AG Köln: Rücktritt vom Kaufvertrag auch ohne Nacherfüllungs-Begehr

Das Amtsgericht Köln (137 C 436/09) hat Ende Januar 2010 festgestellt, dass es beim Verbrauchsgüterkauf entgegen dem Wortlaut von § 323 Abs. 1 BGB vor Rücktritt des Käufers wegen vertragswidriger Lieferung nicht des Verlangens nach Nacherfüllung bedarf.

Zu diesem Ergebnis ist das Amtsgericht auf Grund richtlinienkonformer Auslegung mit Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gelangt. Zur Begründung führt das Gericht aus:

Der Kläger konnte von dem Kaufvertrag zurücktreten, selbst wenn er der Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung wegen des hängenden linken Elements gesetzt hatte und diese noch nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB fehlgeschlagen war. Die Setzung einer solchen Frist oblag ihm deshalb nicht, weil ein Verbrauchsgüterkauf vorlag, d.h. ein Vertrag, durch den ein Unternehmer einem Verbraucher eine bewegliche Sache verkauft (vgl. § 474 Abs. 1 BGB). Dem Wortlaut von §§ 474 bis 479 BGB ist zwar nicht zu entnehmen, dass beim Verbrauchsgüterkauf das grundsätzliche Erfordernis der erfolglosen Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB entfällt.

Das Gericht sieht sich jedoch auf Grund des Umsetzungsangebotes gemäß Artikel 249 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der bis 30.11.2009 geltenden Fassung (im Folgenden nur EG-Vertrag genannt) und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Artikel 10 EG-Vertrag gehalten (vgl. BGH MDR 2009, 248), § 323 Abs. 1 BGB einschränkend bzw. § 474 Abs. 2 BGB erweiternd dahin auszulegen, dass beim Verbrauchsgüterkauf der Verbraucher vor Rücktritt wegen vertragswidrig gelieferter Ware seinem Vertragspartner nicht erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben muss.

Das Gericht hat die genannten Bestimmungen des nationalen Rechts richtlinienkonform auszulegen (vgl. BGH a. a. O.), d. h. unter Berücksichtigung der Richtlinie 1999/44 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 05. 1999 (im Folgenden nur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie genannt). Diese besagt unter Artikel 3 Abs. 3 lediglich, dass der Verbraucher zunächst vom Verkäufer Nachbesserung oder Ersatzlieferung verlangen kann. Das Wort „zunächst“ bedeutet aber nicht, dass er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen muss, sondern nur, dass er –naturgemäß- nicht noch Nachbesserung oder Ersatzlieferung verlangen kann, wenn er schon mit Erfolg Minderung des Kaufpreises oder Vertragsauflösung (vgl. Artikel 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) beansprucht hat.

Allerdings hat das Gericht Nutzungsvorteile bei der Rückabwicklung abgezogen. Hierbei wurde angemerkt, dass eine nicht erklärte Aufrechnung nicht schadet, da beim Rückgewährschuldverhältnis quasi automatisch zu saldieren ist.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner