Inzwischen mehren sich die gerichtlichen Entscheidungen, die eine „Catch-All“-Funktion bei Domains für die Domainbetreiber äusserst kritisch erscheinen lassen. Man kann wohl nur dazu raten, auf diese Funktion zu verzichten – inzwischen, mit Blick auf eine aktuelle Entscheidung des Kammergerichts (in Berlin), kann man das hier bestehende Risiko wohl nur noch als unkalkulierbar bezeichnen.
„Catch-All“-Funktion?
So etwas gibt es sowohl bei Domains als auch bei Mails: Man richtet einen „Catch-All“ ein, das bedeutet, egal was man vor ein „@meinedomain.tld“ setzt, die Mail wird einem Postfach zugeordnet. Und so geht das auch bei Domains oder Sub-Domains. Man kann es so einrichten, dass egal was als „fantasietext.domain.tld“ eingegeben wird, am Ende diese Domain auf einen Server zeigt und hier etwas angezeigt wird.
Ergebnis: Namensklau- und Tippfehler-Domains
Im Ergebnis kann man damit einerseits Eingabefehlern von Usern vorbeugen – wenn diese gezielt eine Subdomain nutzen sollen, sich aber vertippen, verliert man den Benutzer nicht. Andererseits kann man aber natürlich auch seinerseits fremde Besucher abfangen. Das hatte wohl der vor, der sich einen Catch-All unter „.de.de“ eingerichtet hat. Egal was man als Fantasie-Namen eingab, man landete auf einem Angebot. Und wer sich vertippt hat und etwa „computerbild.de.de“ eingab, landete ebenfalls bei einem Angebot von ihm. Das gefiel dem Springer-Verlag nicht wirklich.
Zur Erinnerung: Tippfehler-Domains können nicht nur namensrechtliche, sondern sogar wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche auslösen – dazu das Oberlandesgericht Köln (6 U 187/11), ich habe das ausführlich hier besprochen.
Der vorliegende Fall mag aber zwar an eine Tippfehler-Domain erinnern, ist es aber definitiv nicht – anders als bei einer Tippfehler-Domain, wo jemand zielgerichtet ähnliche Schreibweisen einrichtet, wird hier ja einfach nur weiterverwiesen, was letztlich der Nutzer selber in seinem Browser eingetippt hat. Der Vorwurf, dass man zielgerichtet ausnutzt, lässt sich hier schwerer platzieren. Vor allem wird man darüber streiten können, ob die markenrechtlich geschützten Kennzeichen, die hier als „Domain“ relevant sind, überhaupt benutzt werden, da letztlich keine Registrierung vorliegt. Das Argument des Betreibers: Eine Benutzung durch ihn kommt nicht in Frage, sondern wenn dann durch den jeweiligen Nutzer, der die Adresse überhaupt erst eingibt. Gleichwohl sieht das Kammergericht (5 U 119/11) mit seinem Urteil vom 23.05.2012 eine Benutzung mit folgender Begründung:
Dass nicht sie es ist, die diese Domain eingibt, sondern der jeweilige Internetnutzer, ist unschädlich. Das ist bei Domains immer so und steht einer Inanspruchnahme des Internetseitenbetreibers nicht entgegen (vgl. etwa BGH GRUR 2009, 1055 Tz. 50 – airdsl).
Gleichfalls ohne Erfolg versucht die Berufung der Einordnung der Antragsgegnerin zu 1 als „Benutzender“ entgegen zu halten, dass diese die streitgegenständlichen Domains nicht gesondert registriert habe, die der Antragstellerin missfallenden Ergebnisse vielmehr nur deshalb so produziert würden, weil die Antragsgegnerin zu 1 ihre Domain „de.de“ mit einer Catch-All-Funktion versehen habe. Dieser Umstand ist nach Auffassung des Senats – jedenfalls im Streitfall – ohne Belang für die Einordnung des Seitenbetreibers als „Zeichenbenutzer“ (wie hier: OLG Nürnberg NJW-RR 2006, 906, 907; LG Hamburg, Urt v. 13.06.2006 – 416 O 131/06 [juris Rdn. 20, 21]; Maaßen/Pszolla, MarkenR 2006, 304, 305 ff.; a.A. ÖOGH MMR 2005, 750, LG Berlin, Urt v. 09.06.2011 – 52 O 42/11, S. 9 f.; Bettinger in: Bettinger, Handbuch des Domainrechts, Teil 2: DE Rdn. 186). Das Argument, es sei nicht der – lediglich die catch-all-Funktion installierende – Domaininhaber, sondern allein der – das geschützte Kennzeichen als Third-Level-Domain eingebende – Internetnutzer, der dieses Zeichen benutze, greift – jedenfalls im Streitfall – zu kurz.
Vordergründig ist zwar in der Tat nur der Internetnutzer am konkreten Vorgang beteiligt: Soweit und weil er eine bestimmte Domain in die Adresszeile eintippt und auf „Eingabe“ drückt bzw. klickt, gelangt er auf eine bestimmte Internetseite. Kausales Element ist aber auch die zuvor vom Domaininhaber erteilte Programmanweisung, dass und warum dies so geschieht. Nur weil er – der Domaininhaber – hier die Catch-All-Funktion installiert hat, geschieht das so. Hätte er das nicht getan (oder auch besagte Funktion in der einen oder anderen Weise eingeschränkt), erschiene bei Eingabe einer Domain unter Einschluss einer (nicht registrierten) dritten Ebene eine (wie im Einzelfall auch immer gestaltete) Fehlanzeige. Die Catch-All-Funktion beeinflusst also den vom Internetnutzer initiierten Eingabe-Ausgabe-Ablauf und steuert diesen, und zwar ohne, dass dem Nutzer das zwingend bewußt wäre.
Also nochmal: Der Verteidigungs-Gedanke ist, dass die Domain als solche gar nicht existiert, sondern quasi durch die Eingabe des Nutzers überhaupt erst technische Relevanz erlangt. Nur für den Zeitraum des Zugriffs, und nur für den jeweils konkreten Nutzer, „existiert“ diese fiktive Domain überhaupt.
Aber: Wer eine derartige Catch-All-Funktion einrichtet, ist sich bewusst, dass jede vom Nutzer eingegebene Zeichenkette zu dem mit der Catch-All-Funktion verbundenen Angebot führt. Die jeweils fiktiv für den Benutzungszeitraum „entstehende“ Domain „entsteht“ dabei tatsächlich erst durch Nutzer-Eingabe, auf die der Angebots-Betreiber keinen Einfluss hat. Gleichwohl ist ohne die zur Verfügung gestellte und mit dem Angebot verknüpfte Catch-All-Funktion ebenfalls nicht möglich, dass eine solch fiktive Domain „entstehen“ kann.
Insofern wird man im Ergebnis erkennen müssen, dass nicht entweder der Nutzer der die Domain eingibt der markenrechtliche Benutzer ist oder der Serverbetreiber, sondern beide agieren zusammen und sind beide letztlich (arbeitsteilig) Benutzer des Kennzeichens. Insofern ist die Tatsache, dass der Nutzer erst handeln muss, keineswegs irrelevant – es ändert aber nichts daran, dass der Catch-All-Betreiber um diesen Umstand weiss und dies gerade ausnutzen will, letztlich auch einzeln in Anspruch genommen werden kann.
Damit ergibt sich im Ergebnis die Erkenntnis, dass derjenige, der eine Catch-All-Funktion bei Domains bereit hält, zwar keinen Einfluss darauf hat, was Nutzer eingeben könn(t)en, sehr wohl aber für einen mögliche unerlaubte kennzeichenbenutzung einzustehen hat. Das Risiko ist an dieser Stelle enorm. Allerdings immer mit der Einschränkung, dass natürlich der geschäftliche Verkehr betroffen sein muss, was hier der Fall war, weil die betroffenen Seiten die angezeigt wurden (natürlich) Werbelinks für geschäftliche Angebote Dritter bereit gehalten haben.
Entscheidung kein Einzelfall
In der Vergangenheit gab es bereits weitere Entscheidungen dieser Art, dazu in Kürze:
Das LG Hamburg (416 O 131/06) hat obige Erwägungen stark verkürzt bereits vertreten und ebenfalls auf Subdomains angewendet. Dabei ging es nicht einmal wie hier um eine besonders markante Domain wie „.de.de“, die geradezu zu Tippfehlern einlädt, sondern um eine „normale“ Catch-All-Subdomain.
Beim OLG Nürnberg (4 U 1790/05) ging es dagegen um den Schutz des bürgerlichen Namens einer Person und auch hier sah man einen Namensgebrauch bei einer Catch-All-Funktion, wo der Name als Subdomain eingegeben werden konnte.
Man sieht das letztliche Fazit: Lieber die Finger davon lassen.
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