Werkvertrag: Mängelrechte erst nach Abnahme des Werks

Der Bundesgerichtshof (VII ZR 301/13 und dann abschliessend VII ZR 235/15) konnte inzwischen mehrmals zum Werkvertrag – endlich – klarstellen, dass der Besteller eines Werks Mängelrechte entsprechend § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann.

Dies war im Kern seit der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 bereits herrschende Auffassung vieler OLG und des Schrifttums, doch der BGH hatte sich bisher nicht eindeutig positioniert. Ob ein Werk mangelfrei ist, beurteilt sich damit grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme, de eine Zäsur darstellt.

Hinweis: Beachten Sie dazu auch die umfangreiche Entscheidung des OLG Hamm im Jahr 2022, die auf die vorliegende BGH-Entscheidung Bezug nimmt!

Grundsatz: Mängelrechte im Werkvertrag erst nach Abnahme

So führt der BGH zur Abnahme im Werkvertragsrecht ursprünglich noch etwas zurückhaltend aus:

Bis zur Abnahme kann der Unternehmer grundsätzlich frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Könnte der Besteller bereits während der Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen, kann das mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein. Allerdings stehen dem Besteller in der Herstellungsphase Erfüllungsansprüche und Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zur Verfügung, die unter Umständen schon vor Fälligkeit bestehen können, wie § 323 Abs. 4 BGB zeigt.

Weiter macht der BGH deutlich, dass der Besteller hinreichend geschützt ist, auch wenn sich das Vertragsverhältnis unerfreulich entwickelt. So steht dem Besteller vor der Abnahme der Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 BGB zu, der ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung aus § 634 Nr. 1 BGB die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel hat. Diesen Anspruch kann er einklagen und, falls notwendig, im Regelfall auch nach § 887 ZPO vollstrecken. Im Weiteren steht ihm das allgemeine Leistungsstörungsrecht bis zur Abnahme zur Verfügung.

Es gibt aber auch im Zuge des Interessensausgleichs eine Ausnahme: Der Besteller kann ausnahmsweise berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB auch ohne Abnahme geltend zu machen. Dies dann, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist, etwa wenn Schadensersatz statt der Leistung verlangt wird.

Dies hat am Ende eine Mehrzahl von Auswirkungen im Bereich der vertraglichen Abwicklung: So ist der Besteller berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den (Nach-)Erfüllungsanspruch geltend zu machen, beides steht nebeneinander und führt damit nicht zwingend zu einem Abrechnungsverhältnis. Alleine das Verlangen eines Vorschusses oder auch nur das hilfsweise erklärte Verlangen eines Schadensersatzes kann das Entstehen des Abrechnungsverhältnisses mit dem BGH verhindern. Auf der anderen Seite kann ein unbedingtes Verlangen und verhandlungstaktisch deutlich gemachtes nicht weiter kooperieren-wollen dazu führen, dass (Nach-)Erfüllungsansprüche nicht mehr bestehen. Es ist damit im Ergebnis von besonderer Bedeutung, wie man sich schon im Vorfeld positioniert hat.

Diese Auffassung konnte der BGH (VII ZR 235/15) dann endgültig im Jahr 2017 konkretisieren, als er insoweit dann ausführte:

Der Besteller ist grundsätzlich allerdings erst nach Abnahme des Werks berechtigt, die in § 634 BGB bezeichneten Mängelrechte geltend zu machen (…) Es entspricht aber der Rechtsprechung des Senats, dass im Grundsatz die Abnahme des Werks den maßgebenden Zeitpunkt markiert, ab dem die Mängelrechte des Bestellers aus § 634 BGB eingreifen (…) Der Senat entscheidet nunmehr, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann.

Ausnahme: Beendigung des Vertragsverhältnisses

Allerdings möchte der BGH klargestellt sehen, dass der Besteller in bestimmten Fällen berechtigt sein kann, Mängelrechte ohne Abnahme geltend zu machen:

Das ist zu bejahen, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Macht der Besteller gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er die Minderung des Werklohns, so findet nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Schuldrecht eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt (…). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes jedenfalls für den Fall fest, dass (…) der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet (…)

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner