Das Oberlandesgericht Düsseldorf (I-16 U 72/15) hat entschieden, dass ein Kaufvertrag bei einem Online-Shop bereits durch eine Bestätigungsmail, die nach einer Bestellung automatisch abgesendet wird, zu Stande kommen kann. Es ging um den Albtraum des Online-Shops: Auf Grund eines Fehlers wurden hochpreisige Waren zu ca. einem hundertstel ihres gewünschten Preises eingestellt. Hier bestellte jemand gleich 10 Stück und verlangte Lieferung, nach der Bestellung erhielt er eine automatisch vom System generierte Mail u.a. mit dem Inhalt „Vielen Dank für Ihren Auftrag. Wir werden Ihre Bestellung umgehend bearbeiten“. Das OLG führt nun sehr ausführlich aus, dass hier ein Vertrag zu Stande gekommen ist, kommt dem unglücklichen Händler aber dennoch zu Hilfe.
Übersicht zur OLG Entscheidung
Die Leitsätze des OLG sprechen bereits Bände:
- Ob eine per Email dem Kunden übersandte automatische Antwort neben der Wissenserklärung des § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB zugleich auch eine auf die Vertragsannahme gerichtete Willenserklärung beinhaltet, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
- Eine mit „Auftragsbestätigung“ überschriebene automatische Email, die eine Wissenserklärung nach § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB beinhaltet, ist regelmäßig zugleich als eine auf die Vertragsannahme gerichtete Willenserklärung auszulegen.
- Die in einer Wissenserklärung nach § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB enthaltene Erklärung „Vielen Dank für Ihren Auftrag. Wir werden Ihre Bestellung umgehend bearbeiten.“ lässt im Rahmen der Auslegung regelmäßig den Schluss zu, dass damit zugleich eine auf die Vertragsannahme gerichtete Willenserklärung abgegeben ist (anders OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.06.2009, 14 U 622/09; OLG Oldenburg, Beschlüsse vom 12.06.2008 und 04.07.2008, 5 U 92/08).
- Die Anfechtung eines aufgrund einer fehlerhaften Preisauszeichnung in einem Online-Shop zu Stande gekommenen Vertrages wegen Erklärungsirrtums setzt neben der Darlegung einer ungewollten Preisangabe auch die konkrete Darlegung voraus, dass das Auseinanderfallen des inneren Willens und des äußeren Erklärungstatbestandes auf einem Fehler bei der Dateneingabe oder weiterleitung beruht, da andernfalls auch ein nicht zur Anfechtung berechtigender Kalkulationsirrtum in Betracht kommt.
- Der über einen Online-Shop abschließende Kunde kann sich bei einem aufgrund fehlerhafter Kalkulation mit einem deutlich zu niedrigen Preis ausgezeichneten Vertragsgegenstand nach § 242 BGB jedenfalls dann nicht auf den Vertrag berufen, wenn er bei Vertragsschluss die fehlerhafte Preisangabe positiv erkannt hat und die Vertragsdurchführung für den Verkäufer schlechthin unzumutbar ist. Das bloße Erkennen der fehlerhaften Preisangabe allein reicht zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs hingegen nicht aus (anders OLG München, Beschluss vom 15.11.2002, 19 W 2631/02).
Vertragsschluss ja, aber treuwidriges berufen auf Vertrag
Der letzte Punkt ist der Wichtige, der zugleich aber auch ein hohes Risiko birgt: Vorliegend lag es auf der Hand, dass bei einem hochpreisigen Spezial-Artikel, der zu einem hundertstel seines Preises angeboten wurde der Käufer, der gleich mehrere Artikel bestellt hatte, bösgläubig handelte um einen Irrtum auszunutzen. Das ist für den Vertragsschluss grundsätzlich ohne Bedeutung, allerdings bleibt ihm das Berufen auf den Vertrag verwehrt. Es kann sich aber schnell ändern, wenn es nicht um ein Quasi-Geschenk geht, sondern um ein echtes Schnäppchen, also um einen Preis der in vertretbarem Rahmen niedriger war, so dass man durchaus von einem Ausverkauf oder Sonderangebot ausgehen durfte.
Bestätigungsmail ist als Vertragsschluss zu verstehen
In diesen Fällen wird die Entscheidung des OLG Düsseldorf dann relevant, die sich der Auslegung der Bestätigungsmail widmet und erklärt, dass eine solche durchaus zum Vertragsschluss führen kann, es kommt eben auf den Wortlaut der Mail an und wie diese zu verstehen ist
Gemessen daran ist vom objektiven Wortlaut der von der Beklagten mittels automatisierter Email abgegebenen Erklärung her hier (auch) von einer Willenserklärung im Sinne einer Vertragsannahme und nicht bloß von einer Wissenserklärung im Sinne einer Bestätigung der Bestellung auszugehen.
Für die Auslegung als Annahmeerklärung und nicht als bloße Empfangsbestätigung spricht der eindeutige Wortlaut der Überschrift „Auftragssbestätigung“, der sich vollständig erst aus der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 05.03.2015 vorgelegten Anlage ergibt. Schon deswegen ist nach dem Verständnis des verständigen und redlichen Durchschnittskunden unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise von einer zustimmenden Willenserklärung auszugehen. Denn damit wird deutlich, dass hier mehr vorliegt, als lediglich eine Bestätigung des Empfangs einer Bestellung. „Auftragsbestätigung“ ist ein Rechtsbegriff, der allgemein die Annahme eines Vertragsangebotes bezeichnet (jurisPK-BGB/Backmann, 7. Aufl. 2014, § 146 Rn. 67; BeckOK-BGB/Eckert, 38. Ed. 2016, § 146 Rn. 13; MüKoBGB/Busche, 7. Aufl. 2015, § 147 Rn. 15; Canaris, HandelsR, 24. Aufl. 2006, § 23 Rn. 49 f.). Dem entspricht auch die Verkehrsauffassung, insbesondere im kaufmännischen Rechtsverkehr – der von dem Angebot des konkreten Produkts angesprochene Durchschnittskunde ist selbst Unternehmer. Dass ungeachtet der Bezeichnung eines Schreibens als „Auftragsbestätigung“ nach den Umständen, insbesondere des Inhalts des Schreibens, auch ein über eine bloße Vertragsannahme hinausgehendes kaufmännisches Bestätigungsschreiben verstanden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.1971, VII ZR 177/69, Juris Rn. 10), steht der gefundenen Auslegung nicht entgegen, da weitergehende Rechtswirkungen als die einer Vertragsannahme hier nicht in Rede stehen.
Auch spricht der weitere Inhalt der Erklärung hier für eine Vertragsannahme, insbesondere die im Anschluss an eine Zusammenfassung der Bestellung verwendete Formulierung „Vielen Dank für Ihren Auftrag. Wir werden Ihre Bestellung umgehend bearbeiten“ spricht hierfür. Der Empfänger versteht diese Formulierung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte dahin, dass ein Vertrag zu den zusammengefasst wiedergegebenen Bedingungen zustande gekommen ist und nunmehr vom Verkäufer ausgeführt wird (so für identische, vergleichbare oder gar „schwächere“ Formulierungen BGH, Urteil vom 26.01.2005, VIII ZR 79/04, Juris Rn. 4 und 12; OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2002, 9 U 94/02, Juris Rn. 25; LG Köln, Urteil vom 16.04.2003, 9 S 289/02, Juris Rn. 5; Staudinger/Thüsing, a.a.O., m.w.N. zur Rechtsprechung auch weiterer Instanzgerichte; a.A. OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.06.2009, 14 U 622/09, Juris Rn. 21; OLG Oldenburg, Beschlüsse vom 12.06.2008 und 04.07.2008, 5 U 92/08, zitiert nach Thüsing a.a.O.). Schon das allgemeine Sprachverständnis legt nahe, dass das Versprechen, umgehend oder alsbald mit der Bearbeitung des Auftrages zu beginnen, so verstanden wird, als beginne der Unternehmer nunmehr mit der Ausführung des Vertrages und nicht dahin, dass der Auftrag zunächst geprüft werde (vgl. Staudinger/Thüsing, a.a.O. Rn. 48).
In der Entscheidung wird allerdings nirgendwo thematisiert, was der Betreiber des Online-Shops in seinen AGB formuliert hatte, insbesondere ob hier die übliche Klausel enthalten war, derzufolge mit erster Mail ausdrücklich kein Vertragsschluss zu Stande kommt. Ob dies nur nicht vorgetragen wurde oder der schludrige Verkäufer auch noch an brauchbaren AGB gegeizt hat bleibt insoweit offen. Es ist aber durchaus in Zweifel zu ziehen, ob dies helfen würde. Etwa das OLG Nürnberg (14 U 622/09) brachte es insoweit trefend auf den Punkt:
Auf die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten hinsichtlich der Annahme enthaltene Regelung – wonach eine Vertragsannahmeerklärung durch die Beklagte oder durch die ausliefernde Spedition erfolgt (vgl. Klageerwiderung S. 5) – kommt es allerdings nicht an. Voraussetzung für eine Einbeziehung von AGB ist, dass zwischen dem Verwender und dem Kunden ein wirksamer Vertrag zustande kommt. AGB können somit den Vertragsschluss nicht abweichend vom Gesetz regeln, da der Vertrag Geltungsgrundlage der AGB ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 305 Rz. 44 m.w.N.; s. a. MünchKomm/BGB/Wen-dehorst, 5. Aufl., § 312e Rz. 96). Der Unternehmer kann zwar zur Klarstellung in der Bestellbestätigung darauf hinweisen, dass diese Bestellbestätigung noch keine Annahmeerklärung sein soll. Erfolgt aber diese Klarstellung in den beigefügten AGB, würde diese durch den (individuellen) Erklärungsinhalt der Bestellbestätigung verdrängt (§ 305b BGB; s. hierzu Wendehorst, a.a.O.). Eine klarstellende Regelung in den AGB kann somit nur für die Fälle Auffangcharakter haben, in denen der Wortlaut der Bestellbestätigung nicht schon zum Vertragsschluss führt (vgl. Stockmar/Wittwer CR 2005, 118, 122).
Dem stimme ich zu: Einfach kurzerhand sein gewünschtes Prozedere in die AGB schreiben hilft nicht, wenn die Bestätigungsmail so formuliert ist, dass sie als Vertragsschluss zu verstehen sein muss.
Anfechtung bei Preisirrtum
Ein paar Worte noch zur Anfechtung beim Preisirrtum: Die Anfechtung weil man sich bei der Einstellung des Preises geirrt hat gibt es nicht geschenkt, man muss schon prozessual ordentlich dazu vortragen. Wenn ich angesichts des erheblichen wirtschaftlichen Risikos sehe, wie rudimentär an der Stelle im Prozess vorgetragen wurde bin ich recht fassungslos:
Der hier in Betracht kommende, zur Anfechtung berechtigtende Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 BGB lässt sich nicht feststellen. Beim Erklärungsirrtum wählt der Erklärende unbewusst ein falsches Erklärungszeichen. Er äußert tatsächlich etwas anders, als er äußern wollte, z.B. weil er sich verspricht, verschreibt oder vergreift. Notwendig ist also ein Fehler bei der Erklärung. Ein solcher kann in der fehlerhaften Preiseingabe in ein Computersystem liegen (BGH, Urteil vom 26.01.2005, VIII ZR 79/04, Juris Rn. 14; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl. 2016, § 119 Rn. 10). Dem steht die Verfälschung des richtigen Erklärungszeichens auf dem Weg vom Erklärenden zum Erklärungsempfänger gleich, die im Rahmen der Nutzung eines Computersystems beispielsweise in der Änderung des eingegebenen Verkaufspreises aufgrund eines Fehlers im Datentransfer durch die im Übrigen beanstandungsfrei laufende Software liegen kann (BGH, a.a.O.). Denn es besteht kein Unterschied, ob sich der Erklärende selbst verschreibt beziehungsweise vertippt oder ob die Abweichung vom gewollten Erklärungstatbestand auf dem weiteren Weg zum Empfänger eintritt. Dies ergibt sich auch aus § 120 BGB, wonach eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden kann wie nach § 119 BGB eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung. Dementsprechend wird § 120 BGB einhellig als Fall des Erklärungsirrtums angesehen, der lediglich eine gesonderte gesetzliche Regelung erhalten hat (Palandt/Ellenberger, a.a.O.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., § 36 Rn. 14). Gleiches gilt, falls aufgrund fehlerhaften Datentransfers ein Übermittlungsfehler geschieht, bevor die Willenserklärung den Bereich des Erklärenden verlassen hat (BGH, a.a.O. Rn. 15).
Dass die Preisangabe hier auf einer fehlerhaften Eingabe des Preises in das Computersystem erfolgte, steht jedoch entgegen der Annahme des Landgerichts nicht fest. Die Beklagte hat hierzu nur vage angegeben, es handele sich um eine „fehlerhafte Online-Eingabe“ bzw. einen „elektronischen Eingabefehler“. Die Klägerin hat bestritten, dass die Preisangabe ungewollt erfolgte, ohne dass die Beklagte einen Fehler bei der Erklärung näher dargelegt oder unter Beweis gestellt hätte. Auf diesen Mangel des Vortrages hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, ohne dass die Klägerin insoweit weitergehend vorgetragen hat. Soweit das Landgericht dahinstehen lässt, ob eine fehlerhafte Eingabe oder eine – von keiner Seite behauptete – fehlerhafte Übermittlung korrekt eingegebener Daten vorliegt, ändert dies nichts, da daneben (unter anderem) auch eine fehlerhafte (automatische) Preisberechnung in Betracht kommt.
Soweit daneben aufgrund des übereinstimmenden Vortrages der Parteien eine fehlerhafte Preiskalkulation in Betracht kommt, berechtigt diese als verdeckter Kalkulationsirrtum nicht zur Anfechtung.
Fazit
Fehler passieren und unser Rechtssystem sieht hier Möglichkeiten der Reparatur, etwa in Form der Anfechtung, durchaus vor. Beim Preisirrtum im Online-Shop gilt zudem – auf den ersten Blick widersprüchlich – dass je schlimmer der Fehler, umso eher der Schaden vermeidbar ist. Bei Exorbitanten Preisabweichungen die nicht mehr zu erklären sind, wird der Käufer auch wenn ein Vertrag anzunehmen ist, aus diesem Vertrag nichts herleiten können; problematisch sind daher eher spürbare aber noch vertretbare Abweichungen, die auch durch Sonderangebote, Ausverkäufe oder Auslaufmodelle zu erklären währen. Auf AGB alleine sollten sich Shop-Betreiber nicht verlassen, spätestens wenn ein Vertrag im Raum steht und eine Anfechtung in Betracht kommt, muss man von eigenem herumstümpern Abstand nehmen, wenn man an dem Vertrag nicht festgehalten werden möchte.
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