Zivilprozess: Schadensschätzung des Richters kann an Hand von Internetrecherche erfolgen

Das Oberlandesgericht Köln (1 W 6/16 – Vorinstanz Landgericht Aachen, 7 O 471/15) hat klargestellt, dass der Schätzung eines Mindestschadens als Schätzgrundlage entsprechend §287 ZPO auch Tatsachen zugrundegelegt werden können, die als Ergebnis einer Internetrecherche des Gerichts ermittelt wurden:

Soweit das Landgericht der Auffassung ist, es lägen keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine Ermittlung des Wertes der vom Antragsteller genannten Gegenstände vor, hält auch dies in seiner Allgemeinheit einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. In der Höhe hat die Klage jedenfalls im tenorierten Umfang Aussicht auf Erfolg, weil der Antragsteller den geltend gemachten Schaden (§ 249 BGB) insoweit immerhin in dem nach § 287 ZPO erforderlichen Umfang dargelegt hat. Steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung zur Höhe, kommt dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute. Im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO reicht bei der Entscheidung über die Schadenshöhe eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus (BGH, Urteil vom 9. April 1992 – IX ZR 104/91, NJW-RR 1992, 997, zitiert juris Rn. 8; vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 174/12, NJW 2013, 525 Rn. 20; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 287 Rn. 15).

Zwar ist es Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2007 – IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261, zitiert juris Rn. 36). Enthält der diesbezügliche Vortrag Lücken oder Unklarheiten, so ist es in der Regel jedoch nicht gerechtfertigt, dem jedenfalls in irgendeiner Höhe Geschädigten jeden Ersatz zu versagen; der Tatrichter muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist, und darf eine solche Schätzung erst dann gänzlich unterlassen, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 – III ZR 18/83 –, BGHZ 91, 243, zitiert juris Rn. 56; vom 8. Mai 2012 – VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267, zitiert juris Rn. 9; vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 84/10, NJW 2013, 525, zitiert juris Rn. 23 f.; vom 29. Mai 2013, aaO; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 287 Rn. 1; jeweils mwN). Als allgemeinkundig im Sinne von § 291 ZPO (vgl. hierzu MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 291 Rn. 5 ff) können insoweit auch Tatsachen zugrundegelegt werden, die als Ergebnis einer Internetrecherche des Gerichts ermittelt wurden (vgl. hierzu allgemein OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13. Dezember 2013 – 3 W 147/13, nv, zitiert juris Rn. 6; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 291 Rn. 3; Dötsch, MDR 2011, 1017 f; Klinger, jurisPR-ITR 4/2012 Anm. 4).

Gemessen hieran hat der Antragsteller wenigstens einen Schaden in Höhe von 27.891 € ausreichend dargelegt. Er hat seinen schriftsätzlichen Vortrag zulässigerweise mit den von ihm überreichten Anlagen erläutert (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2001 – V ZB 29/01, BGH-Report 2002, 257, zitiert juris Rn. 6; vom 2. Juli 2007 – II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 130 Rn. 2 mwN). Hierzu gehört insbesondere eine Vielzahl von Lichtbildern der von ihm aufgeführten Gegenstände. Die eingereichten Unterlagen ermöglichen überwiegend zumindest die Schätzung eines Mindestschadens.

So auch: OLG Zweibrücken, 3 W 147/13

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner