Maler eines Bildes auf Basis der Fotografie einer Kunstinstallation ist Miturheber

Einen wirklich spannenden Fall im Kunstrecht hatte das Landgericht München I (42 O 7449/22; laut Wikipedia wurde Berufung eingelegt) zu entscheiden: Im Kern ging es um die Frage, ob ein Maler, der ein Foto abmalt und im Folgenden in weiteren Arbeiten abwandelt, (Mit-)Urheber des dann entstehenden Werkes ist. Hintergrund ist der Fall „Paris Bar„,

Sachverhalt

Stark vereinfacht: Als im Frühjahr 1991 die Ausstellung „Metropolis“ im Martin-Gropius-Bau in Berlin stattfand, fühlte sich der Künstler K. ausgeschlossen, da seine Werke nicht gezeigt wurden. Aus Protest organisierte er eine eigene Schau in der Paris Bar in Berlin-Charlottenburg, wo er und andere nicht berücksichtigte Künstler ihre Werke präsentierten.

Diese alternative Ausstellung war als kurzfristiges Event gedacht, und K. ließ die dortige Installation fotografieren, um sie festzuhalten. Er beauftragte das Unternehmen W.-Werbung, ein Foto der Installation auf eine große Leinwand zu übertragen, ohne die Identität der ausführenden Mitarbeiter zu kennen. Der Kläger, ein von H. W. angesprochener Künstler, wurde letztlich beauftragt, das Bild zu malen.

Nachdem der Kläger das Bild „Paris Bar Version 1“ fertiggestellt und an H. W. übergeben hatte, wurde es in der Paris Bar ausgestellt und ersetzte dort die Originalbilder. 1993 wurde er beauftragt, eine abgewandelte Version dieses Bildes zu malen, die das aktualisierte Interieur der Paris Bar zeigen sollte, inklusive des „Paris Bar Version 1“ Bildes an der Wand. Dieses neue Werk wurde als „Paris Bar Version 2“ bekannt und später im Centre Pompidou ausgestellt, bevor es verkauft und letztendlich in der Collection Pinault in Paris ausgestellt wurde. Sowohl „Paris Bar Version 1“ als auch „Paris Bar Version 2“ erzielten bei Auktionen hohe Verkaufspreise und wurden mit dem Namen des ursprünglich ausgeschlossenen Künstlers K. gekennzeichnet.

Die Streitfrage lautet nun: Ist nur der ursprüngliche Künstler zu nennen oder auch der Maler der Bilder, der dann einen Anspruch auf Namensnennung entsprechend seinem Urheberpersönlichkeitsrecht hätte.

Nicht alles, was Künstler, Kunsthandel, Museen und Betrachter von Kunstwerken als Kunst empfinden, muss deshalb Urheberrechtsschutz genießen; nicht jeder, den diese Personen als Urheber ansehen, als solcher einzuordnen sein (…)
Es ist vielmehr nach objektiven Kriterien zu ermitteln, ob das, was jemand geschaffen hat, als Kunstwerk anzusehen ist und ob jemand einen schöpferischen Beitrag geleistet hat, der es rechtfertigt, ihn als Urheber anzusehen oder nicht (…) Urheberrechtlicher Werk- und Schöpferbegriff einerseits und Werk- bzw. Schöpferbegriff im „Kunst-Sinne“ können somit auseinanderfallen (…)

LG München I

Entscheidung des Gerichts

Die Entscheidung besagt, dass die Klage berechtigt ist. Dem Kläger wird ein Unterlassungsanspruch zugesprochen, basierend auf den Paragraphen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) in Deutschland, weil er als Miturheber an den Bildern „Paris Bar Version 1“ und „Paris Bar Version 2“ beteiligt war und daher ein Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft hat.

Die Bilder werden als Werke der bildenden Kunst anerkannt, was bedeutet, dass sie urheberrechtlich geschützt sind. Sie gelten als persönliche geistige Schöpfungen, was bedeutet, dass sie individuellen Charakter haben und ästhetisch bedeutsam genug sind, um als Kunstwerke angesehen zu werden. Dies entspricht sowohl dem deutschen Recht als auch den Standards der Europäischen Union.

Für ein Werk, um urheberrechtlich geschützt zu sein, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Es muss eine Originalschöpfung sein, die die Persönlichkeit des Urhebers durch dessen freie kreative Entscheidungen widerspiegelt, und es darf nicht durch technische Erwägungen, Regeln oder andere Zwänge entstanden sein, die keine künstlerische Freiheit zulassen. Außerdem muss das Werk in der Lage sein, diese Schöpfung zu verkörpern. Diese Kriterien wurden in der Entscheidung als erfüllt angesehen, weshalb dem Kläger der Unterlassungsanspruch zusteht.

Die Entscheidung ist spannend, weil sie verschiedene Fragen aufwirft und den komplexen Vorgang, unter dem Kunst entsteht, hier ganz praktisch aufgreifen konnte!

Urheber, oder nicht?

Das Gericht stellt klar, dass es für die Begründung eines Urheberrechts nicht darauf ankommt, welche Rolle sich der Schöpfer eines Werkes selbst zuschreibt oder welche Intention er hatte. Das Urheberrecht entsteht automatisch mit der Schaffung des Werks und ist unabhängig vom Selbstverständnis des Schöpfers. Es ist ein sogenannter Realakt, der mit der Schöpfung an sich entsteht, unverzichtbar und nicht übertragbar ist.

Entscheidend für die Urheberschaft ist ausschließlich der objektive Beitrag zur Schöpfung. Wenn jemand einen kreativen oder schöpferischen Beitrag zu einem Werk leistet, das als persönliche geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 UrhG gilt, wird er als Miturheber betrachtet. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Personen an der Schaffung eines Werks beteiligt sind.

Wenn jemand allerdings nur Anweisungen befolgt, ohne eigenen kreativen Spielraum zu haben, also nur mechanische oder nicht-schöpferische Arbeiten ausführt, wird diese Person nicht als Urheber angesehen. Ebenso wenig begründen bloße Ideen oder Anregungen, die noch keine konkrete Form angenommen haben, eine Urheberschaft. Nur wer einen eigenen, individuellen schöpferischen Beitrag zum Werk leistet, wird urheberrechtlich geschützt:

Der an Vorgaben gebundene Handelnde kann damit (nur) Urheber sein, wenn ihm ein für die Erreichung des Urheberrechtsschutzes genügend großer Spielraum für individuelle Leistungen bleibt (vgl. BGH GRUR 2014, 772 Rn. 9 – Online-Stadtplan).

Halten sich Gehilfen lediglich an die nichtschöpferische mechanische Durchführung oder Ausgestaltung der Vorgabe des Urhebers und bleibt ihnen kein Spielraum für eine eigene individuelle schöpferische Gestaltung, sind sie keine Urheber (BGH GRUR 2014, 772 Rn. 9 – Online-Stadtplan; Schricker/ Loewenheim/ Loewenheim/ Pfeifer, UrhG, 6. Auflage, § 7 Rn. 8). Umgekehrt genügen bloße Ideen eines Auftraggebers, die noch nicht Gestalt angenommen haben oder Anregungen zu einem Werk, nicht, um eine Urheberschaft zu begründen (vgl. BGH GRUR 1995, 47, 48 – Rosaroter Elefant; Schricker/ Loewenheim/ Loewenheim/ Pfeifer, 6. Auflage, UrhG, § 7 Rn. 7; Dreier/Schulze/Schulze, 7. Auflage, UrhG § 7 Rn. 4).

Der klagende Maler wird vom Landgericht als Mit-Urheber der Werke „Paris Bar Version 1“ und „Paris Bar Version 2“ angesehen, weil er bei der Schaffung der Bilder einen hinreichend großen Spielraum für eigenschöpferische Leistung hatte und diesen auch nutzte. Obwohl K. die Werke initiierte und Anweisungen gab, einschließlich der Motive und der Stilrichtung, überließ er die malerische Umsetzung vollständig dem Maler, ohne den Schaffensprozess zu begleiten oder die Arbeiten persönlich abzunehmen, so das Gericht.

Der Maler traf also eigenständige Entscheidungen und brachte individuelle Pinselführung, Perspektive, Form, Detailliertheit sowie Licht und Schattierung ein, die alle zum Endresultat beitrugen. Die Werke spiegeln durch Veränderungen im Farbton und in der Perspektive, die von der Fotovorlage abweichen, die individuelle Handschrift des Malers wider und schaffen eine einzigartige, einladende und lebendige Atmosphäre. Diese individuellen Eigenheiten waren dann Anlass für das Gericht, davon auszugehen, dass der Maler mehr als nur eine technische Reproduktion geleistet hat, und begründen dann am Ende seine Anerkennung als Mit-Urheber.


Miturheber?

Für die Annahme einer Miturheberschaft nach § 8 Abs. 1 UrhG ist erforderlich, dass mehrere Personen ein Werk gemeinsam erschaffen, wobei die individuellen Beiträge nicht separat verwertbar sind. Dies setzt eine einheitliche Schöpfung und einen gemeinsamen Gestaltungswillen voraus. Selbst wenn Beiträge zeitlich versetzt erfolgen, kann eine Miturheberschaft vorliegen, sofern jeder Beitrag der gemeinsamen Idee untergeordnet ist. Im besprochenen Fall gingen K. und der Kläger mit dem Ziel vor, eine Szene auf eine Leinwand zu bringen, wobei sie sich der gemeinsamen Arbeit bewusst waren. Die Tatsache, dass sie sich nicht namentlich kannten, schadet nicht, da eine Identifizierung und Absprache möglich gewesen wäre.

Urhebervermutung des § 10 UrhG

Nach § 10 UrhG wird jemand, der auf dem Original oder den Vervielfältigungen eines veröffentlichten Werkes üblicherweise als Urheber genannt wird, bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber anerkannt. Diese Vermutung erleichtert dem Urheber den Nachweis seiner Rechte und gilt für alle Werke der bildenden Künste sowie zwischen Miturhebern. Die „übliche Weise“ der Bezeichnung als Urheber ist weit auszulegen, solange die Signatur an einer Stelle angebracht ist, die nicht extrem versteckt oder ungewöhnlich ist.

Im vorliegenden Fall genügten dem Gericht die zwei Signaturen des Klägers auf dem Gemälde „Paris Bar Version 1“, die an untypischen Stellen angebracht sind, um die Urhebervermutung zu erfüllen. Es ist nicht notwendig, dass die Signatur in einer Ecke des Bildes steht, solange sie auf dem Bild selbst zu finden ist:

Unstreitig befindet sich auf der Leinwand des Bildes „Paris Bar Version 1“ an zwei Stellen die Signatur des Klägers: auf einem Stuhlbein mittig unten auf dem Gemälde und auf einer hölzernen Box am rechten oberen Bildrand. Dies reicht für das Eingreifen der Urhebervermutung aus. Zwar findet sich die Urheberangabe bei Gemälden häufig in einer Ecke des Bildes. Diese Position ist jedoch nicht zwingend, wie Signaturen anderer Künstler zeigen.

Um nur ein berühmtes Beispiel zu bemühen: Raffael pflegte seine Signatur auf dem Gemälde „Heilige Familie aus dem Hause Canigiani“ als Verzierung der Borte des Gewandes der Maria ein (um 1505/1506, https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/wE4KqoKLZ5, besucht am 01.08.2023; für die Bandbreite der Signaturen siehe Hegener, Anker für die Ewigkeit, S. 14 ff, in: Künstlersignaturen, 2013). Als erforderlich, aber auch ausreichend muss angesehen werden, dass sich die Signatur auf dem Bild selbst befindet.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner