Das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb reglementiert die an Kinder gerichtete Werbung streng, wenn in der Anlage zum UWG zu lesen ist
„Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind […] die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen;“
Die immer wieder spannende Frage dabei ist, wann sich eine Werbung so an Kinder richtet, dass von einer derartigen „unmittelbaren Aufforderung“ zu sprechen ist. Der Bundesgerichtshof (I ZR 34/12) hat sich damit in einer – zu Recht – vielkritisierten Entscheidung auseinandergesetzt.
Bei der Bewertung einer Werbemaßnahme ist klugerweise zweistufig vorzugehen: Zuerst wird geprüft, ob es sich überhaupt an eine Aufforderung an Kinder richtet, sodann ob diese unmittelbar ist.
Aufforderung an Kinder Es muss eine Aufforderung zum Kauf vorliegen, die sich an Kinder richtet. Dies ist nicht der Fall, wenn es um eine an jedermann gerichtete Werbung handelt, von der sich dann lediglich auch Minderjährige angesprochen fühlen. Ausreichend ist es aber, wenn davon auszugehen ist, dass in erster Linie Minderjährige und darunter gerade auch Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gezielt durch die Werbung angesprochen werden. Wann dies nun vorliegt muss im Einzelfall an Hand einer Gesamtbewertung eingeschätzt werden.
Im vorliegenden Fall äussert der Bundesgerichtshof folgende Kriterien:
- Nicht ausreichend ist es für eine solche Ansprache, dass alleine die Ansprache „Du“ laufend verwendet wird, da dies heute auch gegenüber Erwachsenen üblich ist.
- Ausreichend ist es aber wohl, wenn eine Werbung von einer durchgängigen Verwendung der direkten Ansprache in der zweiten Person Singular und überwiegend kindertypischen Begrifflichkeiten inkl. gebräuchlicher Anglizismen geprägt ist.
Nun lohnt sich hinsichtlich des zweiten Punkts der Blick in die konkret betroffene Werbeanzeige. Denn während sich dieses Kriterium so liest, als ob es im Einzelfall sinnvoll anzuwenden wäre, eröffnet es einen sehr weiten Anwendungsspielraum. Die betroffene Aussage las sich nämlich so:
Pimp deinen Charakter-Woche (Überschrift) Ist Dein Charakter bereit für kommende Abenteuer und entsprechend gerüstet? Es warten tausende von Gefahren in der weiten Welt von Taborea auf Dich und Deinen Charakter. Ohne die entsprechende Vorbereitung kann die nächste Ecke im Dungeon der letzte Schritt gewesen sein. Diese Woche hast Du erneut die Chance Deinen Charakter aufzumotzen! Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas‘! Von Montag, den 20. April 17:00 bis Freitag, den 24. April 17:00 hast du die Chance, Deinen Charakter aufzuwerten!
Das hier beworbene Rollenspiel wendet sich (auch) an Erwachsene und bekanntlich werden solche Spiele auch gerne von Erwachsenen gespielt. Insoweit kann alleine die szenetypische Bewerbung eines solchen Spiels bzw. von Zubehör zum Spiel keine Werbung sein, die sich besonders an Kinder richtet. Die Frage ist daher, wo sich hier „kindertypische Begrifflichkeiten“ finden lassen. Tatsächlich zeigt sich dann bei genauer Betrachtung, dass bestenfalls die Begriffe „Pump“ und „aufzumotzen“ in diesen Bereich fallen. Alles weitere ist Szenejargon ohne irgendeinen konkreten Altersbezug. Insoweit ist an dieser Stelle zu Recht zu kritieren, dass nicht nachzuvollziehen ist, warum es sich hier im Gesamtbild um eine Werbung handeln soll, die sich derart an Kinder richtet. Zugleich demonstriert die Entscheidung an dieser Stelle den weiten Spielraum, der sich Richtern (und deren persönlicher Einschätzung) eröffnet.
Dass es sich hier letztlich um eine konkrete Aufforderung zum kauf handelt begegnet dagegen keinen Bedenken: „Schnapp dir…“ ist wie ein „Hold dir…“ zu verstehen und eindeutig auf den Kauf ausgerichtet.
Unmittelbarkeit der Aufforderung Der vorliegende Fall demonstriert das Problem ganz gut: Kann eine Werbeanzeige, die weder konkrete Produkte/Dienstleistungen, noch konkrete Preise benennt, überhaupt unmittelbar zum Kauf auffordern? Im vorliegenden Fall bejahte der Bundesgerichtshof dies mit einer interessanten Begründung: Teil der Anzeige war ein Link, der zu einem Shop führte, in dem dann die entsprechend beworbenen Utensilien erworben werden konnten. Dies reicht dem Bundesgerichtshof aus:
Aus dem sprachlichen Gesamtzusammenhang der angegriffenen Werbeaussage in Verbindung mit dem zusätzlich unterstrichenen verlinkten sprachlichen Hinweis „Deinen Charakter aufzuwerten“, der zu einer Internetseite führt, auf der die Produkte nebst Preisen im Einzelnen aufgeführt sind, wird der erforderliche Bezug zu den angebotenen Waren und Dienstleistungen hergestellt. Dies ist ausreichend für eine unmittelbare Aufforderung zum Erwerb im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.
Mit de BGH ist zu berücksichtigen, dass ein am Ende des Werbetextes platzierter Verweis nicht nur dazu einlädt, sondern gerade dazu auffordert, diesen Link anzuklicken. Bei Aufruf der Seite wird der Betrachter über die Preise und die Beschaffenheit hinreichend informiert – ohne dass es dazu noch weiterer Zwischenschritte oder eines Suchens bedarf. Denn ein solcher Link, den man erst anklicken muss, ist gerade kein zusätzlich hindernder Zwischenschritt, was der BGH Ergebnisorientiert begründet:
Anderenfalls könnte die dem Schutz von Kindern dienende Bestimmung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG leicht dadurch umgangen werden, dass die Informationen über das beworbene Produkt auf zwei durch einen Link verbundene Seiten verteilt werden, an den die Verbraucher gewöhnt sind und der für sie regelmäßig kein Hindernis darstellt, um an notwendige Produktinformationen zu gelangen.
Der BGH stellt dabei klar, dass diese Gedanken im Internet umso mehr gelten, da Internetanzeigen die Möglichkeit bieten, dass potentielle Käufer sofort den Kauf tätigen – anders als bei Printanzeigen, wo Zwischenschritte zum Kauf notwendig sind. Damit wird dann auch deutlich, dass der BGH hier, zur Umsetzung des Minderjährigenschutzes, sehr streng agieren möchte.
Fazit Die Entscheidung wirft Fragen auf bei der Frage wann sich Werbung an Kinder richtet: Bei einem reinen Betrachten der Urteilsgründe im Allgemeinen erscheint die Begründung des BGH, zumal nicht abschliessend formuliert, durchaus nachvollziehbar. Wenn dann aber die konkreten Umstände des Sachverhalts hinzugezogen werden, ist die Frage offen, wo hier ernsthaft eine an Kinder gerichtete Werbung zu erkennen ist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass bereits die Verwendung sehr weniger „junger Wörter“ in Kombination mit steter Ansprache in Internetanzeigen per „Du“ beim BGH zu einer Ansprache von Kindern führt. Dies jedenfalls bei der Bewerbung von Produkten, die zumindest „gerne“ auch von Kindern genutzt werden. Dies entspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung und darf wohl getrost als enorme Ausweitung betrachtet werden – die der BGH ergebnisorientiert mit dem Schutzbedarf der Minderjährigen begründet.
Auch wenn dies ganz sicher nicht der Lebenswirklichkeit entspricht – wie der BGH selber feststellt! – muss im Ergebnis wohl dazu geraten werden, vorwiegend per „Sie“ anzusprechen, wenn man diesen Bereich bestmöglich meiden möchte.
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