BGH zur Störerhaftung des Registrars

Der Bundesgerichtshof (I ZR 13/19) hat nunmehr klargestellt, dass der Registrar einer Internetdomain, der im Auftrag des zukünftigen Domaininhabers der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt und auf diese Weise an der Konnektierung der Domain mitwirkt, als Störer für die Bereitstellung urheberrechtsverletzender Inhalte unter der registrierten Domain haftet – dies allerdings nach den für Internetzugangsvermittler geltenden Grundsätzen auf Dekonnektierung der Domain.

Damit stellt sich der Bundesgerichtshof ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des OLG Köln.

Die Störerhaftung des Domain-Registrars tritt dabei mit dem BGH dann ein, wenn der Registrar ungeachtet eines Hinweises auf eine klare und ohne weiteres feststellbare Rechtsverletzung die Dekonnektierung unterlässt. Dies aber nur, wenn

  • unter der beanstandeten Domain weit überwiegend illegale Inhalte bereitgestellt werden und
  • der Rechtsinhaber zuvor erfolglos gegen diejenigen Beteiligten vorgegangen ist, die – wie der Betreiber der Internetseite – die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder – wie der Host-Provider – zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben (sofern nicht einem solchen Vorgehen jede Erfolgsaussicht fehlt).

So führt der BGH aus:

Beim Registrar ist die Übertragung der für den Internetzugangsvermittler geltenden Haftungsgrundsätze angemessen (…)

Bei der Bestimmung von Prüf- und Überwachungspflichten des Registrars ist zu berücksichtigen, dass dieser – ähnlich wie die DENIC – an der im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe mitwirkt, die Sub-Level-Domains unterhalb der Top-Level-Domains („.de“, „.com“ usw.) effizient zu vergeben und zu verwalten. Zugleich ermöglicht der Registrar zwar nicht im Wege technischer Durchleitung, aber durch administrative Maßnahmen die Erreichbarkeit der betroffenen Internetdomain, so dass insoweit eine Ähnlichkeit zum Internetzugangsvermittler besteht. Anders als der Host-Provider, der die möglicherweise rechtsverletzenden Daten speichert, sorgt der Registrar lediglich für die Konnektierung einer Internetdomain (…)

Die Annahme anlassloser allgemeiner Prüf- und Überwachungspflichten des Registrars kommt danach nicht in Betracht. Die Störerhaftung des Registrars setzt vielmehr ebenfalls voraus, dass er auf eine klare und ohne weiteres feststellbare Rechtsverletzung hingewiesen wird. Dem Registrar, der – anders als die DENIC – mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird, ist es unter den auch für den Internetzugangsvermittler geltenden Voraussetzungen zumutbar, einem solchen Hinweis nachzugehen und im Falle einer Verletzung seiner Prüfpflicht als Störer zu haften.

Allerdings sind die Umstände zu betrachten: Anders als eine Zeichenverletzung, die an der Domainbezeichnung selbst ablesbar sein kann, erfordert die Prüfung einer Beanstandung, die sich auf den unter der Domain bereitgestellten Inhalt bezieht, Feststellungen zum Seiteninhalt, von dem der Registrar im Regelfall keine Kenntnis hat. Auch bei einer klaren Rechtsverletzung kann dies einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern. Dabei betont der BGH, dass man sehen muss, dass auch bei vertraglicher Verbindung zwischen Rechtsverletzer und Registrar letztlich eine Aufgabe mit Bedeutung für die Öffentlichkeit ausgeübt wird:

Im Rahmen der Grundrechtsabwägung, in die neben dem Grundrecht des Zugangsvermittlers auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 EU-Grundrechtecharta) und Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) auch das Grundrecht des Inhabers von Urheberrechten auf Schutz seines geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta, Art. 14 Abs. 1 GG) einzustellen ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Union das Kriterium der strengen Zielorientierung dahingehend formuliert, dass die ergriffenen Sperrmaßnahmen den Internetnutzern die Möglichkeit, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erhalten, „nicht unnötig“ vorenthalten dürften (…)

Bei der Bestimmung von Prüf- und Überwachungspflichten des Registrars ist zu berücksichtigen, dass dieser – ähnlich wie die DENIC – an der im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe mitwirkt, die Sub-Level-Domains unterhalb der Top-Level-Domains („.de“, „.com“ usw.) effizient zu vergeben und zu verwalten. Zugleich ermöglicht der Registrar zwar nicht im Wege technischer Durchleitung, aber durch administrative Maßnahmen die Erreichbarkeit der betroffenen Internetdomain, so dass insoweit eine Ähnlichkeit zum Internetzugangsvermittler besteht (…) Da die von dem Registrar verlangte Dekonnektierung einer Domain mit rechtsverletzenden Inhalten zur Folge hat, dass außer diesen Inhalten auch die gesamte Domain mit sämtlichen Inhalten für Internetnutzer nicht mehr erreichbar ist, gelten die Grundsätze zur Vermeidung eines grundrechtswidrigen „Overblockings“ (…) auch für die Störerhaftung des Registrars. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Betroffenheit des Informationsfreiheitsgrundrechts der Internetnutzer nicht mit der Erwägung ausgeblendet werden, der Registrar schulde lediglich dem Registranten das Veranlassen der Konnektierung, nicht dagegen auch den Internetnutzern die Vermittlung des Zugangs zum Internet. Die beeinträchtigende Wirkung der Dekonnektierung einer Domain beschränkt sich nicht auf das Verhältnis zwischen Registrar und Domaininhaber, sondern schließt sämtliche Nutzer vom Zugang zu der Domain aus.

Der die Haftung des Registrars auslösende Hinweis muss sich daher auf alle für die Haftungsbegründung relevanten Umstände – Rechtsverletzung, weit überwiegende Bereitstellung illegaler Inhalte sowie erfolglose oder unmögliche vorrangige Inanspruchnahme anderer Beteiligter – beziehen und insoweit hinreichend konkrete Angaben enthalten:

Aus dem vom Rechtsinhaber erteilten Hinweis müssen sich die Umstände, die eine Prüf- oder Überwachungspflicht des Registrars auslösen können, hinreichend klar ergeben. Dies gilt nicht nur für die geltend gemachte Rechtsverletzung (…), sondern auch für den Umstand, dass unter der beanstandeten Domain weit überwiegend rechtsverletzende Inhalte erreichbar sind. Zudem muss der Rechtsinhaber darlegen, dass er erfolglos gegen den Betreiber oder den Host-Provider der Domain vorgegangen ist oder dass einem solchen Vorgehen jede Erfolgsaussicht fehlt.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner