Bundesgerichtshof zu Filesharing (2016): Streitwert und Störerhaftung

Der Bundesgerichtshof hat sich im Mai 2016 erneut zur Haftung wegen Teilnahme an Internet-Tauschbörsen („Filesharing“-Abmahnungen) geäußert und wenn man der Pressemitteilung Glauben schenken darf, so wurde die Position der Abgemahnten, insbesondere abgemahnter Familien, deutlich verbessert.

So liest sich zum anzusetzenden Streitwert folgender Absatz erst einmal harmlos, geradezu selbstverständlich:

Die vom Landgericht vorgenommene schematische Bemessung des Gegenstandswerts wird dem Umstand nicht gerecht, dass die zukünftige Bereitstellung eines Werks in einer Internet-Tauschbörse nicht nur die Lizenzierung des Werks, sondern seine kommerzielle Auswertung insgesamt zu beeinträchtigen droht. Die hiernach für die Bemessung des Gegenstandswerts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen – etwa zum wirtschaftlichen Wert des verletzten Rechts, zur Aktualität und Popularität des Werks, zur Intensität und Dauer der Rechtsverletzung sowie zu subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers – hat das Landgericht bislang nicht getroffen.

Die gerichtliche Praxis beschftigen diese Aspekte bisher aber gar nicht. Insbesondere Fragen der subjektiven Vorstellungen des Filesharers oder zur Intensität der Rechtsverletzung werden sogar eher ignoriert als dass sie Relevanz hätten. Hier bietet sich bereits ein erster Ansatzpunkt.

Noch mehr Sprengstoff bietet aber dieser Abschnitt, der kurz und unspektakulär festhält:

Der Beklagten war eine entsprechende Belehrung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses nicht zumutbar. Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, trifft keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht.

Wenn das so im Urteil steht würde die bisher so problematische Situation der Störerhaftung in deutschen Haushalten massiv entschärft, insbesondere wenn auch Gäste nicht weiter zu belehren/kontrollieren sind. Nicht nur Wohngemeinschaften, Familien insgesamt würden sich plötzlich auf einem vollkommen anderen Gebiet bewegen, wenn der Zugang zum Internet geteilt wird. Sollte der BGH das derart klar in seine Entscheidungsgründe schreiben, würde die Störerhaftung in der Form, wie sie seit 2010 Abmahnungen im Bereich des Filesharings möglich gemacht hat, deutlich in sich zusammenfallen.

Wie immer: Es liegt nur die Pressemitteilung des BGH vor. Es werden Wochen bis Monate vergehen, bis die Entscheidung insgesamt, mit ihren Urteilsgründen, veröffentlicht wird. Bis dahin sollte man sich in allzu euphorischen Ausbrüchen zurückhalten. Für laufende Verfahren besteht nun aber eine sehr undankbare Situation, Prozessvertreter von Abgemahnten werden sicherlich bemüht sein, laufende oder anstehende Verfahren nun massiv hinaus zu zögern, um diese Entscheidungen berücksichtigen zu können. Naheliegend wäre es jedenfalls.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner