Kein Unterlassungsanspruch, wenn Äußerungen aus vertraulichem Gespräch an Presse weitergegeben werden

Im Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden (4 U 676/24) vom 28. Mai 2024 befasst sich das Gericht mit der Frage, ob ein Unterlassungsanspruch besteht, wenn Äußerungen aus einem vertraulichen Gespräch an die Presse weitergegeben werden. Der Kläger begehrte die Unterlassung der Verbreitung bestimmter Zitate, die in einem Artikel der „Freien Presse“ veröffentlicht wurden. Das OLG Dresden entschied, dass kein Unterlassungsanspruch besteht.

Sachverhalt

Der Kläger hatte in einem vertraulichen Gespräch mit einem Pfarrer Äußerungen gemacht, die später in der „Freien Presse“ veröffentlicht wurden. Er machte geltend, dass diese Äußerungen unter das Seelsorgegeheimnis fielen und die Veröffentlichung ohne seine Autorisierung erfolgte. Das Landgericht Chemnitz hatte seinen Antrag auf einstweilige Verfügung abgelehnt, woraufhin er Berufung einlegte.

Rechtliche Analyse

Schutz der Privatsphäre und des gesprochenen Wortes

Das OLG Dresden stellte fest, dass nicht das Recht am gesprochenen Wort, sondern der Schutz der Privatsphäre betroffen sei, wenn Äußerungen aus einem vertraulichen Gespräch an die Presse weitergegeben werden. Außerhalb des Beichtgeheimnisses dürfe die Presse grundsätzlich auch über Äußerungen berichten, die in einem vertraulichen Gespräch mit einem Geistlichen gemacht wurden, solange dabei keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen verletzt werden.

Autorisierungsvorbehalt

Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch könne bestehen, wenn ein Autorisierungsvorbehalt verletzt wurde. Dies setze jedoch voraus, dass der Inhalt des Gesprächs zur Freigabe vorgelegt wurde und die Veröffentlichung erheblich vom genehmigten Wortlaut abweicht. Kleinere Änderungen seien zulässig, solange sie den Sinn der Aussage nicht verfälschen.

Gründe der Entscheidung

Äußerung: „Solange wir nicht an der Macht sind, gibt es keinen politischen Konsens.“

Das Landgericht hatte festgestellt, dass diese Äußerung in einem Gespräch mit dem Pfarrer gefallen sei. Diese Feststellung basierte auf der Aussage einer Zeugin und einer schriftlichen Erklärung des Pfarrers. Das OLG Dresden sah keine Gründe, diese Feststellung zu bezweifeln, und wies darauf hin, dass die Beweisaufnahme im Verfügungsverfahren nur eine Glaubhaftmachung erfordere. Zudem sei die Beklagte ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen und habe daher ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung der Äußerung.

Vertraulichkeit des Gesprächs

Der Kläger konnte nicht glaubhaft machen, dass die Äußerung unter dem Siegel der Verschwiegenheit gemacht wurde. Der Pfarrer hatte dem Gespräch keine besondere Vertraulichkeit beigemessen, und die Beklagte hatte keine Hinweise darauf, dass die Äußerung besonders geschützt werden sollte. Der Schutz der Privatsphäre des Klägers sei nicht absolut und müsse gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen werden.

Abweichungen von der Freigabeerklärung

Das OLG Dresden sah keine erheblichen Abweichungen vom genehmigten Wortlaut, die einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen würden. Die Verwendung des Wortes „Streitereien“ anstelle von „Differenzen“ stelle keine sinnverändernde Zusammenfassung dar. Zudem habe der Kläger keinen Anspruch darauf, ausschließlich wörtlich zitiert zu werden, solange die Aussage nicht verfälscht werde.


Fazit

Der Hinweisbeschluss des OLG Dresden verdeutlicht, dass der Schutz der Privatsphäre und des gesprochenen Wortes nicht absolut ist und gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen werden muss. Ein Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn schutzwürdige Interessen des Betroffenen verletzt werden oder eine erhebliche Abweichung vom genehmigten Wortlaut vorliegt. In diesem Fall wurden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, und die Berufung des Klägers hatte keine Aussicht auf Erfolg.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner