Zulässigkeit eines Satire-Interviews

Auch wenn ein Beitrag vordergründig die unwahre Behauptung verbreitet, dass bestimmte Äußerungen von einer Person getätigt worden seien, kann dies als Satire-Interview zulässig sein.

Für die rechtliche Beurteilung kommt es dann maßgeblich darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung oder Übertreibung handelt und er sie für seine Meinungsbildung bewerten und einordnen kann, oder ob er zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Angabe sei tatsächlich wahr (dazu BGH, VI ZR 561/15):

Satire ist dabei in besonderer Weise zu beurteilen, weil sie bewusst ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt. Eine Übertreibung oder Verfälschung ist wesenseigen für die Satire, weswegen sie nicht vordergründig aufgefasst werden darf. Vielmehr ist bei der rechtlichen Würdigung zwischen dem Aussagekern und seiner Einkleidung in die satirische Form zu unterscheiden. Dabei muss beachtet werden, dass die Maßstäbe im Hinblick auf das Wesensmerkmal der Verfremdung für die Beurteilung der Einkleidung anders und im Regelfall weniger streng sind als die für die Bewertung des Aussagekerns (BVerfG, Beschl. v. 12.11.1997 – 1 BvR 2000/96 –, Rn. 13).

LG Hamburg, 324 O 85/22

Das dies auch plump geschehen kann, macht ein Fall beim Landgericht Hamburg deutlich. Unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts ist die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung:

Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BGH, Urteil vom 22.11.2005 – VI ZR 204/04, NJW 2006, 601).

Nach diesem Maßstab ist von einer Erkennbarkeit der Satire schon deswegen auszugehen, weil der Beitrag unmittelbar oberhalb der Überschrift mit den Worten „Achtung Satire! Achtung Satire!“ versehen ist. Leser nehmen diese Worte auch wahr, mögen sie auch in kleinerer Schrift als die Überschrift erscheinen. Insbesondere stehen die Worte durchgehend in Großbuchstaben, werden wiederholt und sind mit Ausrufezeichen versehen. Auch die in der Unterüberschrift erscheinende Bezeichnung des Artikels als „Glosse“ legt das Verständnis einer Satire nahe, handelt es sich doch bei einer Glosse um einen kurzen Meinungsbeitrag, der oftmals in satirischer Form erscheint. Schließlich weist auch die in einer Bildeinblendung in dem Artikel erscheinende Bezeichnung der Rubrik, unter der der Artikel im Online-Portal T. Einblick erschienen ist, nämlich „Almost true news – Beinahe wahre Nachrichten“ darauf hin, dass der Inhalt des Artikels gerade nicht für bare Münze genommen werden darf.

LG Hamburg, 324 O 85/22
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner