Das Oberlandesgericht Köln (6 W 37/16) konnte sich zu einem typischen Streitpunkt äußern: Beim Filesharing werden mitunter nur Dateifragmente ausgetauscht, doch reicht das wirklich um eine abmahnfähige Urheberrechtsverletzung anzunehmen? Das OLG sagt eindeutig ja:
Zwar wird in der Instanzrechtsprechung vertreten, für die Annahme einer Urheberrechtsverletzung in einem Peer-to-Peer-Netzwerk müsse feststehen, dass ein zumindest schutzfähiger Teil eines geschützten Werkes zum Herunterladen angeboten worden sei, was nicht der Fall sei, wenn lediglich ein nicht selbstständig nutzbares Fragment einer Datei („Datenmüll“) angeboten werde (z. B. LG Frankenthal, GRUR-RR 2016, 110). Die Sichtweise lässt jedoch Sinn und Zweck eines Peer-to-Peer-Netzwerks außer Betracht. Dieses dient zum Austausch funktionsfähiger Dateien. Wer in einem Peer-to-Peer-Netzwerk urheberrechtlich geschützte Dateien einstellt, tut dies nicht, um das Internet durch „Datenmüll“ zu belasten, sondern um im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den anderen Teilnehmern funktionsfähige Dateien in dem Netzwerk zur Verfügung stellen.
Es steht der Annahme einer Rechtsverletzung daher nicht entgegen, dass das Herunterladen der geschützten Datei technisch so realisiert wird, dass einzelne Fragmente („Pieces“) dieser Datei von verschiedenen Quellen heruntergeladen und erst auf dem Zielrechner zu einem funktionsfähigen Ganzen zusammengefügt werden. Es wird daher, soweit ersichtlich, auch nicht in Zweifel gezogen, dass das Angebot einer kompletten Datei ohne Zustimmung des Rechteinhabers zum Herunterladen ein unberechtigtes öffentliches Zugänglichmachen darstellt, auch wenn von dieser konkreten Datei in der Regel jeweils nur einzelne Fragmente abgerufen werden.
Zutreffend ist, dass aufgrund der technischen Umsetzung des Peer-to-Peer-Netzwerks die theoretische Möglichkeit besteht, dass einzelne Fragmente einer Datei von einem bestimmten Client zum Herunterladen angeboten werden, obwohl dieser Client selber noch nicht sämtliche zugehörigen Fragmente der betreffenden Datei heruntergeladen hat (Anlage ASt 9, S. 5). Auch in dieser Konstellation liegt jedoch eine offensichtliche Rechtsverletzung vor. Die einzelnen Fragmente stellen Teile der geschützten Datei dar und können auf den Rechnern anderer Clients wieder zu einer funktionsfähigen Datei zusammengefügt werden. Auch ein Client, der im Zuge des Herunterladens der kompletten Datei bereits einzelne vollständig empfangene Fragmente seinerseits zum Herunterladen freigibt, leistet damit einen adäquat kausalen Beitrag zum öffentlich Zugänglichmachen der kompletten geschützten Datei. Dies genügt, um im Rahmen des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG von einer offensichtlichen Rechtsverletzung auszugehen. Welche zivilrechtlichen Konsequenzen es hat, wenn sich im Verletzungsprozess feststellen lässt, dass tatsächlich über den ermittelten Anschluss niemals die komplette Datei, sondern lediglich einzelne Fragmente angeboten worden sind (etwa weil das Herunterladen abgebrochen worden ist, bevor sämtliche Fragmente vorhanden waren), bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.
Es ist daher auch nicht erforderlich, zur Feststellung einer offensichtlichen Rechtsverletzung im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG von jeder der ermittelten IP-Adressen das komplette geschützte Werk herunterzuladen. Es genügt vielmehr, wenn sich unter Verwendung des Hashwerts feststellen lässt, dass unter einer bestimmten IP-Adresse ein geschütztes Werk angeboten wird (Senat, WRP 2013, 1658, 1659 – Life of Pi). Voraussetzung ist lediglich, dass vor Beginn des Ermittlungsvorgangs überprüft wird, ob eine Datei, die durch einen bestimmten Hashwert identifiziert wird, tatsächlich zu Gunsten des Rechteinhabers geschützt Inhalte enthält.
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