Nach langer Zeit gab es noch mal eine interessante obergerichtliche Entscheidung zum Thema „Handyvertrag“: Wenn man einen Vertrag mit Mindestvertragslaufzeit hat und während dieser Laufzeit (vorzeitig) einen Anschlussvertrag bucht – ist dieser Anschlussvertrag dann ein „Erstvertrag“ oder bereits ein zweiter (fortgesetzter) Vertrag?
Die Frage ist hochgradig relevant, denn mit §309 Nr.9a BGB ist eine AGB-Klausel mit Bindungswirkung von mehr als 24 Monaten bei einem Verbraucher unwirksam. Wenn nun ein Vertrag nach 12 Monaten inhaltlich verändert wird, ein neues Handy dafür herausgegeben wird und zugleich (erneut) eine 24monatige Laufzeit vereinbart wird, könnte man ja bei einheitliche Erstvertrag dahin kommen, dass eine Laufzeit von 36 Monaten vereinbart ist. Dies wäre unwirksam und man könnte frühzeitig aus dem Vertrag aussteigen. Das Oberlandesgericht Köln, 6 U 160/20, möchte dieses Spiel aber nicht mitspielen.
Die Klausel, mit der sich 24 Monate an bereits abgelaufene Vertragsmonate kummulativ anschliessen, wäre unzulässig, wenn die Vertragslaufzeit bei einem Erstvertrag zwei Jahre überschreiten würde. Nicht erheblich ist in dem Zusammenhang, ob der Verwender einen berechtigten Grund für die lange Bindung seines Vertragspartners hat. Denn bei § 309 Nr. 9 a BGB handelt es sich um ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit, sodass die Billigung einer über zwei Jahre hinausreichenden Vertragsbindung schon bei Vorliegen eines anerkennenswerten Interesses auf eine den Gerichten versagte Gesetzeskorrektur hinausliefe. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 9 a BGB liegt mit dem OLG aber nicht vor, weil der Vertrag verlängert wird und § 309 Nr. 9 a BGB dabei keine Anwendung findet.
Die Vorschrift des § 309 Nr. 9 a BGB regelt die Erstlaufzeit des Vertrages. Klauseln zu Laufzeiten, die sich an die Erstlaufzeit anschließen, unterfallen § 309 Nr. 9 b BGB. Die Laufzeit ist zu berechnen ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Bei den hier zugrundeliegenden Vereinbarungen ist dabei nicht von dem Abschluss eines Erstvertrages auszugehen:
Ob es sich bei dem Vertrag um den erstmaligen Abschluss eines Mobilfunkvertrages handelt, oder der ursprünglich abgeschlossene Vertrag verlängert wurde, ist aufgrund der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten zu ermitteln. Diese hat das Landgericht zutreffend vorgenommen.
Allerdings hat der Senat die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung, die das Landgericht vorgenommen hat, in vollem Umfang zu prüfen. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Berufung in § 513 Abs. 1 und § 529 Abs. 1 ZPO schränken die Prüfungsbefugnis des Berufungsgerichts nicht dahin ein, dass das Berufungsgericht an eine zumindest vertretbare Auslegung der Vereinbarungen der Parteien durch das Landgericht gebunden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2004, VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83). Vielmehr hat der Senat die erstinstanzliche Auslegung der Vereinbarung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen – diese sind vorliegend auch im Rahmen des Berufungsverfahrens in weiten Teilen unstreitig – in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt (…)
Die Auslegung durch den Senat bestätigt jedoch das Auslegungsergebnis des Landgerichts Bonn. Denn das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass eine Verlängerung des Vertrages und nicht die Aufhebung des ursprünglichen und der Abschluss eines neuen Erstvertrages anzunehmen ist.
Die Auslegung der dem Streit zugrundeliegenden Vereinbarung der Beklagten mit den Kunden durch den Senat gemäß §§ 133, 157 BGB führt – ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung unter Einbeziehung der außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände, des mit der Absprache verfolgten Zwecks sowie der Interessenlage der Parteien – zu keinem anderen Ergebnis. Auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.
Die Beklagte legt allen Vereinbarungen nach dem Wortlaut ausdrücklich eine Vertragsverlängerung zugrunde. Dieser ausdrücklichen Verlängerung des Vertrages haben die Kunden der Beklagten zugestimmt. Ebenfalls ausdrücklich hat die Beklagte auf ihrer Internetseite hervorgehoben, dass ein Kunde ein neues Mobilfunktelefon erhalten kann, wenn er bereit ist, den bestehenden Vertrag zu verlängern. Es wird jeweils hervorgehoben, dass sich die Laufzeit von 24 Monaten an die ursprüngliche Laufzeit anschließt.
Der Wortlaut der Vereinbarung der Parteien geht somit von einer Vertragsverlängerung aus, was den jeweiligen Kunden der Beklagten angesichts der ausdrücklichen Bestimmung bekannt ist. Kunden, die sich über die Möglichkeiten, ein neues Handy zu erhalten, im Internet informieren, werden ebenfalls auf eine Vertragsverlängerung hingewiesen.
Die Begleitumstände und der mit der Absprache verfolgte Zweck führen zu keinem anderen Ergebnis, das eine Auslegung der Vereinbarung entgegen ihres ausdrücklichen Wortlauts begründen würde.
Der Kläger führt insoweit an, dass die Begleitumstände für die Annahme des Abschlusses eines neuen Vertrages sprächen. Wie der Kläger zutreffend ausführt, wurde bei den jeweiligen Vereinbarungen mit den Zeugen Lukas und B C eine umfassende Änderung der Leistungen vereinbart. Es wurde ein geänderter Grundpreis zugrunde gelegt und die Leistungen, die für diesen Grundpreis vereinbart waren, wichen jeweils von den ursprünglich vereinbarten Leistungen wesentlich ab. So wurde etwa die Downloadgeschwindigkeit oder das inkludierte Volumen der Daten erhöht, bevor eine Drosselung der Downloadgeschwindigkeit erfolgt. Teilweise wurde eine sogenannte „HotSpot Flat“ vereinbart, die es den Zeugen ermöglichte, sich über besondere Zugangspunkte kostenfrei in das Netz der Beklagten einzuwählen.
Unabhängig von der Frage, ob sich die Hauptleistungspflichten im Rahmen des Vertrages geändert haben – dies dürfte anzunehmen sein, weil die Downloadgeschwindigkeit und die Menge des oben beschriebenen inkludierten Datenvolumens vor einer Drosselung die entscheidenden, den Preis der Mobilfunkleistung bestimmenden Faktoren sind –, führt dies nicht zu der Annahme, es sei ein neuer Vertrag abgeschlossen worden. Die Änderung der Leistungspflichten spricht zwar für den Abschluss eines neuen Vertrages, begründet eine Auslegung des Parteiwillens über den Wortlaut hinaus aber letztlich nicht. Denn die Änderung des Inhalts eines Vertrages kann sowohl im Rahmen eines bestehenden Vertrages vereinbart werden, als auch im Rahmen des Abschlusses eines neuen Vertrages und Aufhebung des ursprünglichen Vertrages.
Daher ist auch nicht entscheidend, dass die Beklagte mit der Änderung des Vertragsverhältnisses geänderte Allgemeine Geschäftsbedingungen zum Gegenstand des Vertrages gemacht hat und eine neue Kundennummer beim Wechsel des Vertragspartners (…) berücksichtigt hat. Insoweit handelt es sich lediglich um eine für die Verwaltung des Vertrages erforderliche Nummer, die nicht entscheidend für die Annahme eines Neuabschlusses spricht.
Gegen den Neuabschluss spricht, dass die Leistungen nach der Änderung sofort wirksam wurden und die für die Zukunft vereinbarten Leistungen unmittelbar vor Ablauf des ursprünglichen Vertrages als vereinbart gelten sollten. Denn die Beklagte hätte kein Interesse daran gehabt, den ursprünglichen Vertrag vorzeitig zu beenden. Vielmehr lag es in ihrem Interesse, die vereinbarte Laufzeit vollständig auszuschöpfen, um die vertraglich geschuldeten Zahlungen weiterhin zu erhalten.
Soweit der Kunde für die restliche Laufzeit des ursprünglichen Vertrages einen Zuschlag zu zahlen hatte, weil der Vertrag vorzeitig geändert wurde, begründet auch dies keine Auslegung entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung.
Die Interessen der Parteien, die im Rahmen der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigen sind, bestätigen dieses Ergebnis. So hat der Kunde der Beklagten zwar ein Interesse, den Vertrag mit der Beklagten möglichst zeitnah zu beenden, um – ohne vertragliche Bindung – einen neuen Mobilfunkvertrag abschließen zu können, der sich an den aktuellen Konditionen orientiert. Dem steht aber das Interesse der Beklagten entgegen, die zulässige und vereinbarte Vertragslaufzeit einzuhalten, so dass aus Sicht der Beklagten allein die Änderung des Vertrages mit neuen Konditionen zweckmäßig erscheint. Der Kunde erhält somit im Gegenzug für eine verlängerte Bindung an die Beklagte eine Änderung der Vertragskonditionen und die Möglichkeit, ein Handy zu vergünstigten Konditionen zu erwerben.
Aufgrund der Auslegung der Vereinbarung sind die Kunden der Beklagten nicht schutzlos gestellt. Denn im Rahmen des § 307 BGB stellt sich weiterhin die Frage, ob die nunmehr vereinbarte Vertragszeit, die zwei Jahre überschreitet, zulässig ist. Selbst wenn die Vorschrift des § 309 Nr. 9 a BGB anzuwenden ist, ist eine zusätzliche Kontrolle nach § 307 BGB zulässig (…)
- Russische Militärische Cyber-Akteure nehmen US- und globale kritische Infrastrukturen ins Visier - 11. September 2024
- Ransomware Risk Report 2024 von Semperis - 11. September 2024
- Künstliche Intelligenz in Deutschland – Status, Herausforderungen und internationale Perspektiven - 10. September 2024