CISG: Ausschluss des UN-Kaufrechts (in AGB) – sinnvoll oder nicht?

Inzwischen scheint es eine Art stillschweigender Konsens zu sein: In seinen AGB schliesst man pauschal die Anwendung von UN-Kaufrecht aus. Wenn ich in der täglichen Beratung nachfrage, warum man dies bisher getan hat, ist dann festzustellen, dass es „einfach so ist“ – eine Begründung, oder überhaupt Kenntnis des CISG, treffe ich dabei faktisch nie an. Dabei ist es nicht einmal klug.

Wann findet die CISG Anwendung

Bevor man sich die Frage stellt, wie man damit umgeht, sollte (ganz kurz ausgedrückt!) erst einmal geprüft werden, ob die CISG überhaupt Anwendung findet. Gemäß Artikel 1 findet es dabei Anwendung, wenn die Vertragsparteien in verschiedenen Staaten ansässig sind. Übrigens ist die Einstufung der Parteien (Verbraucher/Unternehmer/Kaufleute) belanglos – das UN-kaufrecht findet allerdings etwa keine Anwendung, wenn die gekaufte Sache dem rein persönlichen Gebrauch dient, sofern der Vertragspartner hiervon nicht keine Kenntnis hatte. Es geht also nicht darum, dass beim klassischen inländischen Kauf die Regeln des UN-Kaufrechts kollidieren können – allerdings kann eben schon die Anwendung eröffnet sein, trotz inländischem Kauf, weil der Vertragspartner seine Niederlassung in einem anderen Staat hat (wenn der andere Vertragspartner das weiss bzw. kennen musste). Weiterhin gilt das UN-Kaufrecht nur bei Kaufverträgen.

Kollision der Rechtsnormen

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Regelungen: Einmal das jeweilige nationale Recht, dann innerhalb von Europa die ROM-I-Verordnung als Kollisionsnorm, wenn tatsächlich verschiedene Rechtsnormen kollidieren, in Zukunft vielleicht ein EU-Kaufrecht und zudem das UN-Kaufrecht. Was auf den ersten Blick verwirrend erscheint, ist aber letztlich tatsächlich in sich zu lösen: Das UN-Kaufrecht ist Teil des nationalen Rechts der jeweiligen Vertragsstaaten. Die ROM-I-Verordnung kommt am Ende innerhalb der EU nur zu dem Ergebnis, welches Recht aus welchem Vertragsstaat Anwendung findet, was dann aber zum UN-Kaufrecht führt (soweit nicht ausgeschlossen). Bei mindestens einem Vertragspartner ausserhalb der EU stellt sich die Frage anzuwendenden Rechts zwar auf anderem Wege, am Ende ist das Ergebnis dann aber das gleiche.
Und das vielleicht kommende „EU-Kaufrecht“? Das wird nach der Vorstellung der EU ein „fakultatives Kaufrecht“ sein, dass die Vertragspartner unter Umständen frei wählen können. Man kann also am Ende wählen zwischen nationalem Recht eines Vertragsstaates, UN-Kaufrecht und in Zukunft vielleicht EU-kaufrecht, muss aber eben im Vertrag eine klare Wahl treffen, da sonst das Ergebnis automatisch das UN-Kaufrecht sein könnte. Einzig verwirrend ist dann vielleicht die Vorstellung, dass UN-Kaufrecht und EU-Kaufrecht Bestandteil des nationalen Rechtssystems sind, man also die Wahl zwischen drei Rechtssystemen innerhalb der gleichen Rechtsordnung hat – aber das nur am Rande.

Was spricht für die CISG

Die „United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods“, oder kurz „CISG“, ist erst einmal fremd. Das schreckt natürlich ab. Dann ist zu bedenken, dass jedenfalls das BGB und zugehörige Rechtsprechung weit über 100 Jahre alt ist, die CISG dagegen gerade einmal gute 30 Jahre. Das mag auch abschrecken. Neben den eher emotionalen Ansätzen ist aber auch zu sehen, dass es sich um ein internationales Vertragswerk handelt, das gut kommentiert ist und durchaus umfangreiche Rechtsprechung vorzuweisen hat. Durch übersetzte Fassungen in die Sprache jedes Vertragsstaates gibt es damit zumindest im Ansatz eine Art einheitliches Rechtssystem, auf das man bei Kaufverträgen aufsetzen kann. Und wenn beide Vertragsparteien ergebnisorientiert im Streitfall arbeiten, lässt sich ein Streitfall sinnvoll und kostensparend lösen (Beispiele folgen).

Warum kein pauschaler Ausschluss – oder Auswahl der CISG?

Es ist nicht zwingend ein Fehler, sich für oder gegen die CISG zu entscheiden – der Fehler ist meines Erachtens, es pauschal zu tun! Die CISG versucht ein ausgewogenes Verhältnis der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien zu erreichen, weicht dabei aber mitunter ab von dem, was man etwa im deutschen Recht kennt. Aber eben nicht einseitig zu Lasten einer Partei, sondern im Wechselspiel. Das führt zu verschiedenen Ergebnisse, kurz und beispielhaft:

  • Untersuchungs- und Rügepflichten sind für den Käufer im CISG nützlich, für den Verkäufer im HGB
  • Die Gewährleistung ist dagegen für den Verkäufer im CISG günstiger, für den Käufer im BGB
  • Wenn man an Lieferketten denkt, ist für den Erstverkäufer die CISG günstiger, für Teile der Lieferkette wohl das BGB

Diese Liste könnte man fortsetzen, teilweise auch Bezogen auf Sachverhalte und nicht nur die Rolle der jeweiligen Partei. Das bedeutet: Es ist mitunter ein Kardinalfehler, pauschal in seine AGB einen Ausschluss der CISG aufzunehmen und davon nicht zumindest einzelvertraglich abzuweichen. Wer hier ohne konkrete Analyse blind ausschliesst kann mitunter auf ganz erhebliche Vorteile verzichten.

Beispiele zum Ablauf mit der CISG

Interessanterweise lässt sich (scheinbar?) in Fällen unter Rechtswahl des UN-Kaufrechts Streit häufiger ohne Gerichte lösen. In einem Fall hatte ein Mandant aus China mehrere Container eines Produkts bestellt, das er unter eigenem Label weiterverkaufen wollte. Beim Auspacken zeigte sich, dass der Verkäufer sein eigenes Label bereits auf dieses Produkt aufgedruckt hatte (es geht um ein Endprodukt im IT-Bereich, das bestimmungsgemäß in hoher Anzahl veräußert wird). Es dauerte zwar fast 10 Tage, aber letztlich konnte im immer noch überschaubaren Rahmen, unter Zugrundlegung der einschlägigen Rechtsprechung bei Vermeidung eines Gerichtsstreits, konstruktiv eine Lösung unter den Anwälten gefunden werden.
In einem anderen Fall ging es um eine hohe Anzahl Datenträger mit Standardsoftware, die fehlerhaft verpackt waren – auch hier liess sich recht kurzfristig eine Lösung finden, ohne dass der Streit eskalierte. Auch hier war wieder ausschlaggebend, dass die beteiligten Anwälte sich fahclich kurzerhand mit Blick auf die Rechtsprechung zur CISG einigen konnten. Gerade bei ausländischen Vertragspartnern habe ich den Eindruck, dass es hilfreich ist, wenn man sich mit diesen nicht über (dort letztlich doch schwierig zu beurteilendes) deutsches Recht streitet, sondern auf gemeinsamer Basis arbeiten kann. Dies mag nur mein subjektiver Eindruck sein, die zählen Streitfälle bei der Anwendung eines konkreten nationalen Rechts dagegen sprechen hier regelmässig eine ganz andere Sprache.

Fazit

Es ist wohl regelmäßig ein Fehler, pauschal das UN-Kaufrecht auszuschliessen. Schon im Jahr 2000 schrieb Koch in der NJW (2000, S.910) zu Recht den Aufruf „Wider den formularmäßigen Ausschluss des UN-Kaufrechts“. Eine Schuldrechtsreform und mehr als 10 Jahre später muss man wohl feststellen: Umsonst. Es lohnt sich allerdings weiterhin, gegen diese Unsitte anzutreten.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner