Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft: Rechtliche Grenzen der Verdachtsberichterstattung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof München hat am 21. März 2024 (Aktenzeichen 7 CE 24.218) in einem Fall entschieden, der die Balance zwischen der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft und dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen betrifft. Der Fall dreht sich um eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft während eines laufenden Ermittlungsverfahrens und wirft Fragen zur Zulässigkeit der Verdachtsberichterstattung auf.

Sachverhalt

Gegen ein Mitglied des Bayerischen Landtags, den Antragsteller in diesem Fall, lief ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie wegen Volksverhetzung. Im Zuge einer Hausdurchsuchung wurden verschiedene NS-Devotionalien und antisemitische Schriften gefunden.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg veröffentlichte daraufhin eine Pressemitteilung über die Ermittlungen und die vorläufige Festnahme des Antragstellers, inklusive Details über die Funde und die Beschuldigungen. Der Antragsteller forderte daraufhin die Löschung dieser Pressemitteilung, da sie seiner Ansicht nach sein Recht auf ein faires Verfahren und seine Unschuldsvermutung verletze.

Rechtliche Analyse

Das Verwaltungsgericht Würzburg wies den Antrag auf Löschung der Pressemitteilung zurück. Das Gericht argumentierte, dass die Staatsanwaltschaft das Recht habe, gemäß Art. 4 BayPrG über das Ermittlungsverfahren zu informieren. Das öffentliche Interesse an dem Fall überwiege das Geheimhaltungsinteresse des Antragstellers. Weiterhin hielt das Gericht fest, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Verdachtsberichterstattung eingehalten wurden und keine Vorverurteilung stattgefunden habe.

In der Beschwerde vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wurden diese Punkte erneut aufgegriffen. Der Antragsteller argumentierte, dass die Pressemitteilung ihn vorverurteile und sein Recht auf ein faires Verfahren verletze. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte jedoch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Es wurde festgestellt, dass die Pressemitteilung keine Vorverurteilung enthalte und der Unschuldsvermutung Rechnung trage:

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaft gemäß Art. 4 BayPrG i.V.m. Nr. 23 RiStBV berechtigt war, die streitgegenständliche Pressemitteilung am 31. Oktober 2023 zu veröffentlichen. Der sorgfältigen und überzeugenden Begründung des angegriffenen Beschlusses, auf die der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug nimmt, ist zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht die Pressemitteilung zutreffend an den Anforderungen gemessen hat, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung entwickelt worden sind (vgl. BVerfG, B.v. 7.7.2020 – 1 BvR 146/17 – juris Rn. 16; BGH, U.v. 7.12.1999 – VI ZR 51/99 – juris Rn. 20 m.w.N.) und die auch für Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft über ein noch laufendes Ermittlungsverfahren gelten (vgl. OVG NW, B.v. 4.2.2021 – 4 B 1380/20 – juris Rn. 54; OLG Hamm, U.v. 14.11.2014 – I-11U 129/13 u.a. – juris Rn. 38; Claßen, NJW 2023, 3392/3395; Gounalakis, NJW 2012, 1474/1478). Die Pressemitteilung enthält insbesondere keine Vorverurteilung des Antragstellers und genügt dem für Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft geltenden Erfordernis besonderer Zurückhaltung (vgl. Nr. 4a RiStBV; OLG Hamm, U.v. 14.11.2014 – I-11U 129/13 u.a. – juris Rn. 49). Anders als der Antragsteller meint, trägt sie zudem der Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK hinreichend Rechnung. Die Pressemitteilung führt ausdrücklich aus, während eines laufenden Ermittlungsverfahrens habe sich der „Verdacht“ gegen den „Beschuldigten …erhärtet“.

Es bestehe „weiterhin gegen den Beschuldigten ein dringender Tatverdacht“, „die Ermittlungen durch Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei“ dauerten an. Sie schließt mit dem Satz: „Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.“ Diese Wortwahl lässt zweifelsfrei erkennen, dass sich die Pressemitteilung auf ein laufendes Ermittlungsverfahren und nicht auf ein (abgeschlossenes) Strafverfahren bezieht. Die Verdachtslage wird neutral dargestellt. Es wird weder ausdrücklich noch konkludent der Eindruck vermittelt, der Verdacht sei bereits erwiesen. Die vom Antragsteller ohne textliche Anknüpfung an die Pressemitteilung behauptete Vorverurteilung durch die Staatsanwaltschaft liegt nicht vor. Aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung über die bei der Durchsuchung am 14. September 2023 beschlagnahmten Gegenstände berichtet, lässt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht schließen, diese wären als Beweismittel geeignet und erzeugten den Eindruck, zweifelsfrei den Tatnachweis erbringen zu können. Die Darstellung der Staatsanwaltschaft ist auch insoweit objektiv und frei von Bewertungen.

Des Weiteren erfülle sie die Anforderungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung, indem sie klar als Informationen zu einem laufenden Ermittlungsverfahren und nicht als abschließende Feststellungen gekennzeichnet sei.

Fazit

Diese Entscheidung unterstreicht, dass Staatsanwaltschaften das Recht haben, über laufende Ermittlungsverfahren zu informieren, sofern sie die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verdachtsberichterstattung beachten und die Unschuldsvermutung wahren. Gleichzeitig zeigt sie auf, wie wichtig die sorgfältige Formulierung von Pressemitteilungen ist, um das Recht auf ein faires Verfahren nicht zu gefährden. Der Fall verdeutlicht die Gratwanderung zwischen Transparenz und dem Schutz individueller Rechte in der Justizberichterstattung.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner