen einen Handelsvertreter ist ein Unterlassungsanspruch auf Verwertung jeglicher Kundendaten begründet, wenn er nach seinem Ausscheiden Kundenlisten seines früheren Unternehmens, die er unbefugt an sich gebracht hat, verwertet. Entschieden wurde dies im Fall des Inhabers einer Weinhandlung, der früher als Handelsvertreter für ein Vertriebsunternehmen für Weine und Spirituosen tätig war. In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wurden in seinen Geschäftsräumen Kundenlisten der Vertriebsgesellschaft gefunden. Mit der Behauptung, der Weinhändler verwerte diese Kundenlisten, hat die Vertriebsgesellschaft diesen auf Unterlassung verklagt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken wies darauf hin, dass es dem Handelsvertreter untersagt ist, Aufzeichnungen aus der Kundenkartei seines ehemaligen Unternehmens im Wettbewerb zu verwerten. Im vorliegenden Fall war jedoch eine tatsächliche Verwertung oder eine unmittelbar bevorstehende Verwertung nicht nachgewiesen. Das OLG wie den Unterlassungsanspruch daher wie folgt zurück: Die Verwertung der Kundendaten geht über das „bloße Wissen“ hinaus. Sie erfordert eine wirtschaftliche Nutzung zur Gewinnerzielung oder Kostensenkung. Dies setzt voraus, dass die Kundendaten in die eigene Kundenliste eingespeist oder konkrete Kontakte mit den Kunden zum Abschluss von Geschäften angebahnt wurden. Dies konnte die Vertriebsgesellschaft dem Handelsvertreter nicht nachweisen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.7.2002).

Und wie sieht es mit der Herausgabe aus?

Wenn der Mitarbeiter die Kundendaten einmal nicht verwendet – aber andererseits darauf hockt und sie nicht umfänglich herausgibt, muss man sich das gefallen lassen? Mit dem BGH (I ZR 294/90) wohl ebenfalls nicht, jedenfalls bei Handelsvertretern sah er es als Kernelement der vertraglichen Abwicklung an, dass dieser die Daten bei Beendigung Herauszugeben hat. Ich sehe es bei Arbeitnehmern letztlich inhaltlich genauso: Diese haben dem Arbeitgeber Arbeitsmittel etc. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurück zu geben, dazu gehören auch vorhandene Kundendaten. Dass die vielleicht auf dem privaten Laptop oder in einem privaten LinkedIN-Account gespeichert sind, schadet nicht (siehe oben).

Urteil: XING-Kontakte sind Geschäftsgeheimnisse

Es sollte dann auch nicht überraschen, dass das Arbeitsgericht Hamburg (29 Ga 2/13) entschieden hat, dass XING-Kontakte als Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse nach §17 II UWG zu qualifizieren sind (XING ist eine Businessplattform, die zumindest früher mal ähnlich zu LinkedIN beschrieben werden kann) als . Wer sich diese Daten als ehemaliger Arbeitnehmer unbefugt verschafft bzw. unbefugt sichert und dann damit eigennützig tätig ist, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Aber: Das ist kein Selbstläufer! In Hamburg unterlag der Arbeitgeber am Ende, weil er nicht nachweisen konnte, dass die streitgegenständlichen Kontakte im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit des ehemaligen Arbeitnehmers entstanden sind. Wenn etwa private Kontakte hergestellt werden, vielleicht auch gelegentlich – aber eben nicht anlässlich! – einer geschäftlichen Tätigkeit, so handelt es sich eben nicht zwingend um geschützte Kundendaten. Die Details machen es aus.

Was Unternehmen am klügsten tun…

… ist eine klare vertragliche Absprache. Alles andere ist schlichtweg dumm. Man kann insofern vertraglich Geheimhaltungspflichten, Schutzmaßnahmen wie Versicherungen und Konkurrenzschutz-/Wettbewerbsklauseln aufnehmen, dies dann noch ggfs. mit Vertragsstrafeklauseln garnieren. Im Umgang mit Arbeitnehmern empfiehlt es sich zum Schutz beider Seiten, alles klar zu regeln, bevor Streit aufkommt. Losgelöst von den rechtlichen Erwägungen oben kann man etwa vertraglich vereinbaren, dass es einen geschäftlichen und einen privaten LinkedIN-Account gibt, wobei Kundenkontakte nur über den geschäftlichen Account erlaubt sind.

Gerade bei Arbeitnehmern wird sich schnell das Problem stellen, die getroffenen Vereinbarungen AGB-rechtlich mit Bestand zu formulieren. Hier gilt, dass nicht alles was man sich wünscht auch nahtlos als AGB übernommen werden kann, ebenso wie überzogene Vertragsstrafen bei Arbeitnehmern nicht lange halten werden. Gefragt ist an der Stelle die Betrachtung des Einzelfalls, wobei bei Handelsvertretern der §90a HGB zu beachten ist samt obiger Entscheidung des BGH.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner