In einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 28. Juli 2023 (Aktenzeichen: 6 U 33/23) wurde die Berufung der Klägerin gegen ein vorheriges Urteil des Landgerichts Köln zurückgewiesen. Der Fall betraf die angeblich zu Unrecht erwirkte Unterlassungsverfügung gegen den Vertrieb von Gaming-Stühlen. Die Entscheidung des Gerichts befasst sich mit den Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche und der Frage der Dringlichkeit in einstweiligen Verfügungsverfahren.
Sachverhalt
Die Klägerin vertreibt Gaming-Stühle eines in China ansässigen Herstellers in Deutschland. Die Beklagte, ebenfalls ein chinesischer Hersteller von Gaming-Stühlen, hatte über eine deutsche Firma (S. GmbH) einstweilige Verfügungen gegen Abnehmer der Klägerin erwirkt, da diese angeblich nachgeahmte Stühle vertrieben. Die Klägerin behauptet, dass die eidesstattliche Versicherung des Vertriebsleiters der S. GmbH, die zur Dringlichkeit der Verfügungen führte, inhaltlich falsch war. Sie forderte Schadensersatz wegen entgangener Gewinne, Verfahrenskosten und Reputationsschäden.
Rechtliche Analyse
Dringlichkeit und eidesstattliche Versicherung
Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Köln, dass die Dringlichkeit für die einstweiligen Verfügungen ordnungsgemäß dargelegt wurde. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Vertriebsleiter der S. GmbH bereits vor dem angegebenen Zeitpunkt Kenntnis von den angeblichen Nachahmungen hatte. Selbst wenn die eidesstattlichen Versicherungen inhaltlich falsch gewesen wären, wäre dies nicht kausal für den Erlass der Verfügungen gewesen, da die Kammern des Landgerichts Köln eine Dringlichkeit vermutet hatten, die nicht durch eine etwaige frühere Kenntnis widerlegt wurde.
Anspruch auf Schadensersatz
Das Gericht lehnte die Schadensersatzansprüche der Klägerin aus mehreren Gründen ab:
- Anspruch aus § 945 ZPO: Die Klägerin war nicht selbst Partei in den einstweiligen Verfügungsverfahren, daher steht ihr kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 945 ZPO zu.
- Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB: Es konnte keine schuldhafte Fehleinschätzung der Beklagten hinsichtlich des Verfügungsanspruchs festgestellt werden. Die Beklagte hatte einen im Wettbewerbsrecht erfahrenen Anwalt beauftragt, der nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu einer vertretbaren Rechtsansicht gelangt war. Dass unterschiedliche Gerichte zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen, reicht nicht aus, um Fahrlässigkeit zu unterstellen.
- Anspruch aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder § 156 StGB: Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Beklagte durch vorsätzliche Falschangaben die Titel erschlichen hatte. Die Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen waren nicht entscheidend für die Beschlussverfügungen, da die Dringlichkeitsvermutung unabhängig davon bestand.
Fazit
Das Urteil des OLG Köln bestätigt die strengen Anforderungen an die Darlegung der Dringlichkeit und die Glaubhaftmachung in einstweiligen Verfügungsverfahren. Es unterstreicht auch die hohen Hürden für Schadensersatzansprüche wegen angeblich rechtsmissbräuchlich erwirkter Verfügungen. Die Entscheidung zeigt, dass eine sorgfältige rechtliche Prüfung und Vertretung durch erfahrene Anwälte essenziell ist, um Risiken in Wettbewerbsstreitigkeiten zu minimieren.
Für Unternehmen im Wettbewerb bedeutet dieses Urteil, dass sie sich bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen auf eine gründliche und sorgfältig dokumentierte Beweisführung stützen müssen. Für Betroffene von einstweiligen Verfügungen zeigt das Urteil, dass Schadensersatzansprüche nur bei klar nachweisbaren Fehlverhalten Aussicht auf Erfolg haben. Dies fördert eine vorsichtige und fundierte Vorgehensweise in wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen.
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