Whistleblower: Ist „Whistleblowing“ zulässig?

Darf man als Whistleblower tätig sein oder droht eine Kündigung bei Whistleblowing: Grundsätzlich gilt, dass eine Kündigung eines Arbeitnehmers wegen eines so genannten Whistleblowing ist durchaus denkbar. Doch wo liegen die Grenzen der Zulässigkeit des Whistleblowings und was macht ein Whistleblower überhaupt? Ein kurzer Einstieg in das immer wichtiger werdende Thema.

Was ist ein Whistleblower?

Der „Whistleblower“ ist eine Bezeichnung, mit der man – im positiven Sinne – jemanden bezeichnet, der (vermeintliche) Missstände aus seinem betrieblichen oder staatlichen Umfeld in die Öffentlichkeit trägt.

Whistleblowing im Arbeitsrecht

Ein solches Whistleblowing kollidiert naturgemäß mit den Interessen seines Arbeitgebers, das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird durch solche Aktionen maßgeblich gestört, weswegen „Whistleblower“ im Regelfall eher unfreiwillig namentlich bekannt werden. Seit langem ist dabei die Strafanzeige des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer als möglicher Kündigungsgrund anerkannt (dazu nur Bundesarbeitsgericht 2 AZR 60/56 und 2 AZR 2353/02). Abzuwägen ist hierbei die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers mit dem Interesse des Arbeitgebers (EGMR, 28274/08)

Es ist daher zu berücksichtigen, ob ihm andere wirksame Mittel zur Verfügung standen, um etwas gegen den angeprangerten Missstand zu tun, andererseits aber auch ein öffentliches Interesse an einer Offenlegung der Information

Bundesarbeitsgericht zum Whistleblowing (siehe unten)

Geschäftsgeheimnisgesetz und Whistleblower

Inzwischen gilt in Deutschland das Geschäftsgeheimnisgesetz, das die Geschäftsgeheimnisrichtlinie umsetzt. Auch dieses steht gerade einem Whistleblowing nicht entgegen, insoweit normiert §5 GeschGehG ausdrücklich, dass die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses nicht verboten ist, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt. Hier insbesondere gelten dann die Verwendung des Geheimnisses

  • 1ur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien
  • zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen
  • im Rahmen der Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitnehmervertretung, wenn dies erforderlich ist, damit die Arbeitnehmervertretung ihre Aufgaben erfüllen kann.

Änderungen für Arbeitgeber durch Whistleblowing-Richtlinie

Durch die Whistleblower-Richtlinie kommen einige Änderungen auf Arbeitgeber zu, die aber erst noch in nationales Recht in den nächsten Jahren umgesetzt werden müssen. Besonders hervorzuheben sind dabei:

  • Ein internes Meldesystem wird Pflicht wobei die konkrete Ausgestaltung des Meldesystems vorgegeben ist und es Dreistufig aufgebaut sein muss
  • Es wird eine Pflicht zur Einführung von Sanktionen für Arbeitgeber geben
  • Es besteht ein Schutz des Whistleblowers vor „Vergeltungsmaßnahmen“

Ich bin skeptisch, inwieweit die bisherige deutsche Rechtsprechung zum Umgang mit Whistleblowern nach Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie überhaupt noch Bestand haben wird – vielmehr dürfte man unterscheiden, ob der Arbeitgeber die Vorgaben umgesetzt hat und/oder ob der Arbeitnehmer das vorzuhaltende Meldesystem umgangen hat.

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Jens Ferner

Rechtsanwalt

Kündigung von Whistleblower ist denkbar

Schon das LAG Schleswig-Holstein (2 Sa 331/11, Kurzmitteilung dazu hier bei uns) hatte bestätigt, dass bei so genanntem „Whistleblowing“ ein Arbeitsverhältnis aufgelöst werden kann. Im hier vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bei der „Bundesagentur für Arbeit“ wegen angeblichen Missbrauchs der Kurzarbeit-Regelung gemeldet, was zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren führte. Die Kündigung des Arbeitgebers (begründet damit, dass andere Arbeitnehmer drohten, ihrerseits zu kündigen wenn der Betroffene nicht „geht“) war insgesamt unwirksam – jedoch löste das Gericht nach §9 KSchG des Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers wegen der Anzeige des betroffenen Arbeitnehmers auf. Denn:

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es Situationen geben kann, in denen ein Arbeitnehmer berechtigt ist, trotz seiner Verpflichtung zur Loyalität gegenü- ber dem Arbeitgeber und Vertraulichkeit nach außen zu gehen (EGMR Urteil vom 21.07.211 – 28274/08 – NZA 2011, 1269), muss hier festgestellt werden, dass das Verhalten des Klägers eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lässt. Die Beklagte kann nicht sicher sein, dass der Kläger künftig bei auftretenden Missständen oder Meinungsverschiedenheiten zunächst das Gespräch im Betrieb der Beklagten suchen wird (…)

Aufgrund des gezeigten Verhaltens des Klägers muss die Beklagte erwarten, dass jede Meinungsverschiedenheit mit dem Kläger zur Einschaltung von Behörden, ggf. zu Strafanzeigen und zu starken Belastungen des betrieblichen Friedens führen wird. Unabhängig von dem möglichen Ausgang des Ermittlungsverfahrens kann daher der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht zugemutet werden.

Grundsätzlich muss man mit dem Thema Strafanzeige gegen den Arbeitgeber vorsichtig umgehen:

Kündigung wegen Strafanzeige gegen Arbeitgeber

So konnte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG, 2 AZR 42/16) auch – und nicht zum ersten mal – recht umfassend dazu äußern, wie es sich damit verhält, eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen Stellung eines Strafantrags gegen den Arbeitgeber auszusprechen. Dabei stellt das BAG klar, dass zwar einerseits eine Strafanzeige gerade nicht automatisch einen Kündigungsgrund darstellt, aber durchaus zu hinterfragen ist, ob beispielsweise leichtfertig eine Strafanzeige gestellt wurde, weil ein Sachverhalt leichtfertig fehlerhaft beurteilt wurde.

Allgemeines zur Zulässigkeit der Strafanzeige gegen den Arbeitgeber

Es kann ein wichtiger Grund in der Verletzung vertraglicher Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Absatz 2 BGB vorliegen, was auch bei einer Strafanzeige angenommen werden kann. Ob aber eine solche Rücksichtspflicht durch die Anzeige des Arbeitgebers bei der Staatsanwaltschaft verletzt worden ist, muss durch eine Abwägung der betroffenen, grundrechtlich geschützten Interessen der Parteien festgestellt werden:

  • Auf Seiten des Gekündigten ist zum einen das Recht, sich an Strafverfolgungsbehörden zu wenden, zu berücksichtigen. Dieses ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Absatz 3 GG und gilt auch dann, wenn sich der Verdacht einer Straftat gegen einen Vertragspartner des Anzeigenden richtet. Wenn Tatsachenbehauptungen mit Werturteilen verbunden werden oder für die Bildung von Meinungen relevant sind, ist zudem die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 GG zu berücksichtigen.
  • Auf Seiten des Kündigenden geht es um den Schutz des guten Rufs des Unternehmens sowie um die unternehmerische Freiheit nach Art. 12 GG, die es auch einschließt, nur mit solchen Mitarbeitern zusammenzuarbeiten, die das Unternehmen fördern und es vor Schaden bewahren.

Es wäre mit dem Rechtsstaatsprinzip in der Regel unvereinbar, wenn eine erlaubte und erwünschte Anzeige zu zivilrechtlichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen würde

Landesarbeitsgericht Düssseldorf (siehe unten)

In der Abwägung sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Maßgeblich ist insoweit insbesondere, inwieweit ein öffentliches Interesse an den Informationen besteht, ob sich der Arbeitnehmer sonst selbst strafbar machen würde, welche Beweggründe der Arbeitnehmer hatte, ob der Arbeitnehmer eine innerbetriebliche Klärung versucht hat bzw. ob ihm eine solche zumutbar war, wie authentisch die Informationen sind und welcher Schaden dem Arbeitgeber durch die offengelegten Informationen ggf. entstanden ist (zusammenfassend Arbeitsgericht Gelsenkirchen, 2 Ca 2166/16).

Whistleblower: Rechtsanwalt & Strafverteidiger Ferner Zum Thema Whistleblower

Der Whistleblower wird immer stärker geschützt – muss aber auch gewisse Anforderungen erfüllen. Einfach blind den Arbeitgeber „bloßstellen“ ist nicht geschützt und wird auch zukünftig nicht geschützt werden.

Voreilige Strafanzeige kann Kündigung rechtfertigen

Es muss also nicht alleine die objektive Tatsachenbasis falsch beurteilt worden sein, sondern es genügt auch, wenn die daraus gezogenen Schlüsse eine leichtfertige Fehlbeurteilung darstellen. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass auch die 3monatige Antragsfrist bei einem Strafantrag nicht überbewertet werden darf:

Gibt es lediglich Hinweise auf eine Straftat, läuft die Antragsfrist nicht. Außerdem kann es dem Arbeitnehmer im Einzelfall zumutbar sein, auch innerhalb einer vermeintlich bereits laufenden Antragsfrist zunächst zu versuchen, die Berechtigung eines Vorwurfs anderweitig zu klären.

Generell sei daran zu erinnern, das mit der hergebrachten Rechtsprechung grundsätzlich zu erwägen ist, erst einmal ein internes Klärungsverfahren anzustrengen, beachten Sie dazu die Rechtsprechung zur Strafanzeige im Arbeitsverhältnis.

Aus der Entscheidung des Gerichts:

Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlich strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten stellt als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – im Regelfall keine eine Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar (BVerfG 2. Juli 2001 – 1 BvR 2049/00 – zu II 1 b cc bbb der Gründe). Dies kann ua. dann anders zu beurteilen sein, wenn trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts für das Vorliegen der nach dem Straftatbestand erforderlichen Absicht keine Anhaltspunkte bestehen und die Strafanzeige sich deshalb als leichtfertig und unangemessen erweist (zur fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses vgl. BVerfG 2. Oktober 2001 – 1 BvR 1372/01 – zu 2 b der Gründe). Zwar sind auch die in Strafanzeigen enthaltenen Werturteile vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist aber nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gem. Art. 5 Abs. 2 GG unter dem Schrankenvorbehalt der allgemeinen Gesetze.

Das erfordert eine fallbezogene Abwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem vom grundrechtsbeschränkenden Gesetz – hier § 241 Abs. 2 BGB – geschützten Rechtsgut (BVerfG 9. Oktober 1991 – 1 BvR 221/90 – zu B II 3 a der Gründe, BVerfGE 85, 23). Die Anzeige des Arbeitnehmers darf sich deshalb mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers nicht als eine unverhältnismäßige Reaktion auf sein Verhalten oder das seiner Repräsentanten darstellen. Dabei können als Indizien für eine unverhältnismäßige Reaktion sowohl die Berechtigung der Anzeige als auch die Motivation des Anzeigenden oder ein fehlender innerbetrieblicher Hinweis auf die angezeigten Missstände sprechen (BAG 3. Juli 2003 – 2 AZR 235/02 – zu II 3 b dd der Gründe, BAGE 107, 36). Soweit ihm dies zumutbar ist (BAG 3. Juli 2003 – 2 AZR 235/02 – zu II 3 b dd (2) der Gründe, aaO), ist der Arbeitnehmer wegen der sich aus der Pflicht zur Rücksichtnahme ergebenden Pflicht zur Loyalität und Diskretion gehalten, Hinweise auf strafbares Verhalten in erster Linie gegenüber Vorgesetzten oder anderen zuständigen Stellen oder Einrichtungen vorzubringen. Es ist daher zu berücksichtigen, ob ihm andere wirksame Mittel zur Verfügung standen, um etwas gegen den angeprangerten Missstand zu tun, andererseits aber auch ein öffentliches Interesse an einer Offenlegung der Information (zu Art. 10 Abs. 1 EMRK vgl. EGMR 17. September 2015 [Langner] – 14464/11 – Rn. 42 – 44; 21. Juli 2011 [Heinisch] – 28274/08 – Rn. 64 ff., EuGRZ 2011, 555).

Eine unverhältnismäßige, die vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzende Reaktion kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer einen Strafantrag stellt, weil er sich selbst als durch eine Straftat verletzt fühlt.

Das Antragsrecht nach § 77 Abs. 1 StGB lässt die Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber den Interessen des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB ebenso wenig generell entfallen wie das allgemeine Anzeigerecht nach § 158 StPO. Die Selbstbetroffenheit von einer – vermeintlichen – Straftat ist jedoch bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Strafantrag eine unangemessene Reaktion darstellt. Denn der Gesetzgeber erkennt mit dem Antragsrecht des Opfers dessen Interesse an einer Strafverfolgung als schutzwürdig an. Dennoch kann sich auch ein Strafantrag des vermeintlich Betroffenen als unverhältnismäßig erweisen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn – trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts – der Vorwurf, es sei durch ein bestimmtes Verhalten ein Straftatbestand verwirklicht worden, völlig haltlos ist. In einem solchen Fall besteht für den Antragsteller objektiv kein Anlass, die staatliche Strafverfolgung zu initiieren. Die Stellung eines Strafantrags ist auch nicht lediglich mit einer Klageführung wegen zivil- oder arbeitsrechtlicher Ansprüche zu vergleichen. Sie kann zu einer weit höheren Beeinträchtigung des Ansehens des Arbeitgebers und seines Unternehmens oder seiner Repräsentanten führen. Allerdings ist eine Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB durch einen derart „überschießenden“ Strafantrag nur dann schuldhaft und damit dem Arbeitnehmer vorwerfbar, wenn diesem die Haltlosigkeit des Vorwurfs erkennbar war. Ist das der Fall, ist ein bloß vermeidbarer und damit verschuldeter Irrtum über die Voraussetzungen der Strafbarkeit des angezeigten Verhaltens – abhängig vom Grad des Verschuldens – im Rahmen der Interessenabwägung bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz der Pflichtverletzung zumutbar ist.

Die Frist von drei Monaten zur Stellung eines Strafantrags gem. § 77b Abs. 1 StGB steht der Annahme, ein Strafantrag könne gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, nicht notwendig entgegen. Für den Beginn der Frist ist nach § 77b Abs. 2 StGB die Kenntnis von der Tat und der Person des Täters erforderlich. Gibt es lediglich Hinweise auf eine Straftat, läuft die Antragsfrist nicht. Außerdem kann es dem Arbeitnehmer im Einzelfall zumutbar sein, auch innerhalb einer vermeintlich bereits laufenden Antragsfrist zunächst zu versuchen, die Berechtigung eines Vorwurfs anderweitig zu klären.

Strafanzeige gegen Arbeitgeber kann durchaus nachvollziehbar sein

Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (9 Sa 1014/12) hat sich aktuellem zu einem Fall geäußert, in dem ein Arbeitnehmer nach der Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber gekündigt wurde – und erkannte in diesem Fall, dass die Strafanzeige nicht zu einer Kündigung berechtigte.

Das LAG stellt insofern korrekt klar, dass auch einem Arbeitnehmer das Recht zusteht, gegen seinen Arbeitgeber Strafanzeige zu erstatten. Das Gericht sieht ein generelles öffentliches Interesse an Informationen über Mängel, insbesondere in den Unternehmen, die für das Allgemeinwohl bedeutend sind. Letztlich sind mit dem Gericht und bisheriger Rechtsprechung Strafanzeigen sogar erwünscht, „wenn nicht unerhebliche Missstände bestehen, denen auf andere Weise nicht abgeholfen werden kann“. Der anzeigende Arbeitnehmer macht daher im Ergebnis mit der Anzeige von einem ihm eingeräumten Recht Gebrauch (so auch der EGMR, 28274/08). Das LAG:

„Es wäre mit dem Rechtsstaatsprinzip in der Regel unvereinbar, wenn eine erlaubte und erwünschte Anzeige zu zivilrechtlichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen würde (so schon BVerfG v. 02.07.2001 – 1 BvR 2049/01, NZA 2001, 888; BAG v. 04.07.1991 – 2 AZR 80/91, zitiert nach juris)“

Letztlich kollidieren hier aber verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter auf beiden Seiten – und die müssen in Ausgleich gebracht werden. Dabei soll sich der Arbeitnehmer nicht mehr auf ein geschütztes Interesse berufen können, wenn die Anzeige „wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben enthält“ (gängige Rechtsprechung, bestätigt durch BVerfG, 1 BvR 2049/01 und EGMR, 28274/08). Das bedeutet, jedenfalls dann wenn ein sachlicher Hintergrund für die Strafanzeige insgesamt fehlt, kommt eine Kündigung in Betracht.

Diese aber nicht automatisch – wie immer ist eine Abwägung vorzunehmen. Dabei sind folgende Kriterien ausschlaggebend:

  • Für das Interesse des Arbeitgebers sind heran zu ziehen: Art, Schwere und Häufigkeit der Pflichtverletzung sowie der Grad des Verschuldens (BAG, 2 AZR 541/09, 2 AZR 845/08, 2 AZR 55/09, 2 AZR 415/05, 2 AZR 179/05, 2 AZR 665/98). Erschwerend kann sich dabei eine betriebliche Störung auswirken, die auf Grund der Pflichtverletzung aufgetreten ist (BAG, 2 AZR 541/09).
  • Für des Interesse des Arbeitnehmers sind seine Sozialdaten heran zu ziehen, insbesondere: Die Dauer des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses sowie je nach Einzelfall Unterhaltspflichten und der Familienstand (BAG, 2 AZR 415/05, 2 AZR 179/05, 2 ABR 7/04, 2 ABR 378/99).

Vorliegend erkannte das LAG Düsseldorf am Ende keinen wirksamen Kündigungsgrund, dabei wurde einmal die bisherige tadellose sehr lange Betriebszugehörigkeit des Gekündigten berücksichtigt. Ebenso seine Unterhaltspflichten und sein „mittleres Alter“. Hinzu kam, was mit dem LAG zu Berücksichtigten ist, dass „in einem ganz besonderen Maße die persönliche Ausnahmesituation zu berücksichtigen“ war. Die psychische Belastung auf Grund fortdauernder arbeitsgerichtlicher Prozesse war mit dem LAG nicht zu vernachlässigen!


Fazit: Whistleblowing durch Arbeitnehmer

Das entspricht insoweit gängiger Rechtsprechung und sollte wenig überraschen: Die (Straf-)Anzeige des Arbeitgebers ist ein scharfes Schwert und muss bedacht eingesetzt werden. Das Arbeitsverhältnis ist ein Vertrauensverhältnis für beide Seiten – jede Maßnahme, die das in Frage stellt, muss gut durchdacht sein.

Dazu auch bei uns:

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner