Das Widerrufsrecht ist ein Verbraucherschutzmechanismus, der es dem Käufer ermöglicht, innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen von einer Kaufentscheidung zurückzutreten. Rechtlich gesehen ist es ein Dauerbrenner, da es von Verbrauchern gerne genutzt wird, um sich im Nachhinein von einem ansonsten laufenden Vertrag zu lösen – und Unternehmer nicht selten schlichtweg überfordert sind.
Das Widerrufsrecht
In der Europäischen Union beträgt diese Widerrufsfrist in der Regel 14 Tage ab dem Tag des Vertragsabschlusses oder ab dem Tag, an dem der Verbraucher die gekaufte Ware erhalten hat. Das Widerrufsrecht ist besonders wichtig bei Fernabsatzverträgen (z. B. bei Online-Käufen) oder bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, da der Verbraucher in diesen Fällen die Ware vor dem Kauf nicht physisch prüfen kann oder möglicherweise unter Druck gesetzt wurde, einen Vertrag abzuschließen. Gerade letzteres, obwohl schon lange im BGB verankert, überrascht immer noch viele Unternehmer, die das Widerrufsrecht hier unterschätzen.
Übt ein Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, ist der Gewerbetreibende verpflichtet, alle vom Verbraucher geleisteten Zahlungen einschließlich der Lieferkosten zu erstatten. Der Verbraucher muss die gekaufte Ware zurückgeben oder nachweisen, dass er sie zurückgesandt hat.
Der Unternehmer ist gesetzlich verpflichtet, den Verbraucher vor Vertragsschluss ausführlich über sein Widerrufsrecht zu informieren. Diese Informationen müssen unter anderem Angaben zur Widerrufsfrist, zur Art und Weise der Ausübung des Widerrufsrechts und zu den Folgen des Widerrufs enthalten. Unterlässt ein Unternehmen diese Belehrung, kann sich die Widerrufsfrist für den Verbraucher erheblich verlängern.
Risiken, wenn keine Widerrufsbelehrung verwendet wurde
Gewerbetreibende, die in Situationen, in denen ein Widerrufsrecht besteht, keine Widerrufsbelehrung verwenden, können erheblichen Risiken ausgesetzt sein. Im Folgenden sind einige der Hauptprobleme aufgeführt, die auftreten können:
- Verlängerte Widerrufsfrist: Wenn die Widerrufsbelehrung fehlt oder fehlerhaft ist, verlängert sich die Widerrufsfrist für den Verbraucher in der Regel von 14 Tagen auf bis zu 12 Monate und 14 Tage. Dies bedeutet, dass Kunden ihre Kaufentscheidung über diesen langen Zeitraum widerrufen können, was zu Unsicherheit und möglichen finanziellen Verlusten für den Unternehmer führen kann.
- Erstattungspflicht: Übt ein Verbraucher sein Widerrufsrecht aus und hat der Unternehmer keine Widerrufsbelehrung erteilt, muss der Unternehmer alle vom Verbraucher geleisteten Zahlungen zurückerstatten. Weiterhin ist der Unternehmer nicht berechtigt, einen Wertersatz für die während der Widerrufsfrist erbrachten Leistungen zu verlangen.
- Rechtliche Risiken: Die Nichteinhaltung der Vorschriften über das Widerrufsrecht kann rechtliche Konsequenzen haben, einschließlich möglicher Sanktionen oder Bußgelder. Darüber hinaus kann sie als unlauterer Wettbewerbsvorteil angesehen werden, was zu Rechtsstreitigkeiten mit Mitbewerbern führen kann.
- Vertrauensverlust beim Kunden: Wenn Kunden das Gefühl haben, dass ihre Rechte nicht respektiert werden, oder wenn sie Probleme haben, eine Rückerstattung zu erhalten, weil sie nicht über ihr Widerrufsrecht informiert wurden, kann dies zu einem Vertrauensverlust führen. Dies kann den Ruf des Unternehmens schädigen und dazu führen, dass sich Kunden für andere Anbieter entscheiden.
Um diese Risiken zu vermeiden, ist es wichtig, dass Unternehmer sich ihrer rechtlichen Verpflichtungen zur Bereitstellung von Widerrufsinformationen bewusst sind und diese einhalten. Sie können auch Rechtsberatung in Anspruch nehmen, um sicherzustellen, dass sie alle Anforderungen erfüllen. Dabei ist zu erinnern, dass auch die Geltendmachung eines Widerrufsrechts durch den Verbraucher rechtsmissbräuchlich sein kann, hier also auch Risiken beim Verbraucher liegen können.
Widerrufsrecht im Griff
Wie schützen sich Unternehmer beim missbräuchlichen Widerruf?
Das Gesetz sieht eine Musterwiderrufsbelehrung vor, die dem Unternehmer die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB gewährt. Wer die Musterwiderrufsbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Vorschrift unverändert verwendet und korrekt ausfüllt, dürfte daher auf der sicheren Seite sein. Einen informativen Überblick über diese Musterwiderrufsbelehrungen der letzten Jahre bieten wir in unserem Blog.
Die Gesetzlichkeitsfiktion der Muster-Widerrufsbelehrungen hat ihre Grenze aber dort, wo man den Wortlaut des amtlichen Formulars verlässt, wobei unbedeutende Änderungen nicht ins Gewicht fallen. Wenn dabei eine von mehreren Widerspruchsbelehrungen insgesamt ordnungsgemäß war, kommt es darauf an, ob der Verbraucher durch eine weitere – formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße – Belehrung irregeführt oder von einem rechtzeitigen Widerspruch abgehalten wird (OLG Dresden 4 U 951/22; unter Verweis auf BGH, IV ZR 71/14). Die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung klar und verständlich ist, bemisst sich dabei nach den Grundsätzen des nationalen Rechts (BGH, XI ZR 46/22).
Wichtig: Auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerrufsbelehrung kann die Ausübung des Widerspruchsrechts ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstoßen und damit unzulässig sein (vgl. BGH, IV ZR 133/20 und OLG Dresden, 4 U 740/22). Der Bundesgerichtshof hat jedoch keine allgemeingültigen Maßstäbe dafür aufgestellt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende oder unzureichende Belehrung über das Widerrufs- oder Widerspruchsrecht der Anwendung des § 242 BGB entgegensteht. Grundsätzlich kann sich der Unternehmer wohl nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil er die Situation durch das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Belehrung selbst herbeigeführt hat (BGH, IV ZR 343/15). Das Widerrufsrecht kann jedoch bei Vorliegen besonders gravierender Umstände des Einzelfalls verwirkt sein (BGH, IV ZR 133/20).
Beispiel: Wird dem Verbraucher durch eine fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen, sein Widerrufsrecht im Wesentlichen unter den gleichen Voraussetzungen auszuüben wie bei einer ordnungsgemäßen Belehrung, wäre es mit dem BGH unverhältnismäßig, ihm zu gestatten, sich von den Verpflichtungen aus einem nach Treu und Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen – dies gilt erst recht bei einem geringfügigen Belehrungsfehler (dazu bereits EuGH, C-355/18 sowie zusammenfassend BGH, IV ZR 353/21). Auch die Vereitelung der Rückabwicklung kann einen solchen Umstand darstellen (LG Wuppertal, 4 O 344/21). Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs bzw. unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ausnahmsweise – unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers – in Betracht, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer. Dies wird im Einzelfall zu prüfen sein.
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