Widerrufsrecht: Kein Wertersatz bei unterbliebener Belehrung

Der EuGH (C-97/22) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Verbraucher, der einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Dienstleistungsvertrag widerruft, Wertersatz leisten muss, wenn der Gewerbetreibende nicht ausreichend über die Bedingungen und das Verfahren des Widerrufsrechts belehrt hat.

Die Argumentation des Gerichts folgt diesen wesentlichen Punkten:

  • Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83 sieht vor, dass ein Verbraucher, der sein Widerrufsrecht in Bezug auf einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ausübt, nicht verpflichtet ist, Wertersatz zu leisten, es sei denn, die Richtlinie sieht ausdrücklich etwas anderes vor.
  • Art. 14(3) der Richtlinie sieht jedoch vor, dass der Verbraucher, wenn er den Unternehmer während der 14-tägigen Widerrufsfrist zur Vertragserfüllung aufgefordert hat, einen Betrag zu zahlen hat, der im Verhältnis zu der bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistung steht.
  • Dies gilt jedoch nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Vertragsschluss ordnungsgemäß über die Bedingungen, Fristen und Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert hat (Art. 14 Abs. 4 lit. a Ziff. i der Richtlinie 2011/83). Hat der Unternehmer dies versäumt, muss der Verbraucher die während der Widerrufsfrist erbrachten Dienstleistungen nicht bezahlen.
  • Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher vor psychologischem Druck oder Überraschungseffekten schützen soll, die bei Vertragsabschlüssen außerhalb von Geschäftsräumen auftreten können. Die vorvertragliche Belehrung über das Widerrufsrecht ist daher für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung.
  • Der Gerichtshof verwies auch auf den Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung. Es stellte jedoch fest, dass die Richtlinie 2011/83 ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten soll und dass dieses Ziel gefährdet wäre, wenn der Verbraucher trotz fehlender Informationen Kosten zu tragen hätte, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.

Schließlich entschied das Gericht, dass der Verbraucher, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat, die Kosten zu tragen hat, die ihm durch die Erfüllung des Vertrags während der Widerrufsfrist entstanden sind.

Zusammenfassend hat der EuGH damit klargestellt, dass der Verbraucher von jeglicher Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen für Leistungen befreit ist, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn der betreffende Unternehmer ihm nicht die erforderlichen Informationen erteilt hat und der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner