Zusendung von Gratisbeigaben als Annahme eines Kaufvertragsangebots

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat in seinem Beschluss vom 18. April 2024 (Aktenzeichen: 9 U 11/23) eine richtungsweisende Entscheidung zur Annahme von Kaufvertragsangeboten durch die Übersendung von Gratisbeigaben getroffen. Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, ob die Zusendung von Gratisbeigaben als Annahme eines Kaufvertragsangebots für das Hauptprodukt gewertet werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger bestellte am 7. März 2022 in einem Onlineshop der Beklagten mehrere Smartphones des Typs „Marke1 Modell1“ zu einem stark reduzierten Preis von 92 €, während der ursprüngliche Verkaufspreis bei 1.099 € lag.

Zudem bot die Beklagte zeitgleich Kopfhörer als Gratisbeigabe zu den Bestellungen an. Nach Bestellbestätigung und Zahlung erhielt der Kläger die Kopfhörer, jedoch nicht die Smartphones. Die Beklagte stornierte die Bestellung später mit der Begründung eines Preisfehlers und forderte die Rücksendung der Kopfhörer. Der Kläger klagte daraufhin auf Übergabe und Übereignung der Smartphones.

Rechtliche Analyse

Annahme des Kaufvertragsangebots

Gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt ein Kaufvertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. Die Beklagte argumentierte, dass ihre AGB klar festlegen, dass ein Kaufvertrag erst durch Versandbestätigung der Hauptprodukte zustande kommt.

Unwirksamkeit der AGB-Klauseln

Das OLG Frankfurt stellte fest, dass die AGB der Beklagten, die einen Vertragsschluss erst mit Versandbestätigung der Ware regeln, nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden sind. AGB, die den Vertragsschluss abweichend vom Gesetz regeln, können nicht die Geltungsgrundlage für sich selbst schaffen.

Gesamtwürdigung der Erklärungen

Das OLG Frankfurt entschied, dass die Übersendung der Kopfhörer als Gratisbeigabe eine Annahme des Kaufvertragsangebots für die Smartphones darstellt. Es bestand ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Smartphones und der kostenlosen Übersendung der Kopfhörer, sodass die Versendung der Gratisbeigabe das wirksame Zustandekommen des Kaufvertrags über die Smartphones implizierte.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Frankfurt wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Smartphones an den Kläger zu übergeben und zu übereignen.

Gründe

  1. Übersendung der Gratisbeigabe: Das Gericht betonte, dass die Zusendung der Kopfhörer als Gratisbeigabe in untrennbarem Zusammenhang mit dem Erwerb der Smartphones stand. Die Beklagte hat durch die Versendung der Kopfhörer konkludent das Kaufvertragsangebot für die Smartphones angenommen.
  2. Anfechtung wegen Preisfehlers: Die Anfechtung der Beklagten war nicht unverzüglich im Sinne von § 121 BGB, da die Beklagte bereits am 7. März 2022 von dem Preisfehler Kenntnis erlangt hatte, die Anfechtung jedoch erst am 22. März 2022 erklärte.
  3. Rechtsmissbrauch: Das Gericht wies den Einwand der Beklagten zurück, dass der Kläger den Preisfehler bewusst ausgenutzt habe und die Vertragserfüllung daher unzumutbar sei. Die bloße Kenntnis und Ausnutzung eines Preisfehlers genügen nicht, um einen Rechtsmissbrauch gemäß § 242 BGB zu begründen.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht die Bedeutung der Übersendung von Gratisbeigaben im Kontext des Abschlusses von Kaufverträgen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre AGB wirksam in den Vertrag einbezogen werden und klare Regelungen zum Vertragsschluss enthalten. Kunden können darauf vertrauen, dass die Zusendung von Gratisbeigaben durch ein Kaufangebot eine Annahme des Kaufvertragsangebots darstellt.

Für Unternehmen bedeutet diese Entscheidung, dass sie ihre Geschäftsprozesse und AGB sorgfältig prüfen und gegebenenfalls anpassen müssen, um Missverständnisse und rechtliche Risiken zu vermeiden. Kunden hingegen können sich auf die Rechtswirksamkeit von Kaufverträgen berufen, wenn sie aufgrund von Gratisbeigaben von einer Annahme des Angebots ausgehen dürfen.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner