Der Generalanwalt beim EUGH hat ausgeführt, dass eine Vorratsspeicherung von IP‑Adressen zum Zweck des Schutzes von Rechten des geistigen Eigentums sowie ihre Weitergabe an die Inhaber dieser Rechte im Rahmen von Verfahren, die diesen Schutz zum Gegenstand haben, gegen Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 in der Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs verstoßen würde.
Obwohl die Verpflichtung zur Übermittlung personenbezogener Daten an Privatpersonen zum Zweck der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen vor den Zivilgerichten vom Gerichtshof selbst ermöglicht wurde, wird sie aus Sicht des Generalanwalts gleichzeitig durch die EUGH-Rechtsprechung zur Vorratsspeicherung von IP‑Adressen durch die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste neutralisiert.
Allerdings sieht der Generalanwalt die „Gefahr einer systemischen Straflosigkeit für Straftaten, die ausschließlich im Internet begangen werden„. Denn die Rechtsprechung des Gerichtshofs könnte aus dessen Sicht dazu führen, dass den nationalen Behörden die einzige Möglichkeit genommen wird, die Täter solcher Straftaten im Internet zu identifizieren, die nicht zur schweren Kriminalität zählen, wie z. B. Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums.
Dies würde de facto zu einer systemischen Straflosigkeit für ausschließlich im Internet begangene Straftaten führen, zu denen im Übrigen nicht nur die Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums zählen. Ich denke dabei insbesondere an Online-Verleumdungen. Das Unionsrecht sieht zwar Anordnungen gegen Vermittler vor, deren Dienste zur Begehung solcher Straftaten genutzt werden, doch könnte die Rechtsprechung des Gerichtshofs dazu führen, dass die Urheber dieser Handlungen nie verfolgt werden könnten. Darum geht er den Weg, dem Gerichtshof eine „gewisse Anpassung“ der zur Vorratsdatenspeicherung entwickelten Rechtsprechung zu nationalen Maßnahmen zur Vorratsspeicherung von IP‑Adressen vorzuschlagen. Als solchen Weg schlägt er dann vor, Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG so auszulegen,
dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste die Vorratsspeicherung von Identitätsdaten, die IP‑Adressen zugeordnet sind, erlaubt und einer Verwaltungsbehörde, die für den Schutz von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten gegen im Internet begangene Verletzungen dieser Rechte zuständig ist, Zugang zu diesen – und nur diesen – Daten gewährt, damit diese Behörde die Inhaber dieser Adressen, die im Verdacht stehen, für diese Rechtsverletzungen verantwortlich zu sein, ermitteln und gegebenenfalls Maßnahmen gegen sie ergreifen kann, ohne dass dieser Zugang einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterliegt, wenn diese Daten den einzigen Anhaltspunkt darstellen, der es ermöglicht, die Identität der Person zu ermitteln, der diese Adresse zugewiesen war, als die Tat begangen wurde.
Die Entscheidung des EUGH wird nun nicht minder spannend sein – insbesondere die daran geknüpfte Frage, ob und falls ja, welche Konsequenzen Deutschland daran legt.
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