Abgrenzung von Werklieferungsvertrag und Werkvertrag: Die vertragsrechtlich immer wieder interessante Frage der Unterscheidung von Werkvertrag und Werklieferungsvertrag hat das Oberlandesgericht Köln (11 U 183/14) verständlich und nachvollziehbar behandelt.
In dem ging es um die geschuldete Leistung der Lieferung und des Einbaus von Türen, wobei Montage- und Einbaukosten lediglich Beträge von deutlich unter 5 % der Gesamtrechnungssumme ausmachten. Das OLG erkannte hier einen Werklieferungsvertrag, so dass Kaufrecht zur Anwendung kam. Zu diesem Ergebnis kam man aber mit einer sauberen Unterscheidung von Werklieferungsvertrag und Werkvertrag.
Grundsätzliches zur Abgrenzung von Werkvertrag und Werkliefervertrag
So hält das OLG dann zur Bewertung bei der Unterscheidung bzw. Abgrenzung von Werklieferungsvertrag und Werkvertrag fest:
Ein Werklieferungsvertrag ist ein Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat. Wird zudem der Einbau oder die Montage der Sache geschuldet, so kommt es für die Einordnung des Vertrages als Kauf- bzw. Werklieferungsvertrag einerseits oder aber als Werkvertrag andererseits darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Dabei ist vor allem auf die Art des zu liefernden Gegenstandes, das Wertverhältnis von Lieferung und Montage sowie auf die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abzustellen. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz auf den „Besteller“ im Vordergrund steht und je weniger die individuellen Anforderungen des Kunden und die geschuldete Montageleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrages geboten (…)
Bereits ausweislich des äusserst geringen Kostenanteils (weniger als 5%) sieht das OLG im vorliegenden Fall daher den Einbau lediglich als Nebenleistung und insgesamt daher eher einen Werkliefervertrag, also die Anwendung von Kaufrecht, als gegeben an.
Kein Werkliefervertrag sondern Werkvertrag – trotz Sonderanfertigungen
Soweit dann noch vorgetragen wurde, dass die Türen jedoch Maßanfertigungen waren, verfing auch dies nicht. Das OLG verwies darauf, dass alleine die Tatsache einer Sonderanfertigung kein ausreichendes Kriterium für einen Werkvertrag sein kann:
Der Umstand, dass es sich nach dem Vortrag des Klägers um eigens für die Gebäude des Endabnehmers angefertigte Türen handelte, begründet die Anwendung des Werkvertragsrechts nicht. Ein nach dem 31.12.2001 geschlossener Vertrag über die Herstellung und Lieferung von Türen für ein Bauvorhaben ist kein Werkvertrag, sondern auch dann ein Werklieferungsvertrag i.S. des § 651 BGB, wenn die Türen nach speziellem Aufmaß gefertigt wurden (OLG Nürnberg BauR 2007, 122; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 651, Rdn. 5, Stichwort: „Kaufvertragsrecht“). Dies folgt daraus, dass § 651 BGB nach der Neufassung durch Art. 1 I Nr. 42 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes – SMG – die Lieferung beweglicher Sachen unabhängig davon, ob es sich um vertretbare oder unvertretbare Sachen handelt, dem Kaufrecht unterstellt (Palandt/Sprau, a.a.O., Rdn.1). Der Gesichtspunkt der Sonderanfertigung – der Lieferung einer unvertretbaren Sache – führt also gerade nicht zur Anwendung des Werkvertragsrechts, sie führt nur zur ergänzenden Anwendung einzelner, hier nicht eingreifender Bestimmungen des Werkvertragsrechts (§ 651 Satz 3 BGB).
Bundesgerichtshof zur Abgrenzung des Werkvertrages
Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen zu Werkverträgen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt:
- Wenn der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz zu erkennen ist, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor.
- Wenn aber der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern in der Herstellung eines funktionstauglichen Werks liegt, ist ein Werkvertrag anzunehmen.
Der BGH nimmt dabei ausdrücklich Bezug auf die Rechtsprechung des EUGH, mit dem ein Kaufvertrag im Sinne der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorliegt, wenn der Vertrag die Dienstleistung der Montage des verkauften Gutes im Verbund mit dem Kaufabschluss vorsieht und die Dienstleistung den Verkauf lediglich ergänzt, nicht jedoch wenn die Dienstleistung als Hauptgegenstand des Vertrags anzusehen ist (dazu BGH, VII ZR 243/17).
Abgrenzung von Werkvertrag und Kaufvertrag mit Montageverpflichtung
Die Abgrenzung des Kaufvertrags mit Montageverpflichtung, der vom Gesetz in § 434 Abs. 2 BGB a.F. bzw. § 434 Abs. 4 BGB n.F. anerkannt ist, von dem Werkvertrag erfolgt danach, wo der Schwerpunkt der vertraglichen Pflichten liegt – in der Übergabe und Übereignung von (herzustellenden) Sachen oder in der Herbeiführung des jeweiligen Gesamterfolgs durch Lieferung und Montage von Einzelteilen oder in eine andere Sache einzupassenden Gegenständen – bzw. welche Leistungspflichten dem Vertrag sein Gepräge geben (BGH, VIII ZR 244/16, VII ZR 243/17, VIII ZR 49/15, VII ZR 348/13, VII ZR 162/12, VII ZR 183/04, VIII ZR 220/97; OLG Dresden, 6 U 1271/15 und OLG Hamm, 24 U 57/21).
Verschiedentlich wird bei der Beurteilung, wo der Schwerpunkt des Vertrags liegt, darauf abgestellt, welcher Vergütungsteil auf die Montageverpflichtung entfällt (BGH, VIII ZR 244/16: „Verkaufspreis“ mehr als 75 % des Gesamtpreises), oder darauf, ob die Montageverpflichtungen von untergeordneter Bedeutung sind (BGH, VIII ZR 49/15: „Montagepreis“ von etwa 5,5 %).
Mit dem Oberlandesgericht Hamm, 24 U 57/21, kommt es für die Abgrenzung allerdings in erster Linie auf eine qualitative Gesamtbewertung an (Verweis auf BGH, I ZR 98/17, VII ZR 243/17, VII ZR 19/18, VII ZR 348/13 und OLG Frankfurt, Urteil vom 25.02.2019 – 29 U 81/18). Entscheidend wäre damit, ob aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung davon gesprochen werden kann, dass der Schwerpunkt des Vertrags nicht auf dem Warenumsatz, sondern in der Herstellung eines funktionstauglichen Werks zu sehen ist (Oberlandesgericht Hamm, 24 U 57/21 unter Verweis auf BGH, VII ZR 243/17).
Die Rechtsprechung geht danach bei Verträgen, bei denen die passgenaue Herstellung und der passgenaue Einbau von Treppen, Fenstern, Türen, Aufzügen etc. in ein Gebäude im Vordergrund steht, regelmäßig von dem Vorliegen eines Werkvertrags aus. Demgegenüber ist etwa die Lieferung von Bauteilen ohne Einbau bzw. die Lieferung von Türen oder Fenstern nach Maß ohne Einbau als Kaufvertrag qualifiziert worden, wohingegen die Lieferung von Fenstern, Türen und Markisen, die einzubauen sind, als Werkvertrag angesehen worden ist, wie auch die Lieferung und der Einbau eines Ofens oder einer Schließanlage. Zu den Beispielen siehe Oberlandesgericht Hamm, 24 U 57/21, OLG Düsseldorf 22 U 159/11, OLG Dresden, 6 U 1271/15 oder OLG Koblenz, 5 U 492/12.
Werkvertrag oder Werkliefervertrag: Es kommt auf das Gesamtbild an
Letztlich kommt es bei der Frage der Abgrenzung, ob ein Werkvertrag oder Werkliefervertrag vorliegt auf das Gesamtbild an. Und das muss so eindeutig sein, dass ganz klar ein Erfolg und eben nicht mehr schlicht die Lieferung „vertragsprägend“ ist:
Zu einem Werkvertrag wird der Vertrag (erst), wenn die weitere Leistung so sehr in den Vordergrund tritt, dass der Erfolg und nicht die Lieferung des Materials den Vertrag prägt (Voit, a.a.O.). Soweit in der Rechtsprechung Werkvertragsrecht angewendet wurde, waren umfangreiche Montageleistungen zu erbringen gewesen, die den Schwerpunkt der Vertragsleistungen darstellten (so in OLG Koblenz NJW 2012, 3380; OLG Düsseldorf NJW 2013, 618).
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