Zulässigkeit einer Feststellungsklage

In seinem Urteil vom 22. Mai 2024 (IV ZR 124/23) befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm bestimmte Erstattungsbeträge für Behandlungskosten zu zahlen. Das Berufungsgericht hatte die Klage als unzulässig abgewiesen, da es dem Kläger an einem Feststellungsinteresse fehlte. Der BGH hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Dabei gab es spannende Ausführungen zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage, speziell zur Subsidiarität.

Sachverhalt

Der Kläger ist Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter und beanspruchte von der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Erstattung von Behandlungskosten. Die Anträge auf Erstattung hatte der Kläger per E-Mail und Telefax eingereicht, was von der Beklagten als unzulässig zurückgewiesen wurde. Der Kläger verlangte die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm die Erstattungsbeträge gemäß dem gültigen Tarif zu zahlen.

Rechtliche Analyse

1. Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO

Das zentrale rechtliche Problem war, ob der Kläger ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO hat. Diese Bestimmung verlangt, dass der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass ein Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird.

a. Gegenstand des Feststellungsbegehrens

Der BGH stellte fest, dass die begehrte Feststellung ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis darstellt. Es ging nicht nur um die abstrakte Vorfrage der Zulässigkeit der Einreichung der Anträge per E-Mail oder Telefax, sondern um die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten bezüglich der Erstattungsanträge.

b. Vorrang der Leistungsklage

Das Berufungsgericht hatte das Feststellungsinteresse verneint, da dem Kläger eine Leistungsklage möglich und zumutbar sei. Der BGH widersprach und stellte klar, dass keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage besteht. Vielmehr sei die Feststellungsklage zulässig, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle Erledigung der Streitpunkte erwarten lässt.

Der BGH betonte, dass insbesondere dann ein Feststellungsinteresse besteht, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf. Dies sei bei Körperschaften des öffentlichen Rechts regelmäßig der Fall.

2. Erwartung der Erfüllungsbereitschaft

Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass eine erneute gerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten nicht ausgeschlossen werden könne, da der genaue Erstattungsbetrag unklar sei. Der BGH stellte jedoch fest, dass es entscheidend sei, ob die Beklagte die Erwartung rechtfertigt, die gerichtliche Entscheidung auch ohne weiteren Zwang anzuerkennen. Da es keine Anhaltspunkte für vergangene Streitigkeiten über die Höhe der Erstattungsbeträge gab, konnte eine solche Erwartung angenommen werden.

3. Subsidiarität der Stufenklage

Das Berufungsgericht hatte auch argumentiert, dass der Kläger eine Stufenklage hätte erheben können. Der BGH wies dieses Argument zurück, da der Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage hier nicht gegeben war. Eine Stufenklage sei daher nicht zwingend erforderlich.

4. Rechtliche Beurteilung und Zurückverweisung

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Dieses müsse nun die sachliche Berechtigung der Klage prüfen, da die Zulässigkeit der Feststellungsklage gegeben sei.


Fazit

Der BGH stellte klar, dass eine Feststellungsklage zulässig ist, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der Streitpunkte erwarten lässt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine Feststellungsklage nicht automatisch wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig ist. Körperschaften des öffentlichen Rechts rechtfertigen regelmäßig die Erwartung, dass sie auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihre Verpflichtungen erfüllen werden, ohne dass es eines weiteren Vollstreckungstitels bedarf. Diese Entscheidung stärkt die Möglichkeiten der Kläger, ihre Rechte effizient durchzusetzen, insbesondere wenn die genaue Höhe der Forderungen unklar ist.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner