Wer Schadensersatz geltend machen möchte, ist schnell vor erhebliche Probleme gestellt in einem Zivilprozess, was gerne unterschätzt wird. Weder funktioniert es einfach nur laut „Schaden“ zu rufen, noch kann man ohne brauchbaren Vortrag darauf hoffen, dass das Gericht „es schon richten wird“.
Berechnung von Schadensersatz mit Differenzhypothese
Den Ausgangspunkt einer jeden Schadensberechnung bildet die so genannten Differenzhypothese: Ob und inwieweit ein nach § 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich hierbei nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignisses eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung.
Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, d.h. ohne diese nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen. Nach der im Zivilrecht anzuwendenden Äquivalenztheorie ist hierbei jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen. Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein („Adäquater Schadensersatz“).
Vortrag zum Schaden
Damit der Kläger nun gehört wird, muss er substantiiert zum Schaden vortragen. Einfach nur Umsatzzahlen hierzu zu präsentieren wenn man entgangenen Gewinn geltend machen möchte, reicht zum Beispiel auf keinen Fall. Man muss konkret einmal den Schaden darstellen und dann die vergleichbaren (!) kausalen Umstände, um dann auf vergleichbarer Basis Rückschlüsse zu ziehen. Das kostet viele Stunden Vorbereitung, wer hier den Aufwand unterschätzt, der hat früh verloren.
Schadensschätzung des Gerichts
Der letzte Rettungsanker soll dann oft die Schadensschätzung des Gerichts sein, die in §287 ZPO vorgesehen ist. Doch auch die gibt es nicht geschenkt, denn für Schadensschätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO sind greifbare Anknüpfungstatsachen, die es ermöglichen, den behaupteten Schaden dem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten, zumindest zum Teil, zuzuordnen zwingend notwendig. Und die gibt es halt eben auch nur mit dem Vortrag des den Schadensersatz begehrenden.
Es steht dem Gericht nach § 287 ZPO nämlich gerade nicht frei, das Vorliegen und die Höhe eines Schadens nach bloßer Billigkeit anzunehmen. Der § 287 BGB soll dem Geschädigten die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches zwar erleichtern, nicht aber den Rechtsschutz des Schädigers schmälern. Der beklagte Schädiger muss in jeder Verfahrenslage die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit den Schätzungsgrundlagen auseinander zu setzen und Einwände geltend zu machen. Dies kann er nicht, wenn etwa ein Gewinnentgang einer Verletzungshandlung nicht ausreichend zugeordnet werden kann. Eine Schätzung des Schadens nach einer Billigkeit ohne konkrete Zuordnung zum Handlungserfolg gestattet die Norm nicht. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3 Sa 349/18) bringt es insoweit auf den Punkt:
Insgesamt entscheidet das Gericht nach § 287 Abs. 2 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Diese Entscheidung obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 30.05.2018 – 10 AZR 780/16, EzA § 61 HGB Nr. 6 = NZA 2018, 1425; 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, Beck RS 2018, 40301; s. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoss Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Aufl. 2019, Kap. 3 Rn. 386). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Für die Schätzung eines Schadens benötigt der Richter allerdings greifbare Anhaltspunkte; eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens lässt § 287 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht zu. Eine Schätzung darf nicht vollkommen “ in der Luft hängen“ (BAG 26.09.2012 – 10 AZR 370/10, NZA 2013, 152). Eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, kommt nicht in Betracht (BAG 30.05.2018 a.a.O.).
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