Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln im Fortbildungsvertrag

Beim Bundesarbeitsgericht (9 AZR 187/22 und 9 AZR 260/21) ging es – wieder einmal – um eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Fortbildungskosten. Die Problematik liegt regelmäßig darin, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Fortbildung finanziert, der Arbeitnehmer dann aber kündigt und die auf Kosten des Arbeitgebers erworbene Qualifikation für eine andere Tätigkeit nutzt.

Vor diesem Hintergrund haben sich Rückzahlungsklauseln für den Fall der Kündigung entwickelt, die jedoch regelmäßig einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden. Und auch hierbei gilt, dass eine Inhaltskontrolle durch Gerichte möglich ist – so dass allein das geschriebene Wort nicht ausschlaggebend ist. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten aus der entsprechenden Klausel des Fortbildungsvertrages. Denn: Die Regelung hielt einer Inhaltskontrolle nicht stand und war daher unwirksam.

Inhaltskontrolle von Verträgen

Es ist immer wieder eine Überraschung für Arbeitgeber – insbesondere für ausländische Arbeitgeber: Auch wenn man etwas ausdrücklich und (vermeintlich) eindeutig geregelt hat, ist es nach deutschem Recht keineswegs zwingend vereinbart.

Insbesondere dann, wenn es sich um so genannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt, unterliegen diese einer gerichtlichen Inhaltskontrolle dahingehend, wie sie aus objektiver Sicht zu verstehen sind und ob sie tatsächlich wirksam sind. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insoweit im Laufe der Jahrzehnte sehr komplex geworden und sowohl im deutschen Recht als auch EU-weit sehr differenziert geregelt.

Vorliegend handelte es sich bei den im Fortbildungsvertrag getroffenen Vereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelt sind. Hier war von vorformulierten Vertragsbedingungen auszugehen, so waren außer den persönlichen Daten der Arbeitnehmerin und der Angabe des konkreten Fortbildungszeitraums keine individuellen Besonderheiten im Vertrag zu erkennen. Dies und das äußere Erscheinungsbild begründen die tatsächliche Vermutung, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.

Liegen danach Allgemeine Geschäftsbedingungen vor, ist deren Wirksamkeit nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Der Arbeitgeber wollte ausweislich des Vertrages die Fortbildungskosten nur als Darlehen verstanden wissen: In einer „Klarstellung zur Fortbildungsvereinbarung“ hieß es ausdrücklich, die Parteien seien sich einig, dass es sich bei den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mitteln um ein unverzinsliches Darlehen handele.

Wie erläutert, wird dies jedoch von den Gerichten ausgelegt! Und da in dieser Vereinbarung auf die Rückzahlungsverpflichtung gemäß Fortbildungsvertrag verwiesen wurde, war klar, dass tatsächlich kein Darlehen im Rechtssinne gewollt war, sondern eine Verpflichtung zur Rückzahlung des im Fortbildungsvertrag geregelten Förderzuschusses. Hier zeigt sich, wie auch entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut deutsche Gerichte in der Lage sind, Verträge völlig anders zu verstehen und auszulegen. Es macht also keinen Sinn, mit besonders schlauen Tricks zu versuchen, sprachlich etwas zu verdrehen – es funktioniert einfach nicht!

Rückzahlung von Fortbildungskosten durch den Arbeitnehmer

Die Rückzahlung von Fortbildungskosten ist ein berechtigtes Anliegen des Arbeitgebers – aber: Es ist trickreich und anspruchsvoll, dies zu formulieren. Die schlichte Verwendung von Formularen aus dem Internet ohne anwaltliche Anbindung wird, wie im vorliegenden Fall, sicherlich regelmäßig im Desaster enden.

Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel

Die hier in Rede stehende Regelung über die Rückzahlung der Fortbildungskosten führt aus Sicht des Gerichts zu einer unangemessenen Benachteiligung und ist unwirksam. Dies deshalb, weil die Regelung an das wiederholte Nichtbestehen der Prüfung anknüpft, ohne im erforderlichen Maße danach zu differenzieren, aus welchen Gründen die Teilnahme an der Prüfung nicht erfolgt ist.

Bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ).

Unangemessen ist nach der deutschen Rechtsprechung jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch vernünftige und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung der rechtlich anerkannten Interessen der Vertragsparteien voraus. Dabei ist eine umfassende Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorzunehmen. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Die Interessen des Verwenders sind gegen die Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner abzuwägen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen.

Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung zu beteiligen hat, soweit er die Fortbildung nicht abschließt, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen und sind daher grundsätzlich nicht unzulässig.


Aber: Rückzahlungsverpflichtungen, die an das wiederholte Nichtbestehen der angestrebten Prüfung anknüpfen, können je nach Ausgestaltung den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Denn sie sind geeignet, auf den Arbeitnehmer einen Verbleibsdruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit das Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl einzuschränken. Daher muss die Rückzahlungsverpflichtung einerseits einem berechtigten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Insgesamt muss die Rückzahlungsverpflichtung – auch ihrem Umfang nach – dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Insgesamt muss die Erstattungspflicht – auch ihrem Umfang nach – dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Ist dies nicht der Fall, bleibt es dabei, dass Verluste, die dadurch entstehen, dass Investitionen in die Aus- und Fortbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, grundsätzlich vom Arbeitgeber als Betriebsausgabe zu tragen sind.

unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers

Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur in den Fällen anzunehmen, in denen der Arbeitnehmer es nicht in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen, weil er durch Gründe in der Sphäre des Arbeitgebers – etwa durch vertragswidriges Verhalten – zur Kündigung veranlasst oder mit veranlasst wird.

Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie auch den Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsfrist kündigt, weil er unverschuldet dauerhaft nicht in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Auch unter dieser Voraussetzung ist die Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis durch die Verpflichtung zur Rückzahlung der Fortbildungskosten weder durch billigenswerte Interessen des Arbeitgebers noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt.

Ist der Arbeitnehmer unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist der arbeitsvertragliche Leistungsaustausch nicht mehr möglich. Der Arbeitgeber kann daher unabhängig von einer Kündigung des Arbeitnehmers dessen Qualifikation bis zum Ablauf der Bindungsfrist nicht nutzen. Am Fortbestand eines nicht mehr erfüllbaren und damit „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses besteht in der Regel kein billigenswertes Interesse. Es ist dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen, wenn sich die Investition in die Ausbildung eines Arbeitnehmers wegen dessen unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit nicht amortisiert.

Schließlich ist es auch unzulässig, die Rückzahlungspflicht ohne Rücksicht auf die Gründe schlechthin an das wiederholte Nichtbestehen der angestrebten Prüfung zu knüpfen. Entsprechend den Wertungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Rückzahlungsklauseln wegen Eigenkündigung des Arbeitnehmers müssen jedenfalls die praktisch relevanten Fallkonstellationen, in denen die Gründe für das Nichtbestehen der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner